Die einen sehen dort einen unzeitgemäßen Traditionalismus am Werk, andere die Wahrung unverzichtbarer Tradition. Auf jeden Fall ist das "Institut Philipp Neri" in Berlin-Wedding seit 2003 ein unverwechselbarer Farbtupfer in der bunten Landschaft des Hauptstadt-Katholizismus. In der Corona-Krise macht es durch einen juristischen Vorstoß gegen das Gottesdienstverbot bundesweit von sich reden, auch wenn der Eilantrag am Dienstag vor dem Verwaltungsgericht zunächst scheiterte.
"Freundeskreis Phillip Neri"
Die Gemeinschaft von vier Priestern und einem Laienbruder feiert Gottesdienste so, wie sie vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) üblich waren: in lateinischer Sprache und mit einem Priester, der mit dem Rücken zur Gemeinde statt in umgekehrter Haltung zelebriert. Diese Form ist zwar kirchenrechtlich erlaubt, soll aber nur in Ausnahmefällen stattfinden.
Nach dem heiliggesprochenen Ordensgründer Philipp Neri (1515-1595) benannt, ist es ein Institut päpstlichen Rechts, das sich nach eigenen Angaben durch Spenden finanziert und vom Erzbistum Berlin unabhängig ist. Es geht unter anderem mit Hilfe eines als "Freundeskreis" firmierenden Vereins juristisch gegen das staatliche Verbot auch von Gottesdiensten vor, während die beiden großen Kirchen mit Blick auf die Infektionsgefahr um Verständnis für die Absage der Gottesdienste werben. Zwar blieb der Versuch des Instituts, beim Verwaltungsgericht eine Ausnahmeregelung zu erwirken, erfolglos. Beim Oberverwaltungsgericht wollen die Antragsteller nun aber dagegen Beschwerde einlegen.
Zunächst muss sich das Institut weiter wie alle Religionsgemeinschaften auf seelsorgliche Angebote für Einzelne beschränken. Die Anhängerschaft ist jedoch überschaubar, nach Angaben des Instituts-Leiters, Propst Gerald Goesche, umfasst sie bis zu 300 Gläubige. Die Hälfte von ihnen nimmt demnach in der Berliner Institutszentrale in einem ehemaligen Ordenshaus, dem Sankt-Afra-Stift, an den Messfeiern und anderen gottesdienstlichen Formen teil, die anderen an drei weiteren Standorten.
Gegen öffentlichen Verfall des Glaubens
Die Kritik an Vorstellungen der Priestergemeinschaft ficht den 59-Jährigen nicht an. "Wir sind traditionell und fundamental, aber nicht fundamentalistisch", betonte Goesche, der an der Päpstlichen Universität Gregoriana promoviert hat, im vergangenen Jahr in einem Interview. Zugleich wandte er sich gegen einen "offensichtlichen Verfall des Glaubens in Gesellschaft und Kirche und die zunehmende Polarisierung zwischen unterschiedlichen innerkirchlichen Denkrichtungen".
Dabei verteidigte er auch seine grundlegende Ablehnung der Handkommunion, die anstelle des Empfangs der Oblate im Mund in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland zur Regel wurde. Auch in Zeiten der Corona-Pandemie hatte Goesche nach Medienberichten daran festgehalten, die Hostie den Empfängern auf die Zunge zu legen, wobei weder der Priester noch die Gläubigen einen Mundschutz getragen hätten. Natürlich bleibe da ein "Restrisiko", wurde Goesche zitiert: "Aber niemand muss zur Kommunion gehen."
Schon vor der Corona-Krise hatte Goesche sich kritisch auch über das Verhältnis von Staat und Kirchen in Deutschland geäußert. Es gebe "eine unerklärte Staatskirche, und dass sie unerklärt ist, macht die Sache besonders schlimm", sagte er. Dagegen würde es "eine Spannung zwischen Kirche und Staat brauchen, die gibt es in Deutschland aber nicht". Mit dem Gang vor Gericht hat das Institut dieser Sicht nun auch Taten folgen lassen und versucht, gegen den Strom zu schwimmen.