Ein Einblick in die Vollversammlung des Synodalen Wegs

"Die Gemüter sind aufgeheizt"

Bei der ersten Debatten-Runde der dritten Vollversammlung des Synodalen Weges in Frankfurt gab es zahlreiche Beiträge. Die Gemüter sind absolut aufgeheizt", sagt DOMRADIO.DE-Redakteur Renardo Schlegelmilch. Eine erste Zwischenbilanz.

Dritte Synodalversammlung / © Julia Steinbrecht (KNA)
Dritte Synodalversammlung / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Auf der Tagesordnung stehen Grundtexte, Orientierungstexte, erste Lesung, zweite Lesung - aber eigentlich brennt es am meisten unter den Nägeln bezüglich der Frage des Münchner Missbrauchsgutachtens und der Rolle, die der emeritierte Papst Benedikt dabei spielt, oder?

Renardo Schlegelmilch / © Martin Biallas (DR)
Renardo Schlegelmilch / © Martin Biallas ( DR )

Renardo Schlegelmilch (DOMRADIO.DE-Reporter beim Synodalen Weg): Und genau deswegen hat man kurzfristig die Tagesordnung geändert und eine Aussprache von einer Stunde - im Endeffekt waren es anderthalb Stunden - dazu eingeschoben. Das hat es bei der letzten Vollversammlung auch gegeben, zur Situation im Erzbistum Köln. Und man merkt einfach: Die Gemüter sind aufgeheizt.

Philippa Rath, die reformgeneigte Ordensschwester, sagt: "Die Leute fragen: Wie kann ich aus der Kirche austreten und im Orden bleiben?" Sie kennt Priester, die ihre Hochgebete für Papst und Bischof nicht mehr sprechen können, weil sie alle schockiert sind von der Lage. Es gibt auch eine Gruppe von Menschen, die sich hinter Papst Benedikt XVI. stellen. Der Satz, der relativ häufig fällt, ist "Im Zweifel für den Angeklagten." Also bitte keine Vorverurteilungen. Das sind Leute, die seine Rolle ein wenig differenzierter sehen wollen, als es ihrer Meinung nach hier getan wird.

Kardinal Reinhard Marx bei der dritten Synodalversammlung / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kardinal Reinhard Marx bei der dritten Synodalversammlung / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Und interessant ist auch, was Kardinal Marx sagt, dem nämlich ein aktueller FAZ-Bericht selber Mitschuld bei Vertuschungsvorwürfen gegenüber

 

Benedikt XVI. vorwirft. Er habe selber als Münchner Erzbischof Sachen gewusst, die er nicht mitgeteilt habe. Da widerspricht Kardinal Marx sich sehr deutlich. Zitat: "Bleiben wir auf dem Teppich. Ich habe nichts vertuscht. Was ich gewusst habe, habe ich gesagt. Und was wir heute wissen, ist eine andere Frage."

DOMRADIO.DE: Es geht um Reformen. In der kirchlichen Sexualmoral, bei der Frage der Rolle der Frau, beim Zölibat. Bei der letzten Synodalversammlung hat sich ein eindeutiges Stimmungsbild für Reformen gezeigt. Kann man schon sagen, ob sich das diesmal ähnlich gestaltet?

Schlegelmilch: Die Abstimmungen haben jetzt noch nicht begonnen. Es geht zum Beispiel über den Grundtext "Macht- und Gewaltenteilung". An den Wortmeldungen, die wir bis jetzt gehört haben, kann man aber definitiv sagen: Ja, die Reformer sind definitiv in der Mehrzahl. Ich würde sogar sagen in der überwiegenden Mehrzahl.

Synodaler Weg plant "Schuldbekenntnis" zu Missbrauch

Vor dem Hintergrund der jüngsten Missbrauchsgutachten plant das katholische Reformvorhaben Synodaler Weg einen Arbeitskreis zum Thema "Schuldbekenntnis". Bei der Synodalversammlung in Frankfurt bezeichnete der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, das Gutachten aus München und Freising als "Beben". Er fügte hinzu: "Es wird nicht das letzte gewesen sein – andere Diözesen werden folgen. Und jedes Mal werden wir wieder mit tiefen Abgründen konfrontiert, die mich mit Scham erfüllen."

 © Julia Steinbrecht (KNA)
© Julia Steinbrecht ( KNA )

Das hat man zum Beispiel auch von den Statements des Präsidiums im Vorhinein gehört. Bischof Bätzing, Bischof Bode, die Spitzen des ZdKs, die alle im Prinzip gesagt haben: So, wie es mit der Kirche bis jetzt läuft, kann es einfach nicht weitergehen. Und da wir eben die grobe Verteilung des Plenums kennen, von den letzten Sitzungen und wie damals abgestimmt wurde, halte ich es doch für sehr wahrscheinlich, dass jetzt heute darüber abgestimmt wird, dass, wenn es nach den Delegierten des Synodalen Weges geht, die Macht der Bischöfe eingeschränkt werden soll, zum Beispiel.

DOMRADIO.DE: Und was ist, wenn diese Reformen jetzt nicht beschlossen werden?

