Für seine Botschaft an Belgiens Katholiken holte sich Papst Franziskus Unterstützung von Rene Magritte (1898-1967), "eurem berühmten Maler": Dessen Bild "Der Akt des Glaubens" eine Tür, die in der Mitte durchbrochen und zum Himmel hin offen ist, sei ein "Symbol für eine Kirche, die ihre Türen nie verschließt, die jedem eine Öffnung ins Unendliche anbietet, die es versteht, weiter zu blicken", sagte er am Samstag in der Nationalkathedrale in Brüssel.
Die Christen seien eingeladen, "über uns hinauszugehen, unseren Blick nach vorne und nach oben zu richten, uns niemals in uns selbst zu verschließen", so Franziskus vor Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und weiteren Hunderten in der Kirche engagierten Männern und Frauen. "Das ist die Kirche, die evangelisiert, die die Freude des Evangeliums lebt und Barmherzigkeit übt", umriss der 87-Jährige seine Botschaft am vorletzten Besuchstag im Königreich.
Buckel hinhalten für Fehler der Ortskirche
Am Samstag gab es ein bisschen mehr "Entre nous" bei Begegnungen mit der katholischen Gemeinschaft, dennoch kamen vor dem Papst wieder kritische Themen wie Missbrauch und der Umgang mit Frauen zur Sprache - wenngleich deutlich weniger konfrontativ als am Vortag.
Am Freitag hatte zeitweise der Eindruck geherrscht, der Papst halte den Buckel hin für jahrzehntelange schmerzliche Fehler der belgischen Kirche: Besonders viel Wut und Trauer verursacht seit 15 Jahren der Fall des früheren Bischofs Roger Vangheluwe, der jahrelang unter anderem seine Neffen missbrauchte. Erst vor wenigen Monaten entfernte Franziskus den 87-Jährigen aus dem Klerikerstand, die höchste kirchenrechtliche Strafe.
Zuhören und Mitfühlen
Vor diesem Hintergrund gab es am Freitag ungewöhnlich scharfe Worte von Premierminister Alexander De Croo, König Philippe und auch dem Rektor der Katholischen Universität Löwen, Luc Sels. Franziskus nahm die Kritik auf, äußerte mehrfach Scham und Trauer über die Verfehlungen der Kirche und bat um Vergebung.
Die Art seines Auftretens in großer Bescheidenheit und ohne erhobenen Zeigefinger kommt offenbar bei den Menschen an. Selbst mehrere der 17 Missbrauchbetroffenen, die ihm am Freitagabend über zwei Stunden lang ihr Leiden schilderten, sprachen anschließend von einer großen menschlichen Begegnung, von der Fähigkeit des Kirchenoberhaupts, zuzuhören und mitzufühlen.
Papst will Türen öffnen, die in Belgien längst offen sind
Bisher sind auch die durchaus erwarteten lautstarken öffentlichen Proteste ausgeblieben, auch komplett leere Straßen mutete man dem Gast aus dem Vatikan nicht zu. Bei den - eher kurzen - Fahrten im weißen Fiat 500 oder dem Elektromobil durch die Straßen blitzte immer wieder die Zugewandtheit, Offenheit, Freundlichkeit und der Humor des Kirchenoberhaupts aus Argentinien auf.
Dabei ist seine Begegnung mit der Ortskirche von einer ungewöhnlichen Dialektik geprägt: Franziskus will als Papst Türen aufstoßen, die in Belgien längst geöffnet sind. Den Prozess der Synodalität, also der stärkeren Beteiligung aller Katholiken an Beratung und Entscheidungen, hat der Papst in der Weltsynode angestoßen, die ab Mittwoch in Rom in die finale Phase geht; in Belgien läuft sie längst, vielleicht auch notgedrungen durch die Erfahrung einer kleiner werdenden Kirche in einem zunehmend säkularen und multireligiös geprägten Umfeld. Auch die Segnung homosexueller Paare, die der Vatikan seit Dezember 2023 gestattet, ist in Belgien teilweise längst Praxis.
"Harmonie in der Vielfalt finden"
Dennoch wirkt das Auftreten des Papstes nicht anachronistisch, denn sein Hauptaugenmerk liegt auf einer glaubwürdigen Kirche, die sich mit Barmherzigkeit und Liebe den Menschen zuwendet und Hoffnung spendet. Jede Krise sei eine kostbare Gelegenheit, sich Fragen zu stellen und zu verändern, machte er der Kirche Mut. Und: "In der Kirche ist Platz für alle, und keiner muss eine Fotokopie des anderen sein", betonte er in der Kathedrale. "Die Einheit in der Kirche ist nicht Gleichförmigkeit, sondern sie besteht darin, Harmonie in der Vielfalt zu finden!"
Vor allem sollten die Katholiken die Freude ihres Glaubens weitertragen, denn "Christen mit langen Gesichtern sind Gott ein Gräuel", wie Franziskus auch auf dieser Reise betonte.