Gewehrfeuer statt Weihnachtslieder in Myanmar

"Ungeheuerliche Verstöße" gegen Religionsfreiheit

Im Februar 2021 putschte in Myanmar die Armee. Die mehrheitlich christlichen Gebiete in dem überwiegend buddhistisch geprägten Land begehen das zweite Weihnachten unter Kriegsbedingungen.

Autor/in:
Michael Lenz
Militär in Myanmar im Jahr 2021 / © R. Bociaga (shutterstock)
Militär in Myanmar im Jahr 2021 / © R. Bociaga ( shutterstock )

"Anstatt das schöne Läuten der Kirchenglocken und Weihnachtslieder, hören wir jeden Tag Gewehrfeuer, Düsenjäger und Artilleriebeschuss. Anstatt uns an der Weihnachtsdekoration und -beleuchtung zu erfreuen, sollen wir uns im Dunkel der Luftschutzkeller verstecken. Anstatt mit Freunden und Familienmitgliedern das Feuer zu genießen, sind Sorgen und Ängste in unseren Herzen." So beschreibt Pater Francis Soe Naing von der Sozialkommission des Bistums Loikaw in einer E-Mail an die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) die Lage im Unionsstaat Kayah.

Myanmar, Rangun: Menschen beten in einem Gottesdienst (Archiv) / © Paul Haring (KNA)
Myanmar, Rangun: Menschen beten in einem Gottesdienst (Archiv) / © Paul Haring ( KNA )

Im Krieg der Armee gegen Widerstandskämpfer wurden im Bistum Loikaw bereits zehn Kirchen, sieben Klöster, ein Tagungszentrum und zwei Häuser für angehende Priester schwer beschädigt. Eine Kirche wurde komplett zerstört. "Das myanmarische Militär nutzt viele Pfarrhäuser, Kirchen und Klöster als Unterschlupf oder Festung. Viele heilige Dinge werden entweiht und viele heilige Statuen zerstört", so Pater Francis.

Keine Feiern, keine Weihnachtslieder

UN-Gericht macht Weg für Völkermord-Prozess gegen Myanmar frei

Der Internationale Gerichtshof hat im Juli den Weg frei gemacht für einen Völkermord-Prozess gegen Myanmar. Das höchste Gericht der Vereinten Nationen wies  eine Beschwerde des Militärregimes des südostasiatischen Landes in allen Punkten zurück. Gambia hatte Myanmar wegen des Völkermordes an der muslimischen Rohingya-Minderheit vor den Gerichtshof gebracht. Vertreter der Militärführung hatten aber erklärt, dass das Gericht nicht zuständig sei.

Flüchtlingskinder der Rohingya im Flüchtlingslager Thaingkhali / © Dar Yasin (dpa)
Flüchtlingskinder der Rohingya im Flüchtlingslager Thaingkhali / © Dar Yasin ( dpa )

Ähnlich niederschmetternd schildert Erzbischof Marco Tin Win die Lage im Erzbistum. "Die gesamte Erzdiözese Mandalay wird Weihnachten nicht wie üblich feiern. Als Zeichen dafür, dass wir die Leiden der Menschen teilen, schmücken wir die Kirchen nicht mit Lichtern, wird es keine Feiern geben, keine Weihnachtslieder", sagt der Erzbischof der KNA. In den Dörfern der zentralen Region Sagaing hat das Militär in diesem Jahr Tausende Häuser niedergebrannt und viele Bewohner erschossen oder enthauptet.

In Kayah sind 180.000 Menschen vor der Gewalt geflohen und leben unter schwierigsten Bedingungen in Lagern. Das entspricht mehr als der Hälfte der Bevölkerung des myanmarischen Unionsstaates an der Grenze zu Thailand. "Mehr als 66.000 Flüchtlinge sind Katholiken, das sind zwei Drittel aller Katholiken des Bistums Loikaw. Ganze 23 von 39 Gemeinden sind verlassen", sagt Pater Francis.

