Für Entwicklungsminister Gerd Müller (CDU) war es wohl das größte Abschiedsgeschenk aus dem Amt. Er sprach bei der Verabschiedung Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten am Freitag im Bundestag von einem "Herzensanliegen", zugleich aber auch vom "wichtigsten Gesetz für mehr Gerechtigkeit zwischen Reich und Arm". Bis zuletzt stand das Gesetz vor allem wegen Vorbehalten aus der Wirtschaft auf der Kippe.
Knapp Zweidrittel der Abgeordneten dafür
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) äußerte sich entsprechend erleichtert nach "zähem Ringen" ein wichtiges "Signal auch an Europa" geben zu können. Tatsächlich handelt es sich um einen "Paradigmenwechsel", wie Redner betonten. Erstmals werden Unternehmen verpflichtet, bei der Herstellung von Produkten im Ausland auf Menschenrechts- und Umweltstandards zu achten, und zwar entlang der ganzen Lieferkette. Also von den Arbeitern in den westafrikanischen Kakaoplantagen oder den Näherinnen in bengalischen Textilfabriken bis zu den Auslagen in deutschen Geschäften.
FDP und AfD sahen in der Regelung vor allem eine Belastung der Wirtschaft durch Bürokratie und Wettbewerbsnachteile. Dem grundsätzlichen Einwand von Carl-Julius Cronenberg (FDP), die Bundesregierung wälze die menschenrechtliche Verantwortung auf Unternehmen ab, widersprach Thomas Heilmann (CDU). Menschenrechte seien in einer sozialen Marktwirtschaft auch Aufgabe der Wirtschaft. Grüne und Linke begrüßten die Intention als ersten Schritt, forderten aber weiterreichende Vorgaben. Immerhin erhielt der Gesetzentwurf bei der namentlichen Abstimmung mit 412 Ja-Stimmen von 630 Voten auch Zustimmung von den Grünen.
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gewährleistet Einhaltung
Für deutsche Unternehmen gilt die Sorgfaltspflicht für die Einhaltung von Menschenrechten nun abgestuft vom eigenen Geschäftsbereich über die unmittelbaren Zulieferer bis zu den mittelbaren Zulieferern. Umweltbelastungen sind zwar einbezogen, aber nur soweit sie Menschenrechte beeinträchtigen. Kleinere Unternehmen sind zunächst ausgenommen. So soll die Regelung ab dem 1. Januar 2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Arbeitnehmern gelten und ein Jahr später für solche mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern.
Die Einhaltung soll das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gewährleisten. Bei Verstößen drohen Bußgelder bis hin zum befristeten Ausschluss von der öffentlichen Beschaffung. Ferner dürfen Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften Betroffene vor deutschen Gerichten unterstützen. Wesentlich für die Unternehmen war aber, dass es keine zusätzliche zivilrechtliche Haftung geben soll. Dies Anliegen der Wirtschaft wurde in der letzten Verhandlungsrunde nochmals im Gesetz bekräftigt.
Zivilrechtliche Haftungsregel fehlt in Gesetzentwurf
Dabei hatten besonders die Entwicklungsorganisationen auf diesem Punkt beharrt. Hieran nahmen vor allem die Grünen und Die Linke Anstoß. "Nur wenn Betroffene echte Möglichkeiten zum Klagen haben, kann ein solches Gesetz seine volle Wirksamkeit entfalten", so Agnieszka Brugger (Grüne). Sie kritisierte auch, die Abstufung, zumal die gravierendsten Menschenrechtsverletzungen eben ganz am Anfang stattfänden, also in den Minen, den Gerbereien oder auf den Feldern. Ein weitere Kritikpunkt: Die Beschränkung auf die großen Firmen.
Für die Regelung hatte sich ein breites Bündnis stark gemacht, von Entwicklungsorganisationen über die Gewerkschaften bis zu den Kirchen. Die Reaktionen waren geteilt zwischen der Zustimmung zum "ersten Schritt in die Richtige Richtung", wie das Deutschen Menschenrechtsinstitut schrieb, dem weitere folgen müssen und Enttäuschung über zu schwache Vorgaben.
Der Hauptgeschäftsführer der kirchlichen Hilfswerks Misereor, Pirmin Spiegel, bedauert vor allem, dass eine zivilrechtliche Haftungsregel auf Druck von Lobbyverbänden verhindert worden sei. "Den Betroffenen des Dammbruchs einer Eisenerzmine im brasilianischen Brumadinho und der Brandkatastrophe der Textilfabrik Ali Enterprises in Pakistan ist dies schwer zu vermitteln", so Spiegel. Aber auch der scheidende Entwicklungsminister betonte, dass weitere Schritte für eine gerechtere Globalisierung folgen müssten, auf EU-Ebene ebenso wie durch Reformen der Welthandelsorganisation bei den Vereinten Nationen.