Er hat Flüchtende aus dem Mittelmeer gerettet, einen Spontan-Anruf von Papst Franziskus erhalten und zuletzt mehrfach das Thema Rassismus in der Kirche angesprochen: Regamy Thillainathan ist der erste nicht-weiße Priesterausbilder in einer Spitzenposition in der katholischen Kirche in Deutschland. Bereits Mitte Mai ernannte ihn der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki zum sogenannten Regens des Kölner Priesterseminars, wie am Montag bekannt wurde.
Pfarrer Regamy folgt auf Pater Romano Christen
Sein Vorgänger Pater Romano Christen führt demnach die Einrichtung noch kommissarisch bis Ende August. Dann wird Pfarrer Regamy, wie er sich selbst vorstellt, auch Direktor des Theologenkonvikts Collegium Albertinum in Bonn.
Der 39-jährige Thillainathan, der bislang als Leiter einer Diözesanstelle für das Anwerben von Priester- und Seelsorgenachwuchs verantwortlich war, wechselt in einer turbulenten Zeit auf den Posten des obersten Priesterausbilders. Seit mehr als einem Jahr wird im Erzbistum Köln um die Missbrauchsaufarbeitung gestritten. Dabei geht es auch um die Frage, ob hohe Amtsträger der Erzdiözese Missbrauchsfälle durch Geistliche vertuscht und Täter geschützt haben. Ein juristisches Gutachten entlastet Woelki zwar, aber seine Kritiker werfen ihm moralisches Versagen vor. Manche fordern persönliche Konsequenzen oder gar seinen Rücktritt.
Apostolische Visitation des Erzbistums Köln
Nun hat sich Papst Franziskus in den Konflikt eingeschaltet. In den nächsten Tagen kommen von ihm berufene Kontrolleure in das Erzbistum, um sich "vor Ort ein umfassendes Bild von der komplexen pastoralen Situation" zu verschaffen.
Dass die Debatte an den werdenden Priestern im Erzbistum Köln vorbeigegangen sein soll, ist kaum vorstellbar. Pfarrer Regamy wird seinem Erzbischof wohl vermittelnd zur Seite stehen, gilt er doch als enger Vertrauter Woelkis. Gleichzeitig kommt er mit seiner offenen, lockeren Art bei jungen Menschen gut an - auch außerhalb der Ausbildungsstätten für Neu-Priester.
Einsatz gegen Rassismus in der Kirche
Zuletzt sprach er immer wieder ein Thema an, das viele junge Katholiken bewegt und bislang selten in katholischen Diskussionen zu finden ist: Rassismus in der Kirche. Mehr als jeder vierte Katholik in Deutschland habe einen internationalen Hintergrund, schreibt Thillainathan in einem Gastbeitrag für katholisch.de. Das spiegele sich jedoch nicht in der Besetzung von Gremien und Verbänden wider. Auch erführen Studierende an deutschen Unis oft wenig von theologischen Strömungen außerhalb Europas.
Der Deutschen Welle und dem Podcast "Himmelklar" berichtete Thillainathan von persönlichen Rassismuserfahrungen. Auf dem Katholikentag 2016 habe ihn eine Passantin gefragt: "Welcher Gutmensch hat Sie denn ins Land gelassen?" Immer wieder wollten Gläubige wissen, woher er komme. Wenn er antworte, er stamme aus Neuss, "dann schauen dich die Leute an, als hättest du ihnen von deiner Vision von Aliens berichtet".
Flüchtlings-Retter im Mittelmeer
Derart prägend dürfte auch ein Einsatz als Flüchtlings-Retter gewesen sein. 2017 begleitete Thillainatan eine Crew der maltesischen Hilfsorganisation Migrant Offshore Aid Station (MOAS) ins Mittelmeer. Hunderte Geflüchtete konnten sie retten - manchmal kamen sie aber zu spät. "Als ich einen sieben- oder achtjährigen Jungen in einen Leichensack packen musste, merkte ich, dass mich die Schmerzen über seinen Tod vollkommen überwältigt haben", erzählte Thillainathan später.
Angesichts solcher Erfahrungen könnte sich der Seelsorger wohl auch als ein Regens erweisen, der sensibel auf alle Arten von Unrecht und Diskriminierung reagiert. Sein Vorgänger Romano Christen hatte 2019 für Empörung gesorgt. In einem Vortrag erklärte er, gegen Homosexualität gebe es "von der Schwulen-Lobby" dämonisierte Therapien, die Männer erfolgreich bestanden hätten. Männer mit tief sitzender homosexueller Tendenz könnten nicht zum Priester geweiht werden. Woelki kritisierte einige der Äußerungen, hielt an Christen als Priesterausbilder aber weiter fest.
Gute Verbindung zu Papst Franziskus
Thillainathan könnte nun für eine neue Atmosphäre sorgen. Kritiker sehen in dem Job-Wechsel einen unzulässigen Interessenkonflikt. Denn bislang war Pfarrer Regamy als Seelsorger in der Berufungspastoral und als Mentor für Theologiestudierende tätig - als Regens ist er der Vorgesetzte der Seminaristen und entscheidet über die Zulassung zur Priesterweihe mit.
Wie die Personalentscheidung bei Franziskus' Kontrolleuren ankommt, bleibt abzuwarten. Ein Unbekannter ist Thillainathan im Vatikan jedenfalls nicht. Zuletzt begegnete er dem Papst Ende 2020 im Vatikan. Der Priester überreichte dem Kirchenoberhaupt einen Brief, in dem es unter anderem um die Theologiestudierenden im Erzbistum ging. Eine Woche später klingelte Thillainathans Handy - am Apparat war Franziskus. Er habe ihn ermutigt, die Berufungspastoral weiter auszubauen und sei auch auf persönliche Anliegen eingegangen, erzählte Thillainathan. Zum Schluss gab der Papst dem Pfarrer noch einen Auftrag: Grüße an Kardinal Woelki auszurichten.