DOMRADIO.DE: In Rom tagt die zweite und finale Runde der Weltsynode. Im vergangenen Oktober fand die erste Zusammenkunft in Rom statt. Was hat sich seitdem verändert?
Prof. Dr. Thomas Söding (Bibelwissenschaftler, Lehrstuhlinhaber für das Neue Testament an der Ruhr-Universität Bochum und als Experte Teilnehmer der Weltsynode ohne Stimmrecht): Es hat sich in der Welt unglaublich viel verändert. Im vergangenen Jahr ist der Überfall der Hamas am 7. Oktober in das Treffen reingeschlagen. Das hat uns damals fragen lassen, ob wir überhaupt am richtigen Ort sind. Ich würde sagen, ja, weil die Religionen gefragt sind, was sie zum Frieden beitragen können. Dazu müssen sie auch in ihren inneren Verhältnissen Frieden haben.
Synodalität ist so etwas wie ein Friedensprojekt der katholischen Kirche, da es viele Spannungen in der katholischen Kirche gibt - zwischen denen, die von Amts wegen das Sagen haben, und denen, die von der Basis aus fragen, ob und wo sie in der katholischen Kirche zu Wort kommen und mitbestimmen können.
DOMRADIO.DE: Die Beratungen sind am Mittwoch gestartet. Der Montag und Dienstag waren als Besinnungstage gedacht. Wie war das für Sie?
Söding: Es war eine intensive Vorbereitungszeit. Für mich ging es schon am vorvergangenen Samstag los, weil wir theologische Experten in eine Art Trainingslager begonnen haben. Wir kennen uns untereinander zu einem großen Teil, die Methodik hat sich im Vergleich zum ersten Treffen jedoch etwas geändert.
Die beiden Exerzitientage waren durch geistliche Vorträge, die sich auf das Thema der Synode bezogen, sehr intensiv. Es bleibt nach wie vor Aufgabe, genau hinzuhören, aufzuschreiben, zu analysieren, zu diskutieren und zu präparieren, sodass die Synode tatsächlich etwas zu entscheiden hat.
Am Mittwoch ging es dann mit einem Knall richtig los, weil auf einmal gesagt wurde, dass dieses wichtige Thema Diakonat der Frau auf der Synode nicht verhandelt werden soll und sogar schon so gut wie negativ entschieden sei. Das hat ein ziemliches Grummeln ausgelöst. Aber es gab eine erste Reaktion: Nun soll über dieses Thema während der Synode doch noch offen gesprochen werden.
DOMRADIO.DE: Kardinal Fernandez, der Leiter des Dikasteriums für die Glaubenslehre, sagte das und begründete es damit, dass die Zeit noch nicht reif für die Weihe der Frau sei.
Söding: Ja, das war Kardinal Fernandez. Die Argumentation war nicht, dass es nie ein Diakonat der Frau geben werde, sondern er sagt, dass die Zeit nicht reif dafür sei. Da denke ich, ist die Synode doch genau der richtige Ort, um diese These zu prüfen, ob die Zeit wirklich nicht reif, oder ob sie sogar überreif ist.
Die Texte aus den Studiengruppen wurden veröffentlicht. Das finde ich sehr gut, weil beim letzten Mal ein bisschen zu viel Geheimniskrämerei gewesen ist. Ich kann das Argument, dass man den Raum schützen wolle, verstehen, aber es ist gleichermaßen so, dass die Öffentlichkeit an diesem Weltereignis der Synode interessiert ist.
DOMRADIO.DE: Die Synode hat gegrummelt. Sie stimmen dem zu und sagen, in der Synode müsse erst recht darüber geredet werden.
Söding: Nun muss ich meine Rolle klären. Auf der einen Seite bin ich ein engagierter Theologe und habe von daher eine klare Auffassung. Über das ZdK schreibe ich jeden Tag einen Blog. Dort habe ich daran erinnert, dass der Apostel Paulus den Brief an die Römer, das erste Dokument der römischen Gemeinde, durch die Diakonin Phoebe überbracht hat.
Es gab also bereits zu Beginn der Kirche eine Diakonin. Selbstverständlich hatte sie nicht dieselbe Rolle wie die späteren geweihten Diakone, aber in der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der römischen Gemeinde steckt noch etwas nicht Abgegoltenes. Auf der anderen Seite habe ich hier als Theologe der Synode insgesamt zu dienen und werde nicht versuchen, irgendwie manipulativ meine Ideen in meine Berichte hineinzuschreiben, sondern bleibe meiner Aufgabe treu. Das Thema ist allerdings präsent, wie wir wissen.
DOMRADIO.DE: Papst Franziskus sitzt mit im Saal. Er ist einer der Delegierten und diskutiert mit. Wie erleben Sie den Heiligen Vater bei der Synode?
Söding: Der Papst ist der Chef der Synode. Er präsidiert und ist bei den großen Versammlungen oft anwesend. Für seine Rolle ergibt es keinen Sinn, in einer der Kleingruppen mitzuarbeiten. Dem Papst verdanken wir aber dieses Stichwort der Synodalität. Vor zehn Jahren hat es diesen Begriff in der katholischen Kirche nicht gegeben.
Franziskus hat aber gesagt, dass die katholische Kirche eine synodale Kirche ist. Da hatte er einen Punkt: dass etwas bis in die Verfassung der katholischen Kirche hinein passieren muss. Aber der Papst hält sich, was eine Definition und Zielvorgabe anbelangt, zurück. Ich nehme ihn so wahr, dass er auf der einen Seite froh ist, dass dieses von ihm gesetzte Thema angekommen ist und dass er sich auf der anderen Seite wie einen Motivator sieht.
Er ist in meinen Augen durch und durch Jesuit, der Denkfaulheit und Zufriedenheit mit dem Status quo überall dort kritisiert, wo er sie wahrnimmt. Der Papst sagt als ein geistlicher Mann jemandem, der auf dieser Synode sein politisches Programm abspulen möchte: Schweig erst mal und hör den anderen zu.
DOMRADIO.DE: Insgesamt vier Wochen wird auf der Synode diskutiert. Die zweite Woche ist gestartet. Was kommt noch auf Sie zu?
Söding: Sehr sorgfältige Arbeit. Das sogenannte Instrumentum Laboris, das Vorbereitungsdokument, wird in einem klaren Rhythmus Kapitel für Kapitel abgearbeitet. Heute beginnt ein nächster größerer Abschnitt wieder in dieser Abfolge aus Kleingruppenarbeit in über 30 Sprachzirkeln, wo die Menschen an den runden Tischen sitzen und sich aussprechen.
Am Ende muss dann ein Text mit Empfehlungen an den Papst stehen. Dafür muss auf der einen Seite ausgefiltert werden, was nicht wichtig scheint. Auf der anderen Seite muss herausgearbeitet werden, was die nächsten Schritte der katholischen Kirche sein können.
Das Interview führte Tobias Fricke.