Schlegelmilch: Das ist eine sehr gute Frage, die auch in der Pressekonferenz heute Mittag gestellt wurde. Da hat man sich im Präsidium auch darüber beraten. Denn es bräuchte zum Beispiel eine Zweidrittelmehrheit der Bischöfe, die selber sagen: Ja, wir schränken unsere Macht ein, wir teilen unsere Macht mit anderen auf.

Das Präsidium hat gesagt: Wenn dieser Text nicht durchkommen würde, werden wir die ganze Veranstaltung abbrechen und uns noch mal neu Gedanken machen, wie es hier weitergehen kann, denn das ist so grundlegend für unsere Reform, für unsere Erneuerung. Da kann man nicht einfach ein Nein hinnehmen und sagen "Wir machen einfach weiter und akzeptieren das jetzt so". Ich halte das aber, wie gesagt, wenn man die Verteilung vom Plenum ungefähr kennt, für nicht ausgeschlossen, aber nicht für wahrscheinlich, dass das jetzt heute abgebrochen wird. Aber es ist eine Möglichkeit.

DOMRADIO.DE: Also, zwei Drittel der Bischöfe müssen sagen: "Ich bin bereit, von der vielen Macht, die ich habe, was abzugeben"?

Schlegelmilch: In der Beschlussvorlage stehen verschiedene Maßnahmen. Zum Beispiel neue Räte, ein Synodalrat oder solche Ideen, wie dass Bischöfe vom Volk mit gewählt werden können. Das ist natürlich alles viel zu simpel ausgedrückt, aber die Sachen sollen jetzt beschlossen werden und da braucht es nicht bloß die Mehrheit des Plenums, sondern es braucht auch eine eine Zweidrittelmehrheit innerhalb der Bischofskonferenz.

Bischof Rudolf Voderholzer beim Auftakt der dritten Synodalversammlung / © Julia Steinbrecht (KNA)
Bischof Rudolf Voderholzer beim Auftakt der dritten Synodalversammlung / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Jetzt gibt es ja auch die konservative - wie wir gerade gehört haben - Minderheit. Der prominenteste Vertreter davon ist der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer. Welche Rolle spielt der bei der Synodalversammlung?

Schlegelmilch: Das sind Wortmeldungen, die wir in der Art und Weise schon aus früheren Veranstaltungen kennen. Er sagt gerne Sachen, die für Kontroversen sorgen. Er sagt zum Beispiel, wenn es um das Münchner Missbrauchsgutachten geht, dass das, wie es jetzt dargestellt wird, nur verzerrt ist und mehr um Ideologie als um Aufklärung geht. Dann gibt es ein anderes Zitat, das von ihm gekommen ist, dass nämlich Missbrauch von Kindern doch eigentlich etwas Harmloses ist. Und das hat hier für sehr großes Aufsehen gesorgt.

Auch Vertreter von Opferbeiräten, von Betroffenenbeiräten haben gesagt: Es kann nicht angehen, dass in so einer Veranstaltung so ein Satz fällt gegenüber von Opfern. Da hat sich Bischof Voderholzer natürlich gerechtfertigt und hat gesagt: "Nein, ich habe das nicht so gemeint, sondern ich habe damit Meinungen aus den 70ern zitiert. Ich finde, Verharmlosung von Missbrauch ist das Schlimmste, was es gibt."

Jetzt kann man drüber diskutieren, ob er das alles von vornherein so geplant hat. Wollte er dieses Aufsehen? Ich glaube, in diesem Fall war es wirklich ein Versehen. Da hat er sich unglücklich ausgedrückt. Das ändert aber nichts daran, dass seine Grundeinstellung ist, hier möglichst viel für Tumult zu sorgen, weil er sieht, dass seine Meinung nicht mehrheitsfähig ist. Möglichst viel Ärger, möglichst viel Disruption. Das scheint ein Grundmotiv, was wir aus dem Bistum Regensburg immer wieder erleben, rund um Synodalen Weg, nicht nur bei den Vollversammlungen.

DOMRADIO.DE: Wie sieht es denn eigentlich mit dem Erzbistum Köln aus? Kardinal Woelki ist ja noch in seiner Auszeit. Der ist nicht in Frankfurt, er nimmt nicht teil. Ist die Situation im Erzbistum Köln dennoch Thema?

Schlegelmilch: Der Vorsitzende des Kölner Diözesanrates, Tim Kurzbach. der Oberbürgermeister von Solingen, hat sich am Ende der ersten Aussprache noch mal ganz deutlich, fast schon mit einem Alarmruf, zur Situation in Köln geäußert.

Er sagt: Der Administrator, Weihbischof Steinhäuser, gibt sich größte Mühe, für Versöhnung und Aufklärung zu sorgen. Aber wenn es konkret wird, wird aus Rom immer wieder zurückgepfiffen. Das bringt kein neues Vertrauen. Und wenn es wirklich so aussieht, dass Kardinal Woelki, Zitat "einfach weiter so macht", wenn er zurückkehrt am Aschermittwoch, dann führt das zu einer "Kernschmelze" in Köln. Also ein sehr deutliche Aufruf auch in dieser Situation.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Quelle:
DR
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