DOMRADIO.DE: Was ist es, dass Sie an der Figur Zwinglis so fasziniert hat und sich so entschlossen haben, einen Film über ihn zu drehen?
Stefan Haupt (Regisseur des Films "Zwingli - Der Reformator"): Ich bin selbst Zürcher. Ich habe immer von ihm gewusst und kannte das Großmünster sehr gut, wo er gewirkt hat. Ich wusste, dass er ein sehr offener Geist war, sehr interessiert am Wort und an der Bibel natürlich. Aristoteles und Erasmus von Rotterdam haben ihn auch fasziniert. Er hat sehr viel gemacht für die Bildung und das Sozialwesen. Da wusste ich, dass er eine sehr spannende Figur ist.
DOMRADIO.DE: Im Jahr 2017, zum 500-jährigen Reformationsjubiläum, ging es in Deutschland immer nur um Martin Luther. Von Zwingli hat eigentlich niemand gesprochen. Können Sie sich das erklären?
Haupt: Ganz genau kann ich mir das auch nicht erklären. Es ist allen klar, dass Luther in Deutschland ein viel bekannterer und größerer Name ist als Zwingli. In Deutschland, aber auch in der Schweiz, haben mich viele Leute gefragt, wann denn ein Luther-Film kommt. Ich habe gesagt: "Wie bitte, aber natürlich." Es gibt dutzende Gemälde von Luther, auch zu Lebzeiten – von Zwingli nicht.
Die erste deutsche vollständig übersetzte und gedruckte Bibel ist die Zürcher Bibel. Er wollte nicht, dass die Bibel seinen Namen trägt, wie beispielsweise die Lutherbibel. Es sollte die Zürcher Bibel sein, weil sie ja aus einer Gruppe von gebildeten Männern entstanden ist. Und dennoch sind Calvin und Zwingli im amerikanischen und asiatischen Raum sehr viel bestimmender für die Reformation und die protestantischen Bewegungen, die es dort gegeben hat. Für Deutschland und den skandinavischen Raum ist natürlich Luther die zentrale Figur.
DOMRADIO.DE: Zwingli wollte nicht, dass eine Bibel nach ihm benannt wird, im Gegensatz zu Luther. Was sind noch gravierende Unterschiede zwischen den beiden?
Haupt: Zwingli war kein Mönch, er ist in Wildhaus in Toggenburg aufgewachsen, sein Vater war Gemeindeammann (Anm. d. Red.: Gemeinepräsident), er hat das Gemeinwesen als Kind von Grund auf kennengelernt. Er war danach Student in Wien und Basel, noch nicht einmal Theologiestudent. Er hat sich in der freien Reichsstadt Zürich sehr gut mit dem Bürgermeister verstanden. Sie haben häufig gemeinsam Dinge durchgezogen und dafür gesorgt, dass das Söldnerwesen abgeschafft wird.
Zwingli hat sich sehr für eine Almosenordnung eingesetzt. Diese Ordnung sah vor, dass sich die Stadt für die Armen und Bettler einsetzt. Er hat darauf hingewirkt, dass die Klöster verstaatlicht werden. Er hat sich sehr viel stärker in das alltägliche Gesellschaftsleben eingemischt.
DOMRADIO.DE: Zürich war damals, also um 1519, nicht viel größer als ein kleines Dorf. Wo haben Sie gedreht?
Haupt: Zürich hatte ca. 7500 Einwohner. Basel war zwar zur damaligen Zeit größer, aber ein Dorf war Zürich nicht. Wir konnten glücklicherweise größtenteils in Zürich, in der Wirkungsstätte Zwinglis drehen, was sehr spannend war. Wir haben auch viel in Stein am Rhein gedreht, an der deutschen Grenze. Dort gibt es ein fantastisches Kloster, das 1525 wegen der Reformation aufgegeben wurde, aber seither nie aufwändig restauriert wurde. Dieses Kloster war eine ganz großartige Kulisse für uns. Einiges haben wir auch in Baden-Württemberg gedreht.
DOMRADIO.DE: Wie viel von Ihrem Film ist denn wirklich historische Begebenheit und was ist Fiktion?
Haupt: Natürlich ist das immer eine Krux, wenn man versucht zwölf Jahre in einem zweistündigen Film zu erzählen. Ich habe mich mit ausgewiesenen Reformationshistorikern auseinandergesetzt und ihnen das Drehbuch zum Lesen gegeben. Dabei bin ich sehr gut weg gekommen. Man kann also davon ausgehen, dass unserem Film sehr viel Wahres zugrunde liegt.
DOMRADIO.DE: Was ist die Botschaft, die beim Zuschauer im besten Fall ankommen soll?
Haupt: Was mich selbst sehr begeistert hat, ist diese Aufrichtigkeit und die Gradlinigkeit. Zwingli wollte einfach gegen Doppelmoral und Heuchelei angehen. Er hat ein unglaubliches Interesse an der Schrift gehabt und das finde ich gerade in der heutigen Zeit von Fakenews sehr beeindruckend.
Er hat sich damit beschäftigt, was in der Schrift steht und für was wir stehen: Was ist unsere Botschaft und wo wollen wir hin? Es ist eine sehr spannende Herausforderung, sich diese Fragen zu stellen. Ich glaube, dass der Film sehr viele Anregungen dazu geben kann.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.