Kann Künstliche Intelligenz religiöse Gefühle entwickeln?

"KI-Programme können Seelsorge betreiben"

Konkurriert die Künstliche Intelligenz bald mit der göttlichen Weisheit? Oder hat KI bald so etwas wie ein religiöses Bewußtsein und ersetzt sogar den Priester? Die Theologin Birte Platow sieht noch klare Grenzen für die Maschinen.

Symbolbild Künstliche Intelligenz / © ayyse (shutterstock)
Symbolbild Künstliche Intelligenz / © ayyse ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie beeinflusst KI unsere Vorstellungen von Religion und Spiritualität? 

Prof. Dr. Birte Platow (Professorin für Religionspädagogik. Geschäftsführende Direktorin der TU in Dresden, Institut für Evangelische Theologie): Das macht sie eigentlich auf zwei Arten; einmal sehr explizit, indem Religion in Foren oder Threads oder von "Sinnfluencern" im Internet thematisiert wird und mit allen Dynamiken von KI vorangetrieben wird. 

Implizit tut sie das aber auch, weil wir natürlich, wenn wir mit KI zu tun haben, uns verstärkt fragen, wer wir eigentlich als Mensch sind, was wir können oder was wir nicht können. Und das sind im Kern oft auch religiöse oder spirituelle Fragen. 

DOMRADIO.DE: Welche ethischen Fragen ergeben sich denn, wenn wir Künstliche Intelligenz mit göttlicher Weisheit in Verbindung bringen? 

Platow: In meiner Wahrnehmung führt diese Vorstellung von einer perfekten Intelligenz, die fehlerfrei und schnell mit großen Datenmengen arbeitet - das ist in unserer Gesellschaft ja wirklich eine harte Währung - manchmal dazu, dass Menschen ihr eigenes Vermögen verkleinert oder defizitär wahrnehmen und Verantwortung abgeben. 

Ich treffe öfters auf die Vorstellung, Menschen können ja nicht alles. Aber wir haben jetzt Technologien, die das bald können. Das berührt natürlich auch das Thema unserer Verantwortung und damit einen Kern von Ethik und ethischer Verantwortung. 

DOMRADIO.DE: Wäre es für Sie vorstellbar, wenn Roboter zum Beispiel Ministranten oder sogar Priester ersetzen würden oder ist das ethisch verwerflich? 

Birte Platow

"Ich habe sogar meine Meinung geändert und glaube, dass inzwischen KI-Programme ganz gut Seelsorge betreiben können."

Platow: Als Protestantin habe ich da, glaube ich, weniger Berührungsängste. Ich kann mir viele Stellen vorstellen, wo das in Ordnung ist, also sich Teile der Predigt oder auch die ganze Predigt schreiben zu lassen. 

Ich habe sogar meine Meinung geändert und glaube, dass inzwischen KI-Programme ganz gut Seelsorge betreiben können. Wir sind eine Text-Religion, wir sind eine Religion des Wortes und KI kann mit Worten virtuos umgehen. 

Es gibt aber auch Räume, wo sie nicht reinkommt. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn es darum geht, auch Gemeinschaft zu fühlen oder vielleicht auch einmal körperlich Seelsorge zu betreiben, etwa eine Hand zu halten. Da sind Grenzen. Ich glaube, dass wir aber in Zukunft zunehmend gute Kooperationen finden werden. 

Symbolbild Künstliche Intelligenz hilft in Alltag und Pflege / © Miriam Doerr Martin Frommherz (shutterstock)
Symbolbild Künstliche Intelligenz hilft in Alltag und Pflege / © Miriam Doerr Martin Frommherz ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie können wir denn sicherstellen, dass die Entwicklung von KI auch im Einklang mit moralischen und spirituellen Werten steht? 

Platow: Das ist schon schwieriger zu beantworten, denn die Entwicklung oder die Phase, wo solche Werte reinkommen können, ist so vielschichtig und auch auf so viele Orte verteilt. Man könnte natürlich sagen, dass man in den Daten selbst schon entsprechende Strukturierungen vornehmen kann. Die Entwicklerinnen und Entwickler könnten dafür Sorge tragen. 

Ich glaube aber, dass das Maßgebliche tatsächlich auf Seiten der Nutzerinnen und Nutzer steht. Wir sind eigentlich gehalten, die Technologie nicht zu überschätzen, sondern gerade uns selbst verstärkt in unserer Verantwortung wahrzunehmen und auf die Art und Weise moralische und spirituelle Werte zu erhalten. 

Symbolbild Künstliche Intelligenz und Mensch / © Stock-Asso (shutterstock)
Symbolbild Künstliche Intelligenz und Mensch / © Stock-Asso ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt denn die menschliche Spiritualität bei der Entwicklung und auch bei der Nutzung von Künstlicher Intelligenz? 

Platow: Ich glaube, zum einen ist Spiritualität im weitesten Sinne ja auch eine Vorstellungsfähigkeit. Und diese Vorstellungsfähigkeit versetzt uns überhaupt erst mal in die Lage, uns so was wie eine solche Technologie und mögliche Orte, wo sie zum Tragen kommt, vorzustellen. 

Gleichzeitig ist es aber auch eine Falle, wenn wir nämlich unsere spirituellen Vorstellungen auf diese Technologie hin weiterdenken, erweitern und auf einmal glauben, da stünde uns etwas allwissend Allmächtiges gegenüber, dann kann das auch Verführungscharakter haben. 

DOMRADIO.DE: Können Maschinen denn jemals ein Bewusstsein für das Göttliche entwickeln? 

Birte Platow

"Ein Bewusstsein für das Göttliche ist, glaube ich, vor allem die Fähigkeit zu merken, dass man auf etwas Größeres bezogen ist. Und das sehe ich im Moment noch nicht bei den Maschinen." 

Platow: Ich wünschte, ich könnte diese Frage beantworten. Darüber streiten Techniker, Psychologen, Theologen. Ich kann sie nicht klar beantworten. Ich meine, Maschinen schaffen Eigenes, sie imaginieren, sie phantasieren, sie halluzinieren.

Aber ein Bewusstsein für das Göttliche ist, glaube ich, vor allem die Fähigkeit zu merken, dass man auf etwas Größeres bezogen ist. Also nicht zwingend etwas schöpferisch Kreatives, sondern ein Verhältnis, eine Beziehung. Und das sehe ich im Moment noch nicht bei den Maschinen. 

Das Interview führte Dagmar Peters.

Experten mahnen Fokus auf Risiken von Künstlicher Intelligenz an 

Eine Reihe führender Experten für Künstliche Intelligenz sieht in der Technologie eine potenzielle Gefahr für die Menschheit und hat dazu aufgerufen, die Risiken ernst zu nehmen. Zu den Unterzeichnern der kurzen Stellungnahme gehört auch der Chef des ChatGPT-Erfinders OpenAI, Sam Altman. Der Chatbot ChatGPT, der Sätze auf dem Niveau eines Menschen formulieren kann, löste in den vergangenen Monaten einen neuen Hype rund um Künstliche Intelligenz aus.

Symbolbild Künstliche Intelligenz / © maxuser (shutterstock)
Symbolbild Künstliche Intelligenz / © maxuser ( shutterstock )
Quelle:
DR