Gleich zum Auftakt hat der 102. Katholikentag in Stuttgart gezeigt, was das Motto "leben teilen" bedeuten kann. Der "Abend der Begegnung" war vor allem ein fröhliches Willkommensfest, für die bis zu 30.000 Gäste, die bis Sonntag in der Landeshauptstadt erwartet werden. Die gastgebende Diözese Rottenburg-Stuttgart lud bei angenehmen Temperaturen zu einem kulturellen und kulinarisch-bunten Abend in der Innenstadt ein. Unbeschwertes Wiedersehen nach mehr als zwei Jahren Pandemie.
Rede des Bundespräsidenten zum Auftakt
Endlich wieder ein Präsenz-Katholikentag, jubilierte die neue Vorsitzende des Zentralkomitees der Katholiken, Irme Stetter-Karp, bei der Eröffnung im Schlossgarten vor rund 6.000 Besuchern - eine vergleichsweise überschaubare Menge. So zeugten eher die vielen weißen Pavillons in Parks und Straßen zwischen Schloss und Bahnhof vom Katholikentreffen als die Besucher mit dem lachsfarben Katholikentagsschal. Einige trugen zudem einen blau-gelben Schal der Solidarität mit der von Russland angegriffenen Ukraine.
Bundespräsident Frank Walter Steinmeier zitierte zum Auftakt seiner Rede Hölderlins Strophen aus "Stuttgart": "Voll ist die Luft von Fröhlichen jetzt und die Stadt [...] ist / Rings von zufriedenen Kindern des Himmels erfüllt". Allerdings stimmte er auch auf die herausfordernden, ja bedrückenden Themen ein, die die Debatten des Katholikentages prägen werden: vom Überfall auf die Ukraine bis zum innerkirchlichen Reformprozess. Die Welt "braucht das Zeugnis eines Glaubens, dessen Zuversicht immer noch ein Stück größer ist als Verzagtheit", ermutigte der bekennende Protestant seine katholischen Mitchristen.
"Abend der Begegnung"
Einige trafen eher zufällig auf die Veranstaltung. Kevin zog die Musik auf der Hauptbühne im Schlossgarten an, die Steinmeier-Rede ließ ihn bleiben. Er fand es "cool", dass Menschen auch im Vorbeigehen am Katholikentreffen teilnehmen können.
Das galt besonders für den "Abend der Begegnung", wo es "(fast) grenzenlos schwäbisch ökumenisch" wurde - zumindest beim gleichnamigen Musikpotpourri auf der Marktplatz-Bühne. Die Stuttgarter Hymnus-Chorknaben intonierten ein "Willkommen in Stuttgart", die Bläserkantorei spielte Fetziges und der Gospelchor der Evangelischen Kirche in Stuttgart Besinnliches. Gesungene Ökumene, von der sich viele zufällige Besucher noch mehr wünschten.
Bühne in der Hand der katholischen Jugend
Die Bühne auf dem Kronprinzenplatz war hingegen fest in der Hand der katholischen Jugend. Unter dem Motto "Crown Festival - Music, Food, Fun" gab es Swing, Jazz und Rock. Das freie Gymnasium Sankt Meinrad aus Rottenburg am Neckar stellte eigene Kompositionen vor und das Mädchengymnasium Sankt Agnes aus Stuttgart Singer und Songwriter. Großen Zuspruch fand ein Mitsing-Projekt auf dem Schlossplatz zu Händels "Halleluja".
Marie-Anna Ellmer erhofft sich vom Katholikentag "gemeinsam mit anderen Glaube und Gemeinschaft zu spüren". Mit der Institution und der kirchlichen Haltung etwa zur Frauenfrage hadert sie hingegen, will aber "für mehr Rechte kämpfen". Jürgen und Marita Kutschmann gehören zu den Stammgästen. Seit 20 Jahren haben die Osnabrücker keinen Katholikentag verpasst. Das Event lasse "erleben, wie offen die Kirche sein kann". Unter dem Motto "Dem Himmel ein bisschen näher" steht denn auch eine Bläserperformance im Schlossgarten mit traditioneller Volksmusik.
Internationale Gemeinden
Zu den 130.000 Katholiken im Südwesten gehören aber immer mehr Mitglieder aus den 18 Gemeinden anderer Muttersprachen, nicht zuletzt die Ukrainisch griechisch-katholische Gemeinde, die sich besonders um Kriegsflüchtlinge aus ihrer Heimat kümmert. So waren auch kroatische Chormusik, albanische Folklore oder Liebeslieder aus Italien zu hören.
"Wir können alles. Außer Hochdeutsch", lautete einst ein Werbeslogan von Baden-Württemberg. Auch feiern, könnte man an diesem Abend hinzufügen - nur der alte Kaiser Wilhelm blieb außen vor. Die Statue auf dem Kaiserplatz war rot verhüllt: ein später Protest gegen das Koloniale Kaiserreich.