Flüchtlingsdienst kritisiert Populismus in Migrationsdebatte

Nicht alles in einen Topf werfen

Zu viel Populismus, zu wenig Sachorientierung. Das kritisiert der Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes in der aktuellen Debatte um Migration. Geflüchtete Menschen seien nicht als Masse, sondern als Individuen zu sehen.

Kehl: Beamte der Bundespolizei kontrollieren an der deutsch-französischen Grenze aus Frankreich kommende Reisende / © Philipp von Ditfurth (dpa)
Kehl: Beamte der Bundespolizei kontrollieren an der deutsch-französischen Grenze aus Frankreich kommende Reisende / © Philipp von Ditfurth ( dpa )

Der Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes in Deutschland, Stefan Keßler, warnt davor, Terrorismus und Straftaten mit Migration zu vermischen. Dies sei "ein hoch gefährliches Problem der Debatte", sagte Keßler dem Portal kirche-und-leben.de. 

Stefan Keßler / © Christian Ender (JRS)
Stefan Keßler / © Christian Ender ( JRS )

Es stehe außer Frage, dass die öffentliche Sicherheit nach Taten wie in Solingen und Mannheim bewahrt werden müsse. Die Taten hätten aber mit Flucht nichts zu tun, so Keßler. "Das waren Straftäter. Flucht und Zuwanderung sind nicht der Grund der Tat."

Gegen Grenzkrontrollen

Der Ordensmann warnte davor, Menschen, die Schutz vor Verfolgung, Krieg und Gewalt suchten, pauschal mit Straftätern in einen Topf zu werfen. Insofern sei die Debatte um Aufnahme von Schutzsuchenden nicht mehr an der Sache orientiert, sondern werde "nur noch aus populistisch-parteipolitischen Motiven" geführt. 

Die Lebenssituation einzelner Menschen in Deutschland verbessere sich nicht, wenn Grenzkontrollen eingeführt würden. Davon werde weder mehr bezahlbarer Wohnraum gebaut noch das Schulsystem verbessert, so der Direktor des Flüchtlingsdienstes.

Grenzkontrollen / © Philipp von Ditfurth (dpa)
Grenzkontrollen / © Philipp von Ditfurth ( dpa )

Keßler sprach sich dafür aus, mit Geflüchteten und Zuwanderern zu sprechen, nicht über sie. Gerade Christen sollten in Diskussionen und Politik betonen, dass diese Menschen als Individuen mit jeweils eigener Geschichte gesehen würden, nicht als "gesichtslose Masse".

Für eine solidarische Haltung gegenüber Geflüchteten

Eine solidarische Haltung gegenüber Geflüchteten und Migranten hält Keßler nicht für naiv. Vielmehr gehöre es zu den "Grundwerten unserer Gesellschaft, Menschen Schutz zu bieten, die auf ihn angewiesen sind". Seiner Beobachtung nach kommen in der aktuellen Debatte Menschen, die sich für Geflüchtete engagieren, kaum zu Wort.

Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst ist weltweit in mehr als 50 Ländern vertreten. In Deutschland engagiert er sich seit 1995 unter anderem für Abschiebehäftlinge. Er leistet Seelsorge, Rechtsberatung und unterstützt Kirchenasyle.

Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst

Der weltweite Jesuiten-Flüchtlingsdienst wurde 1980 angesichts der Not vietnamesischer Bootsflüchtlinge als internationale Hilfsorganisation gegründet. Heute ist er mit etwa 1.200 Mitarbeitenden in mehr als 50 Ländern vertreten. Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst will Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten in der Öffentlichkeit eine Stimme geben und Stellung nehmen zu Entwicklungen im Ausländerrecht und in der Asylpolitik.

Jesuiten-Flüchtlingsdienst in Aleppo, Syrien, 2018 / © Jean-Matthieu Gautier (KNA)
Jesuiten-Flüchtlingsdienst in Aleppo, Syrien, 2018 / © Jean-Matthieu Gautier ( KNA )
Quelle:
KNA