DOMRADIO.DE: Stimmen Sie Bischof Genn zu? Haben die Austritte mit dem Missbrauchsskandal zu tun?
Hans Zollner SJ (Leiter des Kinderschutzzentrums an der päpstlichen Universität Gregoriana): Natürlich ist das einer der Hauptgründe, sicherlich, warum Menschen die Kirche verlassen. Sie merken, dass auf der einen Seite Dinge gesagt werden und über Jahrzehnte auch Bemühungen auf dem Weg sind - auf der anderen Seite eine strukturelle Veränderung nicht oder kaum sichtbar ist.
DOMRADIO.DE: Was kann die Kirche tun, damit sich die Lage verändert?
Zollner: Was die Kirche insgesamt tun kann und was alle Verantwortlichen der Kirche tun können, das sind ja nicht nur Bischöfe oder Priester, sondern auch Laien, ist, dass sie konsistent handeln. Dass sie das, was sie sagen, wenn sie über Aufarbeitung und Prävention von Missbrauch reden, tatsächlich auch tun. Dass sie es so einbinden in die Struktur, in die Institution. In die Abläufe der kirchlichen Institutionen jeder Art, von der Schule über die Pfarreien, über karitative Einrichtungen, über Altenheime, über alle Arten von spirituellen Angeboten, dass die Menschen merken, dass sie sich in einem sicheren Raum bewegen und dass sie auch wissen, dass Verantwortung übernommen wird, dort, wo Unrecht geschehen ist.
DOMRADIO.DE: Was muss dazu denn als nächstes konkret passieren hinsichtlich der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche?
Zollner: Das, was in Deutschland gerade geschehen ist: Die Unterschrift der Deutschen Bischofskonferenz und des unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung, Herrn Rörig, zur unabhängigen Aufarbeitung in den 27 Diözesen Deutschlands. Das ist ein tatsächlich wichtiger Schritt. Ich bin schon gewisser Hoffnung, dass das auch einen Schub geben wird, tatsächlich unabhängige Aufarbeitung geschehen zu lassen. Denn für viele Leute ist das der Lackmustest, um zu zeigen, dass auch alle Anstrengungen in Prävention auf einer Suche nach Gerechtigkeit ruht und nicht einfach nur ein Lippenbekenntnis ist.
Das Gespräch führte Katharina Geiger.