Hinter Plexiglas teilt Rainer Maria Kardinal Woelki im Kölner Dom den Leib Christi aus. Vor ihm warten Frauen und Männer in einer Schlange, bis sie an der Reihe sind. Aufkleber auf dem Boden markieren die vorgeschriebenen zwei Meter Abstand zum Vordermann.
Diese Szene aus dem ersten Gottesdienst mit Gemeinde nach sieben Wochen Corona-Pause erinnert einerseits an die Anti-Pandemie-Auflagen in vielen Bäckereien. Andererseits markiert sie eine Art Befreiungsschlag. Denn sieben Wochen keine Messe bedeutet sieben Wochen keine Kommunion. Für viele gläubige Katholiken ist die aber der Dreh- und Angelpunkt ihrer religiösen Praxis.
Messfeier zunächst im "internen Kreis"
"Es war schön, nach so langer Zeit wieder einen Gottesdienst feiern zu können", sagt Martin Kessen, der mit seiner Frau und den beiden Söhnen die Messe in einer der bedeutendsten Kirchen Deutschlands besucht hat. "Vielleicht hat man vieles etwas bewusster erlebt als sonst." Seine Kinder singen im Domchor, deshalb haben die Kessens eine Einladung für diesen ersten Gottesdienst erhalten. Die Messfeier fand zunächst im "internen Kreis" statt, um Erfahrungen zu sammeln, wie das Domkapitel vorab erklärte.
Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, hatten katholische und evangelische Kirche in Nordrhein-Westfalen sowie jüdische und muslimische Gemeinden religiöse Zusammenkünfte untersagt. Ab 15. März war der Kölner Dom nur noch für das persönliche Gebet zugänglich.
Bis kommenden Sonntag sollen die Gottesdienste in der Kathedrale schrittweise für die Allgemeinheit geöffnet werden - unter strengen Auflagen. Das Gestell mit dem Plexiglas zum Beispiel steht als durchsichtige Barriere zwischen Kommunionausteiler und Gläubigen. Es verdeckt Gesicht und Brust; die Seelsorger können die Hostien unter dem Gestell durchreichen.
"Es war stiller als sonst"
Die Besucher sollen im Gottesdienst außerdem nicht singen. Das übernahmen am Sonntag ein Kantor und eine Schola mit nur vier Sängern, die in ausreichend Abstand zueinander standen. "Es war stiller als sonst", erzählt der 16-jährige Karl Kessen. Bei den Liedern, die er kannte, hätte das Domchor-Mitglied gerne mitgesungen. "Aber immerhin konnten wir mal in den Dom gehen, wo wir schon lange nicht mehr waren."
Die wichtigste Sicherheitsauflage lautet auch in der Kirche: Abstand halten. Maximal 122 Besucher dürfen an einem Gottesdienst im Dom teilnehmen. Die Kathedrale bietet eigentlich Sitzplätze für rund 800 Menschen. In jeder zweiten Kirchenbank markieren Aufkleber ganz links und ganz rechts, wo die Teilnehmer sich postieren sollen.
"Wir nehmen unsere Verantwortung wahr und werden dafür Sorge tragen, dass kein Leben gefährdet ist", versichert Kardinal Woelki nach der Messe vor Journalisten. Dass die Auflagen gut angenommen werden, zeigt sich im Gottesdienst, als der Kantor das Halleluja anstimmt und die Gemeinde dem Impuls widersteht, ebenfalls zu singen.
"Es lief alles reibungslos"
Dass aber gerade die Abstandsregeln nicht immer zu hundert Prozent eingehalten werden können, wird kurz vor der Wandlung klar. Der Ministrant reicht Woelki ein Weihrauchgefäß, der es später dem Diakon gibt, der es wieder dem Ministranten reicht - so wie es üblich ist.
Insgesamt zeigen sich die Verantwortlichen trotzdem zufrieden. "Es lief alles reibungslos", resümiert der Sicherheitskoordinator im Kölner Dom, Oliver Gassen, der auch für die Aufsicht in der Kathedrale zuständig ist. Sechs Domschweizer hätten die Sitze zugewiesen, alle Besucher seien während des Gottesdienstes an den vorgesehenen Plätzen geblieben.
Gemeinsam mit dem Domdechanten, dem Dombaumeister und dem Domvikar habe er kurzfristig ein Konzept erarbeitet, berichtet Gassen. "Die Schweizer wurden einbezogen und es gab sozusagen eine Trockenübung, wie wir das genau handhaben wollen." Für die kommenden Feiern will der Sicherheitskoordinator Automaten aufstellen, die kontaktlos Desinfektionsmittel spenden - falls Besucher das wünschen.
Die erste Messe mit Auflagen bezeichnet Gassen als etwas Besonderes. "Ein Gottesdienst mit dieser kleinen Besetzung hat etwas sehr Stilles, sehr Nahes", sagt er. "Das war eine ganz neue Erfahrung."