Flüchtlingshilfe, etwa durch die Caritas, ist in Kayah nur unter Gefahren möglich. Laut Pater Aloysius Thet Htwe Aung, Leiter der Caritas Loikaw, ist seelsorgerische und humanitäre Hilfe für die Vertriebenen gefährlich. "Wir haben bisher Zugang zu den Binnenvertriebenen, jedoch mit einem gewissen Risiko für die Sicherheit des Personals auf dem Weg zu den Lagern."

Kardinal Charles Bo / © Cristian Gennari (KNA)
Kardinal Charles Bo / © Cristian Gennari ( KNA )

Kommissionsbericht sieht "ungeheuerliche Verstöße"

Der Erzbischof von Yangon, Kardinal Charles Bo, beschrieb kurz vor Weihnachten den Zustand der Kirche in Myanmar als "verwundet". "Die Menschen haben in den letzten zwei Jahren unter der Covid-Pandemie und der politischen Instabilität gelitten und Tausende von Menschen sind obdachlos und suchen Zuflucht in Lagern", zitierte der asiatische Nachrichtendienst Ucanews aus einer Predigt Bos anlässlich der Ordination von zwei Salesianern. Mon Hla, das Heimatdorf des Kardinals, ist eines der vielen katholischen Dörfer in Sagaing, das in den vergangenen Monaten vom Militär niedergebrannt wurde.

Die US-Kommission zur Überprüfung weltweiter Religionsfreiheit nennt in ihrem aktuellen Bericht Myanmar unter jenen zehn Ländern, die für "ungeheuerliche Verstöße" gegen die Religionsfreiheit verantwortlich sind. Komplizen bei Gewalt und Unterdrückung der Religionsfreiheit seien oft buddhistische Mönche. Juntachef General Min Aung Hlaing und das Militär pflegen eine lange Verbindung mit rechtsextremen buddhistischen Nationalisten.

Buddhismus für politische Zwecke benutzt? 

"Sie versuchen, ihre Legitimität im Inland mit dem Schutz des Buddhismus zu verknüpfen", heißt es in einem weiteren US-Bericht über die Religionsfreiheit in Myanmar von Dezember. Die Junta mache sich die Mönche durch die Finanzierung von Pagoden und Klöstern oder durch Repressionen gefügig. Die Armee verhafte Mönche, die sich gegen den Putsch und die "Autokratie von General Hlaing" aussprechen.

General Hlaing benutze den Buddhismus auch in seinem Bemühen, Anerkennung für die Junta im Ausland zu gewinnen. In diesem Jahr, so der Bericht, habe Hlaing in Moskau – Russland ist ein wichtiger Waffenlieferant der Junta - eine Replik der Shwezigon Pagode eingeweiht. Im Original der Pagode in Myanmar sollen sich ein Knochen und ein Zahn Buddhas befinden.

Myanmar, Mandalay: Ein buddhistischer Mönch (M) benutzt ein Fernglas, während er mit anderen Männern hinter einer Straßenabsperrung hockt / © Uncredited/AP (dpa)
Myanmar, Mandalay: Ein buddhistischer Mönch (M) benutzt ein Fernglas, während er mit anderen Männern hinter einer Straßenabsperrung hockt / © Uncredited/AP ( dpa )

Weitgehend verstummt sind dieses Jahr die kritischen Stimmen katholischer Vertreter. Im Frühjahr 2021 hatte sich Kardinal Bo noch mehrfach mit deutlichen Stellungnahmen zum Militärputsch zu Wort gemeldet. In Mandalay zeigte Erzbischof Marco Tin im Februar 2021 noch öffentlich den Drei-Finger-Gruß, ein Symbol des Widerstands, als Ausdruck seiner Solidarität mit den Protesten gegen den Putsch. Im April dieses Jahres machte dann die Junta mit einer Militärrazzia in der Herz-Jesu-Kathedrale, der Residenz des Erzbischofs und dem Seelsorgezentrum unmissverständlich klar, wer das Sagen hat.

In den kommenden Tagen wird in den Konfliktgebieten auch das Feiern von Weihnachtsgottesdiensten gefährlich sein. "Der Diözesanadministrator wird einige Flüchtlingslager besuchen und die Sakramente der Erstkommunion und der Firmung spenden", sagt Pater Aloysius. Und er fügt hinzu: "In den meisten Pfarreien wird

Quelle:
KNA
Mehr zum Thema