Gadecki verschärft Kritik an Kirche in Deutschland 

"Größte Krise seit der Reformation"

Der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislaw Gadecki, hat seine Kritik an der Kirche in Deutschland verschärft. In einem Interview zeigte Gadecki auch Unverständnis bezüglich der Ostpolitik des Vatikans.

Stanislaw Gadecki, Erzbischof von Posen / © Paul Haring (KNA)
Stanislaw Gadecki, Erzbischof von Posen / © Paul Haring ( KNA )

Die katholische Kirche in Deutschland befinde sich in ihrer größten Krise seit der Reformation, sagte Gadecki im Interview der katholischen Wochenzeitung "Die Tagespost" (Donnerstag) in Würzburg. "Es besteht die große Gefahr, dass eine falsch verstandene Reform des Christentums erneut zu einer Spaltung der Kirche führt, die auf die Nachbarländer übergreift."

Gadecki warnte vor einer zu starken Anpassung der Theologie "an die Bedürfnisse der Soziologie". Die Sozialwissenschaften hätten "keinen Zugang zu den nackten Tatsachen" und enthielten daher immer ideologische Elemente.

Das zeige sich in der Gender-Theorie. "In den Biowissenschaften sind wir uns sicher, dass es bei den Säugetieren nur zwei Geschlechter gibt; eine dritte Möglichkeit gibt es nicht." Viele vermeintliche Entdeckungen der Humanwissenschaften beruhten auf Irrtümern. Auch Rassismus und Eugenik hätten sich als wissenschaftlich verstanden. 

Kritik an Reformdialog Synodaler Weg

Gadecki hatte im Februar einen Offenen Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz geschrieben, Bischof Georg Bätzing. Dieser sei "ein sehr sympathischer Mensch", mit dem er "in einer brüderlichen Beziehung" stehe, sagte Gadecki der "Tagespost".

Erzbischof Stanislaw Gadecki / © Romano Siciliani (KNA)
Erzbischof Stanislaw Gadecki / © Romano Siciliani ( KNA )

Grund für den Brief, der massive Kritik am deutschen Reformdialog Synodaler Weg enthält, sei die gemeinsame Verantwortung für die Weltkirche gewesen. Es sei nicht darum gegangen, für andere Bischöfe Entscheidungen zu treffen. Er habe nur auf Risiken hinweisen wollen, "die falsche pastorale Entscheidungen und lehrmäßige Verwirrung mit sich bringen können". Das Schreiben sei immer noch aktuell.

"Vatikan wiederholt Fehler in der Ostpolitik"

Gadecki kritisierte auch die vatikanische Haltung zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Die Gleichbehandlung von Aggressor und Opfer sei ein Fehler, monierte Gadecki. "Es scheint eine Wiederholung der Fehler der vatikanischen Ostpolitik aus der Zeit des Kommunismus zu sein." 

Sollte Russland den Krieg gewinnen, werde es sein Bestreben nicht aufgeben, das Einflussgebiet der Sowjetunion wiederherzustellen, so der Erzbischof. "Wir würden also bald einen weiteren Krieg in Europa haben." Das Problem sei "das imperiale Russland". Es befinde sich seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion fast ununterbrochen in irgendeiner Art von Krieg. "Diesmal verweigert es dem ukrainischen Volk sein Existenzrecht, was in der Sprache des Völkerrechts als Verbrechen des Völkermords bezeichnet wird." Gadecki fügte hinzu, er wisse auch nicht, "was geschehen muss, damit sich der russische Geist ändert".

Vatikanische Ostpolitik kontrovers diskutiert

Die sogenannte vatikanische Ostpolitik gehört zu den kontrovers diskutierten kirchenpolitischen Themen des 20. Jahrhunderts. Die einen sehen darin einen nötigen Versuch der Kirche, den Kontakt mit den Kommunisten aufrecht und die Seelsorge durch Verständigung auf gangbare Bischofskandidaten am Leben zu erhalten. Die anderen werten sie als eine gescheiterte Anbiederung an den ideologischen Gegner zum Nachteil der Kirche oder gar als Verrat an jenen, die vor Ort unter teils hohem Einsatz Widerstand leisteten.

Den päpstlichen Unterhändlern gelang in den 60er Jahren immerhin, in Verhandlungen manche vakanten Bischofsstühle neu zu besetzen; allerdings mit staatlich genehmen Kandidaten, von denen viele nachweislich für den Staatssicherheitsdienst arbeiteten.

Tatsächlich änderte sich eher wenig an der verzweifelten Lage der Kirche. Priester, Ordensleute und Laien wurden weiter bespitzelt und teils zu langer Haft verurteilt, Religionsunterricht und kirchliche Verwaltungen quasi lahmgelegt. Die kommunistischen Machthaber hielten zumeist ihre Zusagen nicht ein.

Katholische Kirche in Polen

Die römisch-katholische Kirche hat in Polen traditionell großen Einfluss. Ihr gehören knapp 90 Prozent der 33 Millionen Bürger an. In den vergangenen Jahren verlor die Kirche aber besonders in der jungen Generation an Ansehen. In der Hauptstadt Warschau wählten in diesem Schuljahr nur noch 29 Prozent der Schüler in der gymnasialen Oberstufe das Fach katholische Religion. Nach Angaben der Bischofskonferenz besuchten 2021 landesweit 28,3 Prozent der Katholiken die Sonntagsmesse.

Prozession in Polen / © Dariusz Banaszuk (shutterstock)
Prozession in Polen / © Dariusz Banaszuk ( shutterstock )
Quelle:
KNA