Zigtausende Menschen haben am vergangenen Sonntag in Barcelona gegen die von den Sozialisten geplante Amnestie katalanischer Separatisten protestiert. Die Unterstützer und Organisatoren des illegalen Unabhängigkeitsreferendums von 2017 sind für politische Ämter gesperrt und werden teils noch von der spanischen Justiz verfolgt. Spaniens geschäftsführender Ministerpräsident Pedro Sanchez bietet ihnen eine Amnestie an. Im Gegenzug fordert er die von den Separatisten notwendigen Stimmen für seine Wiederwahl zum Regierungschef.
"Nicht in meinem Namen"
Mit spanischen und katalanischen Flaggen zogen die Demonstranten unter dem Motto "Nicht in meinem Namen: weder Amnestie noch Selbstbestimmung" durch die Innenstadt der katalanischen Mittelmeermetropole. Nach Angaben der Regionalpolizei beteiligten sich rund 50.000 Menschen an dem Protestmarsch. Die Veranstalter sprachen sogar von 300.000 Teilnehmern.
Tatsache ist: Das Amnestieangebot sowie mögliche Verhandlungen über ein neues, diesmal mit der Zentralregierung ausgehandeltes Unabhängigkeitsreferendum werden nach aktuellen Umfragen von bis zu 70 Prozent der spanischen Bevölkerung abgelehnt. Das Thema empört große Teile der spanischen Gesellschaft und spaltet vor allem auch die katalanische Bevölkerung.
Debatten zu Separatisten
Auch innerhalb der katholischen Kirche kommt es derzeit zu Debatten über den Umgang mit den Separatisten, die in Spanien zu "Königsmachern" werden können und dafür hohe Forderungen stellen. Francisco Garcia Magan, Sprecher der Spanischen Bischofskonferenz, beschränkte sich nicht nur darauf, die Abneigung der spanischen Bischöfe gegenüber der Amnestie zum Ausdruck zu bringen. Mit Blick auf die Debatten über die Verfassungskonformität einer solchen Maßnahme warnte er zudem: "Es ist gut für alle, für eine Gesellschaft und ein Land, die geltende Rechtmäßigkeit und die geltende Verfassung zu respektieren."
Die Antwort der katalanischen Bischöfe ließ nicht lange auf sich warten. In einer gemeinsamen Erklärung distanzierten sie sich explizit von den Aussagen Magans. "Wir müssen eine respektvolle Neutralität wahren, die wir nur brechen können, wenn das Recht auf Würde des Menschen verletzt wird", heißt es in der Erklärung der zehn katalanischen Diözesen.
Von Gleichheit leiten lassen
Die Kirche müsse sich von Gleichheit, Herzlichkeit und dem Dialog leiten lassen, um eine neue und friedliche Gesellschaft zu erschaffen. "Parteilichkeit zu schüren oder eine bestimmte Position zu loben" sei nicht der richtige Weg. Die Debatte ist innerhalb der Kirche nicht neu.
Immer wieder gab es in der Vergangenheit Streit zwischen pro-spanischen und pro-katalanischen Ordensleuten und Bischöfen rund um den Unabhängigkeitsprozess in der nordspanischen Mittelmeerregion. Unterdessen nutzt Spaniens konservative Opposition die sozialenProteste gegen die geplante Amnestie der Separatistenführer mit Blick auf mögliche Neuwahlen aus.
Vorwurf: unverantwortlich
Oppositionsführer Alberto Nunez Feijoo begründete seine Teilnahme an dem Marsch mit der Verteidigung der spanischen Demokratie und wetterte gegen den "Ausverkauf Spaniens". Madrids konservative Regionalpräsidentin Isabel Diaz Ayuso stellte am Rande des Massenprotests unterdessen klar, es sei von Pedro Sachez unverantwortlich, für seinen Machterhalt "schwere Verbrechen gegen die Einheit Spaniens" durch eine Amnestie indirekt für legal zu erklären.
Sollten die Sozialisten mit ihrer Strategie durchkommen, kündigte Oppositionsführer Feijoo an, alles Mögliche zu tun, um die Amnestiegesetze einer linken Minderheitsregierung im Parlament, Senat sowie vor dem Verfassungsgericht wieder zu Fall zu bringen. Feijoo, der die Neuwahlen am 23. Juli gewann, scheiterte Ende September bei der Bildung einer eigenen Regierungsmehrheit. Zusammen mit der rechten Vox-Partei fehlten ihm im Parlament lediglich vier Stimmen für eine Mehrheit. Im Senat, der Parlamentsbeschlüsse zu Fall bringen kann, verfügen die Konservativen über eine absolute Mehrheit.
Mehrheit spreche sich dagegen aus
Sollte es den Sozialisten bis zum 27. November ebenfalls nicht gelingen, eine Regierungsmehrheit mit Unterstützung der Separatisten zu bilden, stehen in Spanien am 14. Januar 2024 wieder Neuwahlen an. Diese könnten für die Sozialisten zu einem Debakel werden. "Denn auch eine Mehrheit der sozialistischen Wähler spricht sich klar gegen die geplante Amnestie und ein mögliches Unabhängigkeitsreferendum aus", erklärt der spanische Wahlforscher Oriol Bartomeus.
"Viele Wähler, die am 23. Juli noch für die Sozialisten gestimmt haben, würden es bei Neuwahlen vielleicht nicht mehr tun. Sanchez hatte eine Amnestie stets abgelehnt und als verfassungswidrig bezeichnet. Und jetzt macht er für den Machterhalt eine polemische 180-Grad Wende", so Bartomeus.