DOMRADIO.DE: In dem Buch "Gott funktioniert nicht: Deswegen glaube ich an ihn" geht es nicht um kirchliche Missstände und nicht um theologische Fragen, sondern um etwas sehr Persönliches: Ihren eigenen Glauben. Warum haben sie das Buch geschrieben?
Thomas Frings (Kölner Pfarrer und Autor): Die Anregung kam von außen, nach Predigten. Menschen sagten: Können wir das noch mal schriftlich kriegen? Das ist eigentlich eine Zusammenfassung von einigen Predigtgedanken, wenn man über Gott redet. Der Auslöser war eine veränderte Situation, in der wir uns befinden.
In Köln ist die Zahl der Kirchenmitglieder Ende des letzten Jahres auf unter 50 Prozent gesackt. Das heißt, über 50 Prozent aller Kölner gehören nicht der katholischen oder evangelischen Kirche an. Wir erwarten diesen Schnitt auch für die Bundesrepublik in den nächsten Jahren, sodass die ursprünglich mal flächendeckenden beiden Volkskirchen in eine Minderheitsituation geraten sind. Es ist eine große Minderheit, aber es werden doch unter 50 Prozent sein.
Dafür kommt eine andere Religion ins Land, die in Menschen und Gebäuden ein Gesicht zeigt: der Islam. Und es gibt vermehrt Menschen, die gar nicht glauben und damit sehr glücklich sind. Die sind ja nicht automatisch unglücklicher. Und da war mein Gedanke: Vor 50 Jahren musste ein Nicht-Christ in Deutschland begründen, warum er zu keiner Kirche gehört oder nicht glaubt.
Wir kommen in die Situation, dass wir begründen müssen und erklären sollten: Warum glaubst du eigentlich? Und warum glaubst du als Christ? Darum geht es im Buch.
DOMRADIO.DE: Sie wollen jetzt sagen: Warum glaube ich? Sie steigen in Ihrem Buch mit einer Urlaubsanekdote ein. Sie haben mit Freunden in der Wüste gezeltet. Dann kommen in der Nacht Hyänen an Ihren Schlafplatz. Sie sitzen zwei Stunden lang im Zelt, haben Todesangst - aber es kommt Ihnen nicht in den Sinn, zu beten. Ist das nicht ungewöhnlich für einen Kirchenmann?
Frings: Das war für mich auch ungewöhnlich in dem Moment als ich da lag. Es war in Nord-Benin in Afrika, in der Silvesternacht 2000/2001. Wir haben ein Freund besucht, der dort berufstätig war. Als die Tiere knurrend angelaufen kamen, sagte er: "Das sind Hyänen."
Wir haben zwei Stunden Todesangst gehabt. Ich habe wirklich gedacht: Du siehst nie mehr die Sonne. Du wirst gleich in der Dunkelheit sterben. Du kannst nur hoffen, dass es schnell geht. Das wird schmerzhaft sein aber hoffentlich schnell gehen. Ich habe nicht gebetet. Und ich war selber überrascht, dass ich nicht gebetet habe.
Ich konnte es mir sehr gut logisch erklären: Weil ich nicht daran glaube, dass Gott dann eingreift und Tiere verjagt. Gott hat die Natur so gemacht, wie sie ist. Gott wird einem hungrigen Tier nicht den Hunger nehmen, nur weil ich ihn darum bitte. Dann muss ich mich nicht in eine solche Gefahr begeben.
DOMRADIO.DE: Damit sind wir beim Titel ihres Buches. Gott funktioniert vielleicht nicht so, wie wir uns das wünschen in der betreffenden Situation. Verstehe ich Sie richtig, wenn ich sage: Sie wenden sich gegen Gebete, in denen wir Gott um etwas oder für jemanden oder für uns bitten?
Frings: Nein, Gott ist aber kein Lückenbüßer. Das war eine Lücke, die wir aufgemacht haben, weil wir an der falschen Stelle gelegen hatten. Wir hätten aufmerksamer sein sollen. Dem Freund hat das unglaublich leidgetan, was da passiert ist. Aber dann Gott ins Spiel zu holen, ist ein bisschen spät. Ich kann nicht aus dem zehnten Stock rausspringen und denken, dass mir unterwegs noch ein Fallschirm entgegen kommt.
Ich kann Gott sehr wohl bitten und in mein Leben einbeziehen. Aber wenn das funktional wird, dass ich mit Gott eine Beziehung eingehe, "damit...", "darum..." oder "weil...", wird es schwierig. Ich sage manchmal: Eine Ehe, die funktioniert, ist auch keine gute Ehe.
DOMRADIO.DE: "Gott ist kein Wunscherfüller": Das ist sinngemäß eine der Thesen in dem Buch. Diese Erfahrung haben Sie auch schon als Schüler gemacht. Beten für bessere Schulnoten, das hilft so nicht. Das ist vielleicht auch nicht wünschenswert. Aber wie offenbart sich Gott Ihnen, wenn nicht in dieser Form des "Ich bitte dich und du gibst mir"?
Frings: Ich habe das mit einem Satz auf die erste Seite gestellt, vor alle Texte: "Ich hab Gott nie gesehen, ich habe Gott nie gehört. Deswegen glaube ich an ihn." Die Betonung liegt auf "glauben". Ich habe keine Belege dafür. Ich kann Gott nicht beweisen und mir ist Gott auch nie erschienen. Aber wo kommt dann Gott ins Spiel in meinem Leben? An den Grenzen meines Lebens.
Das buchstabierte ich noch einmal durch in dem Buch, indem ich sage: Ich bin ein erlösungsbedürftiger Mensch, denn ich bin sterblich. Wenn das alles hier kein Zufall gewesen sein soll, kann ich einfach besser mit dem Gedanken leben, dass hinter allem ein Gott steht.
Ich mache Fehler, andere machen Fehler bei mir und manches lässt sich auch nicht wiedergutmachen. Ich erhoffe mir einen Gott, der erbarmungswürdig ist. Und ich bin liebesbedürftig. Ein Gott kann mir die Liebe geben, die kein Mensch einem geben kann.
DOMRADIO.DE: Sie sind aber auch ein zweifelnder Mensch. Auch das wird in Ihrem Buch offenkundig. Sie schreiben zum Beispiel, dass das, was in der Bibel steht, objektiv betrachtet ziemlich unglaublich klingt. Haben Sie jemals so sehr gezweifelt, dass Sie dachten: Vielleicht ist nach dem Tod doch einfach nur Ende?
Frings: Nein, so sehr habe ich noch nicht gezweifelt. Aber ich möchte das ein bisschen differenzieren. Nicht das, was in der Bibel steht, ist unglaublich. Sondern, wenn einer nicht das glaubt, was ich und die Christen glauben - da ist ein Zimmermannssohn, der vor zweitausend Jahren gelebt hat, der ist der Sohn Gottes und er hat uns erlöst - ist das sehr glaubwürdig.
DOMRADIO.DE: Sie habe gesagt, Sie wollen Zeugnis geben mit diesem Buch? Was wünschen Sie sich, was das Buch im besten Fall bei Ihren Lesern bewirken soll?
Frings: Ein Denken. Ein selber-Denken: Wie beantworte ich denn die Frage, warum ich überhaupt glaube? Glaube ich nur, weil ich im Notfall sonst nichts anderes tun kann? Was ist die Begründung, warum ich ein glaubender Mensch bin? Was ist es, dass ich glaube und in welcher Form zeigt sich das? Das Beste, was passieren könnte, wäre, wenn Leute selber darüber nachdenken.
Das Interview führte Hilde Regeniter.