DOMRADIO.DE: Das Augsburger Friedensfest ist seit 1950 ein gesetzlicher Feiertag, er geht aber schon auf das Jahr 1650 zurück. Was genau wird da gefeiert?
Thomas Weitzel (Interimsleiter des Friedensbüros Augsburg): Das Friedensfest hat seinen Ursprung im Friedensschluss von Münster-Osnabrück. Mit diesem Friedensschluss wurden die protestantischen Christen in der Stadt wieder in ihre Rechte eingesetzt und mit den Katholiken gleichberechtigt. Sie hatten eine Verfolgungsgeschichte hinter sich, und zwar wurden sie am 8. August 1629 aus ihren Kirchen und Ämtern vertrieben, Pastoren wie Gläubige. Die evangelischen Kirchen wurden niedergelegt.
An dieses historische Verfolgungsdatum, den 8. August 1629, erinnern die Augsburger seit 1650 regelmäßig mit einem Friedensfest und denken daran, dass sie zurückkehren konnten und ihren Glauben in der Stadt wieder praktizieren durften. Das ist die Geschichte, die dahinter steckt; die Frage der Toleranz und der Gleichberechtigung der Bekenntnisse innerhalb der Stadt Augsburg.
DOMRADIO.DE: Der Feiertag kam erst im Jahr 1950. Warum gerade in diesem Jahr?
Weitzel: Ich glaube, es war dem Bayerischen Landtag damals wichtig, den Nachwirkungen des Nationalsozialismus und des Kriegsendes ein Zeichen der Verständigung und der Versöhnung zu setzen und Brücken zu bauen. Da hat man sich auf die Tradition dieses Friedensfestes besonnen, das eigentlich lückenlos seit 1650 gefeiert wurde, mit Ausnahme einiger weniger Jahre während des Nationalsozialismus.
Es gab den Wunsch im Zusammenhang mit Entnazifizierungsverfahren, mit der Wiederaufstellung einer demokratischen Gesellschaft, dass dieser Toleranzgedanke, der in der Stadt lange gepflegt wurde, und dieses paritätische Miteinander von verschiedenen Konfessionen, wieder installiert werden sollte.
DOMRADIO.DE: Bis 1985 war das Friedensfest eine rein evangelische Angelegenheit. Erst seit der 2000-Jahr-Feier der Stadt feiern die Katholiken das Fest mit. Warum erst dieser späte Einstieg der katholischen Seite?
Weitzel: Das war ein Angebot, denke ich, von der evangelischen Seite. Zunächst war es ja ein evangelischer Feiertag, aber die Kirchen sind dann gerade in Augsburg vor dem Hintergrund ihrer bikonfessionellen Geschichte auch hier in der Stadt stärker zusammengerückt. Heute wird das Fest nicht nur ökumenisch gefeiert.
Wir sind sogar einen Schritt weiter, dass die evangelische Kirche, unser Stadtdekan, es ausdrücklich begrüßt und betont, dass es heute ein multikulturelles, multireligiöses Fest ist, an dem alle Teile der Stadtgesellschaft, jenseits von Herkunft, Religion oder Hautfarbe teilnehmen. Wenn wir diesen Toleranzgedanken weiterdenken, der in diesem Kern seit 1650 drinsteckt, dann ist es ein Fest, das die gesamte Gesellschaft mitnehmen sollte.
DOMRADIO.DE: Das Hohe Friedensfest in Augsburg steht jedes Jahr unter einem bestimmten Motto. Diesmal: Demokratie. Es ist aktueller und wichtiger denn je, für Demokratie einzustehen. War das auch die Idee, sich gerade jetzt dem Thema Demokratie zu widmen?
Weitzel: Das Thema hat uns schon ein bisschen länger beschäftigt. Wir hatten verschiedene Motti in den Vorjahren und da haben wir auch schon immer über Demokratie gesprochen. Aber ich glaube, in diesem Jahr war es dringlicher denn je. Und der Anlass war natürlich auch das 75-jährige Bestehen des Grundgesetzes.
Wir merken, wie die Demokratie überall Gefährdungen ausgesetzt wird, weil sich menschenfeindliche Parolen im Netz oder auch am rechten Rand der Gesellschaft immer mehr ausbreiten, weil die Demokratie gerade keinen leichten Stand hat und volksverhetzende Ressentiments geschürt werden.
Vor dem Hintergrund unserer speziellen Geschichte sagen wir: "Das bringt uns alles nicht weiter, wir müssen wieder in ein Miteinander kommen." Das funktioniert aber nicht, indem wir alle vier Jahre nur zur Wahlurne gehen, sondern wir müssen auch selber eine aktive Zivilgesellschaft sein, uns beteiligen, uns selber engagieren. Dazu macht unser Programm Angebote.
DOMRADIO.DE: Schauen wir auf das mehrwöchige Festprogramm. Es geht schon am Vorabend des Friedensfestes mit einem multireligiösen Friedensgebet los. Was wird da passieren?
Weitzel: Wir haben in Augsburg einen Runden Tisch der Religionen, bei dem alle Religionsgemeinschaften vertreten sind. Es ist uns ein besonderes Anliegen, an die religiösen Wurzeln dieses Feiertages zu erinnern, der eben nicht mehr rein protestantisch gefeiert wird, sondern multireligiös.
Heute Abend (7. August) werden verschiedene Religionsgemeinschaften einträchtig miteinander ihre Friedensgebete für die Stadt und für die Stadtgesellschaft sprechen und auf dem Rathausplatz dazu einladen.
Im Anschluss wird es dann ein großes Friedenskonzert auf unserer Freilichtbühne am Roten Tor geben. Der Komponist Goran Bregović wird mit einem Orchester "Three letters from Sarajevo" spielen. Es ist ein Programm, das auf die drei großen monotheistischen Religionen anspielt. Es bezieht sich auf das einstmals sehr einträchtige Miteinander dieser Religionen, in der Vielvölkergesellschaft in Sarajevo.
DOMRADIO.DE: Am 8. August steht neben ökumenischen Gottesdiensten die Augsburger Friedenstafel im Mittelpunkt. Was macht diese Friedenstafel aus?
Weitzel: Das ist für alle Augsburger ein inzwischen so liebgewordenes Event, muss man sagen. Der ganze Rathausplatz ist festlich eingedeckt mit weißen Tischen, und alle bringen selbstgemachtes Essen mit. Alles, was Küche und Keller zu bieten haben, wird aufgefahren und man teilt die Speisen.
Man kommt miteinander ins Gespräch, man wechselt auch die Tische und die Augsburger freuen sich auf dieses Ereignis am Rathausplatz. Es trägt auch dazu bei, dass sich Menschen, die sonst nie ins Gespräch kämen, miteinander ins Reden kommen und neue Freundschaften entstehen.
Das Interview führte Carsten Döpp.