domradio.de: Gestern startete das Welt-Friedenstreffen mit der Eröffnungsveranstaltung. Wie muss man sich eine Eröffnungsveranstaltung mit so vielen unterschiedlichen Religionen vorstellen?
Bruder Thomas (Pilgerseelsorger in Assisi): Bei dem Eröffnungsgottesdienst waren nur die christlichen Konfessionen beisammen. Die anderen Vertreter der Weltreligionen sind erst später hier angereist. Die gemeinsame Eröffnungsfeier war dann am Nachmittag. Am Vormittag war die katholische Messfeier um 10:30 Uhr in der Basilika. Hauptzelebrant war der Bischof von Assisi. Es waren Kardinäle, Bischöfe und Priester verschiedener Konfessionen anwesend, so zum Beispiel Kardinal Kasper aus dem Vatikan. Viele Vertreter waren per Video verbunden. Auch große Vertreter anderer Konfessionen, wie lutherische Bischöfe und orthodoxe Vertreter aus Armenien und Griechenland waren da. Es war eine schöne Feier zum Auftakt des Friedenstreffens.
domradio.de: An was für einem Ort treffen sich die verschiedenen Religionsvertreter nachmittags?
Bruder Thomas: Die Eröffnungsfeier war in einem Veranstaltungssaal nahe dem Bahnhof, unterhalb der Altstadt von Assisi. Heute finden den ganzen Tag über verschiedene Diskussionsveranstaltungen, "Runde Tische" und Podien in verschiedenen Räumlichkeiten der Stadt statt. Da gibt es zum Beispiel das Kloster, in dem wir uns befinden oder auch Räume im Rathaus, die nach den verschiedenen Themengebieten, Religionen oder Ländern aufgeteilt sind. Man rechnet für heute und morgen mit insgesamt mit 10.000 bis 12.000 Besuchern, die diese verschiedenen Informationsveranstaltungen besuchen.
domradio.de: Das Motto lautet "Durst nach Frieden" - was hat man sich für das diesjährige Friedenstreffen vorgenommen?
Bruder Thomas: Das Thema "Durst nach Frieden" soll in unterschiedlicher Art und Weise zur Sprache kommen: Es geht zum Beispiel auch um das Thema "Recht auf Nahrung", Migration und Bewahrung der Schöpfung. Papst Franziskus sprach in seinem Sonnengesang bereits das Thema Schöpfung an, sie ernährt, trägt und hält uns. Das Thema wird also von verschiedenen Seiten und aus den Sichten der jeweiligen Religionen und Religionen beleuchtet. Es wird auf ganz breiter Basis angesetzt.
Austausch zwischen den Religionen steht im Mittelpunkt
Im Mittelpunkt steht natürlich wie immer bei so einem Treffen, die Begegnung der Menschen. Kardinal Kasper betonte in seinem Gespräch gestern, dass die Vertreter der verschiedenen Religionen einander begegnen und besser kennenlernen sollen. Es sind zum Beispiel auch Vertreter asiatischer Glaubensrichtungen hier, die man gar nicht kennt. Gerade der sachliche Austausch von Informationen ist hier präsent.
domradio.de: Kann man aufzählen, wer alles bei dem Treffen ist, oder macht es mehr Sinn, einmal zu sagen, wer nicht dabei ist?
Bruder Thomas: Es sind dieses Jahr viele muslimische Organisationen dabei, die Zahlen haben sich im Vergleich zu den vergangenen Jahren gesteigert. Natürlich gibt es auch welche, die bei dem Treffen nicht mitmachen. Aber der Sinn der Sache ist, dass man versucht nach vorne zu gehen und muslimische Vereinigungen dazu ermutigt teilzunehmen. Damit sind alle muslimischen Vereinigungen gemeint, die Interesse am Dialog und an der Gestaltung des Friedens auf der Welt haben. Es gibt viele, die deswegen hier sind und vielleicht wird das manchmal zu wenig beleuchtet. Leider sieht man abends im Fernsehen nur die negativen Dinge. Es ist wirklich ein Treffen all derer, denen das Anliegen Frieden und Dialog am Herzen liegt.
domradio.de: Morgen stößt Papst Franziskus zu dem Treffen. Was hat sich verändert im Laufe des 30-jährigen Bestehens des Treffens?
Bruder Thomas: Das Friedensgebet ist eine feste Einrichtung geworden. Die Zahl der teilnehmenden Organisationen wächst. Natürlich gibt es auch die andere Seite, die sagt: Wer hört diese Appelle? Was bewirken sie am Ende überhaupt? Das liegt an denen, an den die Appelle gerichtet sind. Es ist ein Bemühen, bei dem man sich ständig fragt, was man wirklich bewegt. Trotzdem darf man in diesem Bemühen nicht nachlassen. Es war die geniale Idee von Papst Johannes Paul II. das Treffen hier in Assisi anzusiedeln, wo die Gestalt des Heiligen Franziskus von Assisi als übergreifende Persönlichkeit vor Ort ist. Franz von Assisi ist eine Sehnsuchtsgestalt, die über die Grenzen der christlichen Konfessionen hinweg für Grundhaltungen steht, die jedem Menschen wichtig sein sollten. Das sind zum Beispiel der Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit, der Blick auf die Schöpfung und ihre Bewahrung und natürlich die Verbindung zu Gott. Das gilt für alle Religionen. Somit war es eine einmalig gute Idee, das Treffen hier in Assisi anzusiedeln.
Papst Franziskus als Einladener
Eine besondere Bedeutung hat der Papst Franziskus als Einladender. Wenn er einlädt, dann kommen sehr viele aus den unterschiedlichsten Religionen. Als wir vor fünf Jahren das 25-jährige Bestehen gefeiert haben, haben viele Redner betont, dass der Papst derjenige ist, dem es gelinge, alle zusammenzubringen. Aus diesem Grund ist die Präsenz des Papstes so wichtig an diesem Tag. Das Bild ist immer dasselbe: bei der Abschlussfeier stehen die verschiedenen Vertreter der Religionen im Halbkreis, der Papst in der Mitte und es wird das Friedenslicht ausgeteilt. So ähnlich wird es auch dieses Mal wieder sein.
Das Interview führte Daniel Hauser