Einsatz von KI sorgt nicht nur in der US-Kirche für Debatten

Beichten beim Internet-Priester

Der Auftritt des KI-Geistlichen "Father Justin" in den USA dauerte nur zwei Tage. Aber er befeuert die Debatte über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Seelsorge.

Autor/in:
Thomas Spang und Joachim Heinz
Symbolbild Künstliche Intelligenz / © Peshkova (shutterstock)
Symbolbild Künstliche Intelligenz / © Peshkova ( shutterstock )

Die Reaktionen fielen scharf und eindeutig aus. Als eine "skandalisierende Verhöhnung des heiligen Priestertums" kritisierten Katholiken in den Sozialen Medien das Experiment von "Catholic Answers". 

Was war geschehen? Die konservative Website hatte Ende April die digitale Kunstfigur "Father Justin" ins Netz gestellt. Der durch KI gefütterte Netz-Priester stand Katholiken für Fragen zum katholischen Glauben Rede und Antwort und soll auch eine Beichte "imitiert" haben.

Beichte: Blick durch ein Holzgitter auf einen Priester mit violetter Stola in einem Beichtstuhl / © Harald Oppitz (KNA)
Beichte: Blick durch ein Holzgitter auf einen Priester mit violetter Stola in einem Beichtstuhl / © Harald Oppitz ( KNA )

Der Versuch mit dem virtuellen Priester ging gründlich daneben und endete nach nur zwei Tagen. "Catholic Answers" entschuldigte sich für das Experiment und degradierte "Father Justin" zum Laientheologen. Seitdem steht der künstliche Priester sinnbildlich für die Chancen, vor allem aber Risiken beim Einsatz von KI in der Seelsorge.

Kritik am KI-Priester

Reverend Philip Larrey, Professor in der Fakultät für Erziehungswissenschaften am Boston College, sagte dem australischen Portal Sight Magazine, er schätze "Catholic Answers", aber: "Sie waren zu schnell, sich auf etwas einzulassen, das extrem kompliziert ist." Schärfer fiel das Urteil von Noreen Herzfeld, Theologie- und Informatik-Professorin an der St. John's University und dem College of St. Benedict in New York aus. Die KI-Figur habe sich als Priester ausgegeben, "was im Katholizismus als sehr schwere Sünde gilt".

Laut Bischof Oscar Cantu aus San Jose im kalifornischen Silicon Valley können auch Priester und Theologen von KI profitieren. Sakramente zu spenden, bleibe aber ein persönlicher Akt zwischen Priester und Gläubigen. Es gehe dabei um "eine Begegnung mit Christus, in echten Menschen", so der Bischof. "Nur weil Father Justin die Formel rezitiert, macht es das noch lange nicht zu einem Sakrament."

Experimente mit KI in der Seelsorge

Unterdessen haben Geistliche verschiedener christlicher Konfessionen längst begonnen, mit KI zu experimentieren. ChatGPT gilt als Prototyp eines Chatbots; eines Programms, das Textdaten verarbeiten kann, als habe ein Mensch sie verfasst. Es liefert beispielsweise wie auf Knopfdruck Predigten, zu denen neben dem Thema nur einige gewünschte Stichworte vorgegeben werden.

Bildschirm mit Chatbot ChatGPT  / © Iryna Imago (shutterstock)
Bildschirm mit Chatbot ChatGPT / © Iryna Imago ( shutterstock )

Einige Seelsorger zeigten sich überrascht über Faktenfülle und den logischen Aufbau der künstlichen Predigten, andere hielten die Texte für wenig einfühlsam und geradezu lieblos. Es fehle einfach die Seele, so der Professor für christliche Predigt am Southern Baptist Theological Seminary in Kentucky, Hershael York.

Speziell auf die Bedürfnisse von Katholiken zugeschnitten ist "MagisteriumAI". Bei Fragen zum kirchlichen Lehramt kann der KI-Bot auf mehr als 6.000 offizielle Dokumente zurückgreifen. Tanja Köglmeier, Leiterin der Fachstelle Medien und Digitales im Bistum Regensburg, gehört zu denen, die von Deutschland aus Experimente wie "Father Justin" und "MagisteriumAI" aufmerksam verfolgen. Mit anderen Kolleginnen und Kollegen tauscht sie sich auf der Website "digitalpastoral.de" über die neuesten Entwicklungen aus.

Expertin rät zur Vorsicht und sieht Potential

Vor dem Einsatz von Chatbots wie "Father Justin" seien grundlegende Fragen zu klären, sagt die Expertin. Was passiere etwa, wenn ein solches KI-Modell nicht mehr nur erwünschte Inhalte generiere, sondern Halluzinationen, also frei erfundene Inhalte verbreitet, oder gar menschenfeindliche Aussagen und gefährliche Weltanschauungen? Die Verantwortlichkeiten müssten klar geregelt sein und es brauche ein hohes Maß an Medienkompetenz.

Zugleich hält Köglmeier wenig davon, KI pauschal zu verteufeln – im Gegenteil. "Ich glaube, dass alleine die Überlegungen zu KI in der Seelsorge pastorale Debatten beleben können: Denn es muss nicht immer die Entscheidung für oder gegen KI getroffen werden." Denkbar seien etwa "hybride Lösungen", zum Beispiel KI als Unterstützung für die Seelsorge, aber kontrolliert durch Menschen. Köglmeiers Credo: "Bei der Betrachtung von Chancen und Risiken muss immer der Mensch im Mittelpunkt stehen."

Was ist Künstliche Intelligenz?

Der Begriff Künstliche Intelligenz (KI) wurde vor mehr als 60 Jahren geprägt durch den US-Informatiker John McCarthy. Er stellte einen Antrag für ein Forschungsprojekt zu Maschinen, die Schach spielten, mathematische Probleme lösten und selbstständig lernten. Im Sommer 1956 stellte er seine Erkenntnisse anderen Wissenschaftlern vor. Der britische Mathematiker Alan Turing hatte sechs Jahre zuvor bereits den "Turing Test" entwickelt, der bestimmen kann, ob das Gegenüber ein Mensch ist oder eine Maschine, die sich als Mensch ausgibt.

Symbolbild Künstliche Intelligenz / © maxuser (shutterstock)
Symbolbild Künstliche Intelligenz / © maxuser ( shutterstock )
Quelle:
KNA