Experten: Finanzdruck in Kliniken gefährdet Patientenversorgung

"Besorgniserregende Entwicklungen"

Ethikexperten warnen: Ein zunehmender Finanzdruck in Krankenhäusern gefährdet die Patientenversorgung. Mehr als auf die Politik setzen sie ihre Hoffnung auf Krankenkassen, die laufende Betriebskosten sowie Investitionen finanzieren könnten.

Im Krankenhaus: Personalmangel und hoher Zeitdruck bedeuten weniger Zuwendung für den Patienten / © Andreas Arnold (dpa)
Im Krankenhaus: Personalmangel und hoher Zeitdruck bedeuten weniger Zuwendung für den Patienten / © Andreas Arnold ( dpa )

"Besorgniserregende Entwicklungen in der Patientenversorgung" in deutschen Krankenhäusern, warnt das Deutsche Ärzteblatt in seiner jüngsten Ausgabe. Der Münchner Medizinethiker Georg Marckmann und der Vorsitzende der Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der Gesundheitsversorgung (GQMG), Jens Maschmann, konstatieren in einem langen Beitrag, dass der herrschende Finanzdruck in vielen der 2.000 Kliniken die Versorgung gefährde.

Viel Diskussionsstoff für den 40. Deutschen Krankenhaustag, der ab Montag im Rahmen der Fachmesse Medica in Düsseldorf stattfindet.

Kosten für stationäre Krankenhausversorgung angestiegen

Passend zum Kongress teilte das Statistische Bundesamt am Freitag mit, dass die Kosten für die stationäre Krankenhausversorgung 2016 auf rund 87,8 Milliarden Euro angestiegen sind. Das bedeutet ein Plus von 3,6 Milliarden Euro oder 4,3 Prozent gegenüber 2015. Rund 19,5 Millionen Patienten wurden stationär in einem Krankenhaus behandelt, ein Plus von 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Für Marckmann und Maschmann sind es in erster Linie die politischen Vorgaben, die das System Krankenhaus zunehmend unter Druck setzen: eine steigende Zahl von Patienten und Behandlungen bei gleichzeitig kürzerer Verweildauer und weniger Pflegepersonal; gedeckelte Gesundheitsausgaben trotz steigenden Kosten durch medizinische Innovation und Alterung der Bevölkerung; ausbleibende Zuschüsse der Bundesländer, die Kliniken zwingen, einen Teil ihrer Erlöse systemwidrig in Baumaßnahmen und Ausstattung zu stecken...

"Zunehmende Arbeitsverdichtung"

Für die Autoren steht fest: Die politischen Rahmenbedingungen zwingen die einzelnen Krankenhäuser zu einem streng betriebswirtschaftlichen Denken, das die Versorgung der Patienten, aber auch die Gesundheit von Ärzten und Pflegekräften gefährdet. "Die zunehmende Arbeitsverdichtung belastet zunehmend das Krankenhauspersonal, mindert die Arbeitszufriedenheit und führt zu erhöhtem Krankenstand und mehr Burn-out-Fällen", schreiben sie.

Ärzte müssten Patienten aus ökonomischen Gründen nützliche Leistungen verweigern. Umgekehrt gebe es "betriebswirtschaftlich motivierte Überversorgung", insbesondere bei manchen Operationen.

Marckmann und Maschmann stehen mit ihrer Kritik nicht allein da: Am Donnerstag kritisierte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung unzureichende Investitionen in die Krankenhäuser. "Die Länder kommen seit geraumer Zeit ihrer Verpflichtung nicht in ausreichendem Maß nach", schreiben sie.

Personalmangel riesiges Problem

Ein Ausweg wäre nach Auffassung der "fünf Wirtschaftsweisen" eine Finanzierung aus einer Hand, bei der die Krankenkassen sowohl die laufenden Betriebskosten als auch die Investitionen finanzieren. Ein riesiges Problem ist der Personalmangel: Pflegeexperten, Berufsverbände und Gewerkschaften warnen seit Jahren, dass die unzureichende Zahl an Pflegekräften zu einem Gesundheitsrisiko geworden sei.

Fehlende Fachkräfte und hoher Zeitdruck bedeuteten, dass menschliche Zuwendung zu den Patienten zu kurz komme. Sie seien auch ein Grund für mangelnde Hygiene, die etwa zu Krankenhausinfektionen führen könne.

Der Hauptgeschäftsgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, erklärte im Vorfeld des Krankenhaustages: "Erfolg oder Misserfolg der Politik in den kommenden Jahren wird sich daran messen lassen, ob man Antworten auf den Fachkräftemangel in der Pflege findet."

Mehr Patientenorientierung und Mitarbeiterbefragung

Marckmann und Maschmann setzen eher weniger Hoffnungen in die Politik. Die Krankenhäuser müssten auf jeden Fall eigene Strategien entwickeln, wie sie mit dem anhaltenden finanziellen Druck in ethisch vertretbarer Weise umgehen könnten. "Ethik und Ökonomie dürfen auf Ebene des Krankenhauses nicht länger getrennte Sphären bleiben." Zentrale ethische Werte müssten zu einem integralen Bestandteil des Krankenhausmanagements werden.

Die Autoren fordern deshalb mehr Patientenorientierung und systematische Mitarbeiterbefragungen. "Ob die personellen und materiellen Ressourcen vernünftig eingesetzt werden, kann das Krankenhauspersonal in der Regel am besten beurteilen", schreiben sie. "Von der dadurch gesicherten inneren Qualität der Krankenhäuser werden Patienten und Personal gleichermaßen profitieren."


Quelle:
KNA