DOMRADIO.DE: Bernhard Lichtenberg wird für die Zeit der Sanierung und Umgestaltung der St. Hedwigs-Kathedrale umgebettet. Man kann einen Toten und dazu noch einen selig gesprochenen Dompropst wahrscheinlich nicht einfach so aus seinem Sarg holen und die Totenruhe stören. Da muss bestimmt einiges beachtet werden, oder?
Prälat Tobias Przytarski (Dompropst der St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin): Ja, für solche Vorgänge gibt es römische Vorschriften von der Heiligsprechung-Kongregation, die wir natürlich auch sorgfältig beachtet haben.
DOMRADIO.DE: Was gilt es da alles zu beachten?
Przytarski: Dazu gehört zum Beispiel erst mal eine Genehmigung aus Rom, dass wir das überhaupt dürfen. Nach der Öffnung des Sarges ist gefordert, dass ein Facharzt die Gebeine untersucht, und dass sie dann auch entsprechend würdig und respektvoll erneut beigesetzt werden.
DOMRADIO.DE: Man konnte nicht einfach den Sarg ausbetten und ihn überführen? Man musste den Sarg schon öffnen?
Przytarski: Ja, das war allerdings auch unser eigenes Anliegen, weil wir einfach sehen wollten, in welchem Zustand die Gebeine sind und ob man da irgendwas unternehmen sollte. Sie waren zum Glück in einem guten Zustand. Aber trotzdem, glaube ich, war es gut, dass wir sie jetzt nochmal in luftdichter Form erneut beisetzen konnten.
DOMRADIO.DE: Wenn man so einen Sarg öffnet, ist das ja schon etwas Besonderes - gerade bei so einem großen Mann. War es jetzt das erste Mal, dass der Sarg von Bernhard Lichtenberg geöffnet wurde?
Przytarski: Nein, er war ja zunächst einfach in Berlin auf dem Hedwig-Friedhof beigesetzt worden. 1965 ist dann das Grab zum ersten Mal geöffnet worden und man hat seine Gebeine dann in einen Zinksarg gelegt und in die Hedwigs-Kathedrale überführt. Es hat schon mal eine Öffnung gegeben und jetzt 65 Jahre später zum zweiten Mal.
DOMRADIO.DE: An diesem Montag um 17.30 Uhr wird der Schrein vor der Kirche Maria Regina Martyrium aufgebahrt und um 18 Uhr feiert dann Berlins Erzbischof Heiner Koch mit dem Erzbischof von Breslau, Jozef Kupny, und Nuntius Nikola Eterovic eine Wallfahrtsmesse. Bernhard Lichtenberg ist für viele wirklich zu einer Ikone geworden. Welche Rolle spielt er denn für das Erzbistum Berlin und nach wie vor auch für seine Bürger und Gläubigen?
Przytarski: Er ist eine Gestalt, die in der Zeit des Nationalsozialismus Haltung bewiesen hat, sich nicht hat einschüchtern lassen. Er ist für das eingetreten, was die Wahrheit war, und hat keine Rücksicht auf seine eigenen Befindlichkeiten genommen. Das ist schon bewundernswert. Auf der anderen Seite ist er immer auch ein ausgesprochener Seelsorger gewesen. Sein Argument: Wenn irgendjemand etwas wollte oder etwas brauchte, dann ging es um eine unsterbliche Seele und das war für ihn jede Menge Mühe wert. Das sind Eigenschaften von ihm, die wir eigentlich heute auch gut gebrauchen können.
DOMRADIO.DE: Dompropst Bernhard Lichtenberg hat in der NS-Zeit Geschichte geschrieben. Als Mann der Kirche hat er Juden in Schutz genommen, gegen die Judenverfolgung gepredigt und dann ist er 1943 auf dem Weg ins KZ Dachau gestorben. Es wird derzeit auch geprüft, ob Bernhard Lichtenberg heiliggesprochen wird. Wie stehen da die Chancen?
Przytarski: Wenn es um ihn geht, gibt es keine Gründe, das nicht zu tun. Zum Heiligsprechungsverfahren gehört aber immer auch ein Wunder. Das ist immer noch so. Und das brauchen wir, darum beten wir, damit eine Heiligsprechung von Bernhard Lichtenberg möglich wird. Heiligsprechung bedeutet ja immer auch, dass jemand nicht nur für eine bestimmte Region, sondern eigentlich für die ganze Kirche Bedeutung bekommt. Ich glaube, das ist eine Gestalt, die eine solche Bedeutung verdient.
DOMRADIO.DE: Sie tragen die Kette mit dem Propstkreuz, das schon Lichtenberg getragen hat. Inwieweit inspiriert Sie da Ihr Amtsvorgänger in Ihrem Handeln und Tun?
Przytarski: Naja, er stellt natürlich erst mal einen hohen Maßstab, vor dem ich nicht immer so ganz gut bestehen kann. Das ist natürlich die eine Seite. Die andere Seite ist, dass er für mich schon ein Vorbild ist. Ich versuche schon, ihm nachzueifern in dieser Gradlinigkeit und in der Klarheit, mit der er angetreten ist. Und auch mit diesem unbedingten Willen, seinem Gewissen zu folgen und keine faulen Kompromisse zu machen, wo sie einfach falsch sind.
DOMRADIO.DE: Können wir denn heute auch noch was abgucken von dem, was Bernhard Lichtenberg damals für die Juden getan hat?
Przytarski: Ja, es mehren sich ja leider auch in Deutschland - aber nicht nur in Deutschland - Stimmen, die man eigentlich schon vergessen hatte - mit Überzeugungen und Ideologien, gegen die wir auch heute protestieren müssen. Verletzung der Menschenwürde und der Menschenrechte gibt es heute auch. Ich glaube, dagegen wäre er heute auch aufgestanden.