DOMRADIO.DE: Es war damals eine ganz besondere Reise von Papst Benedikt XVI. im Jahre 2011. Er ist mit dem Schnellzug von Rom nach Assisi gereist, in die Stadt des Heiligen Franziskus zum Friedensgebet der Weltreligionen. Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Tag?
Bruder Thomas Freidel (Pilgerseelsorger und Diakon des Klosters Sacro Convento): Es gab im Vorfeld Spekulationen und auch Skepsis, ob Papst Benedikt XVI. überhaupt diese Initiative weiterführt, weil er als Kardinal damals schon skeptisch war und vor allem eine Vermischung der verschiedenen Religionen befürchtete. Aber er hat diese Initiative weitergeführt.
Er hat sie sogar noch erweitert, indem er damals auch nicht-glaubende Intellektuelle eingeladen hat, die auf der Suche nach der Wahrheit sind. Er hat sogar den Horizont für dieses Treffen noch erweitert. Es war ein sehr schöner und stimmungsvoller Tag.
Ich habe ihn damals selber hier erlebt und so hat er dieses wichtige Anliegen des Dialogs der Religionen und des Gebets für den Frieden weitergeführt, was ja immer aktuell ist.
DOMRADIO.DE: Beim großen Treffen 2007 war er schon mal da?
Br. Thomas: Da ging es um den 800. Jahrestag der Bekehrung des Heiligen Franziskus. Man kann das in etwa so festmachen, dass er sich in diesem Jahr bewusst Gott und dem Glauben zugewandt hat.
Da erwies sich also Papst Benedikt XVI. als ein Kenner der örtlichen Verhältnisse, denn er hat auch kleinere Orte und die Magdalenenkapelle besucht. Das sind kleine Orte außerhalb der Stadt, wo nicht viele Pilger und Touristen normalerweise hingehen.
Aber gerade diese kleine Magdalenenkapelle ist extrem wichtig, denn dort befand sich das Leprosorium, dieses Reservat für Leprakranke, wo Franziskus diese wichtige Erfahrung in der Begegnung mit den Leprakranken gemacht hat. Diese existenzielle Erfahrung, die ihn überhaupt erst dann zur Frage nach Gott geführt hat. Also, eigentlich ein ganz, ganz wichtiger Ort, etwas abseits und vergessen.
Papst Benedikt XVI. hat das gewusst, gekannt, ist bewusst auch dort hingegangen und hat diesen Ort besucht. Also man sieht, seine Verbindung zu Assisi ist deutlich geworden, wie er die Orte hier kennt und wie er auch die Lebensgeschichte und die Spiritualität des Heiligen Franziskus kannte.
DOMRADIO.DE: Wie groß ist die Verbindung von dem früheren Papst Benedikt XVI. und Assisi, dem Geburtsort vom Heiligen Franz von Assisi, den Franziskanerbrüdern in Assisi und dem deutschen Franziskanerinnen-Konvent?
Br. Thomas: Es gibt hier dieses Kloster von deutschsprachigen Klarissenschwestern in Klausur mit eigenem Gästehaus. Da war Joseph Ratzinger als Kardinal von Rom aus oft zu Besuch. Das lag natürlich auch daran, dass etliche Schwestern, die dort leben, aus Oberbayern, aus dem Chiemgau, aus dem Rupertigau stammen. Also, er hat sich dort auch zu Hause gefühlt und ist da immer gerne hingegangen.
Es gibt auch die Anekdote mit der "Papstkatze". Man weiß ja, dass Papst Benedikt XVI. ein Katzenfreund war. Dort gab es eine Katze, mit der er immer gerne gespielt hat, die dann auch den Ehrentitel "Papstkatze" bekam und sich gewisser Privilegien erfreute.
Später in Rom, wenn Besuch aus Assisi kam, hat er sich immer nach dem Befinden dieser Katze erkundigt. Das ist auch so etwas, was zu ihm gehört.
Aber er kam natürlich auch oft in die Basilika San Francesco zum Gebet. Er war deswegen auch gut befreundet mit Pater Gerhard Ruf, meinem Vorgänger, der hier über 40 Jahre tätig war. Die beiden waren gut bekannt, sie waren auch derselbe Geburtsjahrgang 1927.
Ich hüte in meinem kleinen Archiv hier als besonderes Andenken ein Buch mit der persönlichen Widmung von Joseph Ratzinger an Pater Gerhard Ruf von seiner Habilitationsarbeit. Und die wiederum ging ja über die Theologie des Heiligen Bonaventura. Das ist das weitere Verbindungsstück.
Wenn Joseph Ratzinger die Fresken hier in der Basilika San Francesco betrachtet hat, dann hat er da auch die franziskanische Theologie betrachtet, die ihn schon lange beschäftigt hat.
Denn in dieser Arbeit über Bonaventura, seine Habilitationsarbeit, geht es um franziskanisch geprägte Geschichtstheologie. Das hat man immer wieder in seinen Reden, in seinen Predigten, in seinen Veröffentlichungen gemerkt, wie sehr er von dieser Theologie und Spiritualität geprägt ist.
Diese beiden Bezugsorte in Assisi, das deutsche Klarissenkloster und das Sacro Convento, waren für ihn über viele Jahre hinweg feste Anlaufstellen .
DOMRADIO.DE: Woran erinnern Sie sich persönlich zurück, wenn Sie an Joseph Ratzinger denken?
Br. Thomas: Ich hatte eine frühe Begegnung mit ihm 2008, als ich zum Studium in Rom war, vor meinem Dienstantritt hier in Assisi sozusagen. Da sind wir uns bei einem Konzert im Vatikan begegnet. Ich habe mich immer vorgestellt, habe gesagt, ich sei der Nachfolger von Pater Gerhard in Assisi. Da hat er sich sehr gefreut.
Er hat dann gesagt: "Ach, da sehen wir uns bestimmt mal irgendwann". Also ganz leger und freundschaftlich, so, wie wenn es um zwei Bekannte ging.
Wir sind uns dann drei Jahre später begegnet. Dass er der Papst ist, hat in dem Moment gar keine Rolle gespielt.
Ein letztes Mal war ich bei ihm im Vatikan in seinem Ruhestandssitz zu einem kleinen Konzert nach Weihnachten vor ein paar Jahren, wo es dann auch noch mal eine freundliche Begegnung gab und er sich an Assisi erinnerte, an meinen Vorgänger Pater Gerhard, der aus der Pfalz kam, so wie ich.
Das war auch eine gemeinsame Prägung. So ist diese Verbindung eigentlich bis jetzt geblieben. Assisi ist ihm da immer in seinem Herzen an einem gewissen Platz erhalten geblieben.
Das Interview führte Katharina Geiger.