Den langjährigen Papstsekretär, Erzbischof Georg Gänswein, hat seine Entlassung aus dem Vatikan in eine tiefe persönliche Krise gestürzt: "Ich fühlte mich trostlos, wie abgeparkt", sagte Gänswein der "Badischen Zeitung" (Mittwoch). "Unsicherheit und Ungewissheit nagten an mir."
Der Umzug nach Freiburg sei nicht leicht gewesen, sagte der 68-Jährige. Er habe aber immer kräftig gebetet und nie die Hoffnung aufgegeben, dass Gott noch eine neue Aufgabe für ihn aufzeige. Nach einem Jahr in Freiburg geht Gänswein in wenigen Wochen nach Vilnius - als Papstbotschafter für die baltischen Staaten. Jetzt spüre er wieder neue Lebensgeister, die neue Herausforderung gebe ihm Auftrieb.
Seitenhieb gegen kirchliches Establishment
Kritisch äußerte sich Gänswein zu aktuellen Reform- und Strukturdebatten in der katholischen Kirche in Deutschland. "Oft, zu oft wird nur ein gewisses kirchliches Establishment wahrgenommen, das immer wieder die gleichen Strukturdebatten führt. Das ist frucht-, saft- und kraftlos." Sein Eindruck sei dagegen, dass die meisten Katholiken einfach nur katholisch sein wollten. Sie wollten ihren Glauben leben und feiern, die Sakramente empfangen und ihr Leben an Gott ausrichten.
Seine künftige Aufgabe als Papstbotschafter in Vilnius sieht Gänswein als große Herausforderung. Er erwarte eine eminent politische Rolle.
Gänswein lebte seit seiner Entlassung aus dem Vatikan im Sommer 2023 ohne offizielle Aufgabe in Freiburg. Zuvor war er 19 Jahre lang Privatsekretär von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. Zunächst behielt er diesen Posten auch unter Papst Franziskus. Nach internem Streit beurlaubte Franziskus den Deutschen. Er blieb aber im Vatikan.
"Entspanntes Verhältnis zu Franziskus"
Nach dem Tod Ratzingers 2022 rückte Gänswein wieder verstärkt in die Öffentlichkeit. Sein Buch «Nichts als die Wahrheit» sorgte für Schlagzeilen, weil es Details über inhaltliche Konflikte zwischen Franziskus und Benedikt enthält. Papst Franziskus kritisierte die Veröffentlichung. Er warf Gänswein einen Mangel an Anstand und Menschlichkeit vor und entband ihn von allen vatikanischen Aufgaben.
Gänswein sagte nun, er habe zu Franziskus immer ein entspanntes, gesundes Verhältnis gehabt. Als er dem Papst geschildert habe, dass ihm die Freiburger Verbannung physisch und psychisch schade, habe Franziskus angerührt reagiert. Einige Zeit danach habe der Vatikan dann gefragt, ob Gänswein Botschafter im Baltikum werden wolle.