Hauptamtliche im Erzbistum Köln fordern von Woelki Amtsruhe

"Der Papst lässt Köln hängen"

Hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Erzbistums Köln fordern Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki auf, sein Amt so lange ruhen zu lassen, wie die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln gegen ihn andauern. Warum?

Jürgen Kleikamp (l.), kommissarischer Pressesprecher des Erzbistums Köln, spricht mit Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln, während einer Pressekonferenz am 2. Mai 2022 in Köln. / © Theo Barth (KNA)
Jürgen Kleikamp (l.), kommissarischer Pressesprecher des Erzbistums Köln, spricht mit Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln, während einer Pressekonferenz am 2. Mai 2022 in Köln. / © Theo Barth ( KNA )

DOMRADIO.DE: Warum soll Kardinal Woelki sein Amt als Erzbischof ruhen lassen?

Pfarrer Wolfgang Reuter (Mitverfasser der Aufforderung): Es brechen jetzt schon über eine sehr, sehr lange Zeit immer wieder neue Konflikte auf. Sie zeigen, dass in der Bistumsleitung eine ganze Reihe von Haltungen vorherrschen, die sehr missachtend sind. Das wird jetzt an dem Fall mit Frau Dahm noch mal deutlich.

Ermittlungen gegen Woelki

Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt nun doch gegen Kardinal Rainer Maria Woelki. Ein aktuelles Interview des "Kölner Stadt-Anzeigers" habe den Anlass dazu gegeben, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Bisher lehnte die Behörde den Schritt wegen zu geringen Anfangsverdachts ab. Woelki wird vorgeworfen, er habe eine falsche Versicherung an Eides Statt abgegeben. Unterdessen belastet ein weiterer Rechtsstreit am Arbeitsgericht das Erzbistum.

Kardinal Rainer Maria Woelki verfolgt nach der Besichtigung der Restaurierungsarbeiten der Notre-Dame-Fenster die Reden / © Oliver Berg (dpa)
Kardinal Rainer Maria Woelki verfolgt nach der Besichtigung der Restaurierungsarbeiten der Notre-Dame-Fenster die Reden / © Oliver Berg ( dpa )

Da ist eine Frau, die es wagt sich zu äußern und ihre Sicht der Dinge darzustellen. Die Reaktion des Erzbistums war, sie mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu bedrohen. Da sehe ich eine sehr, sehr große, starke Form von Missachtung dieser Person, aber auch der ganzen Menschen, die ebenfalls betroffen sind.

DOMRADIO.DE: Sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht durch ihren Arbeitsvertrag ihrem Vorgesetzten, das heißt dem Kardinal zu Loyalität verpflichtet?

Reuter: Ja, Frau Dahm spricht aber sehr deutlich aus, was sie als Loyalität versteht. Aus ihrer großen Loyalitätsgesinnung heraus, äußert sie sich ja und sagt: Aus Loyalität meinem Bischof gegenüber muss ich sagen, was ich empfinde, was ich aus meiner Arbeitszeit an Kenntnissen habe, die dem, was der Kardinal sagt, widersprechen.

Jetzt ist offengelegt, dass es zwei unterschiedliche Meinungen gibt. Ich meine nicht, dass Loyalität heißt, sich in allen eigenen Gedanken einschränken zu müssen, sondern Loyalität kann doch genauso gut heißen: Ich bringe die unterschiedliche Auffassung zum Ausdruck. Dann können wir darüber einen Diskurs, eine Diskussion führen, wenn wir uns darüber an einen Tisch setzen. Das wurde ja verweigert.

Frau Dahm hat, wenn ich das richtig verstanden habe, versucht mit dem Kardinal in persönlichen Kontakt zu kommen. Das hat ihn nicht interessiert. Das ist, glaube ich, paradigmatisch wie im Erzbistum Köln seitens der Bistumsleitung mit Menschen umgegangen wird, die nicht auf der Linie schwimmen.

DOMRADIO.DE: Wenn es sich bewahrheitet, was die Mitarbeiterin sagt, dann hieße das, der Kardinal hätte gelogen und viel früher von einem Missbrauchstäter gewusst, als er eidesstattlich behauptet hat. Welche Konsequenzen müsste das haben?

Reuter: Es ist nicht haltbar, dass sich der Erzbischof von Köln in einem gerichtlichen Verfahren verantworten muss und gleichzeitig sein Amt ausübt. Zumindest wäre zu erwarten, das haben wir in unserem Schreiben gefordert, dass er sein Amt ruhen lässt, bis das gerichtlich geklärt ist. Dass der Fall gerichtlich geklärt werden muss, ist gar keine Frage. Da kann ich mir kein Urteil erlauben. Das wird seine Zeit brauchen.

Aber klar ist, dass auch andere die Auffassung von Frau Dahm bestätigen. Oliver Vogt, der ehemalige Missbrauchsbeauftragte des Erzbistums Köln, hat auch bestätigt, dass die Liste von der Frau Dahm spricht, dem Kardinal vorgelegt wurde. Da haben wir zurzeit einen Dissens.

Ich kann auch nicht sagen, was wahr und richtig ist, aber ich kann sagen, dass ich mir als Priester, und das sehen viele andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem pastoralen Dienst ebenso, dass wir uns so die Bistumsleitung nicht wünschen. Das kann so nicht weitergehen.

DOMRADIO.DE: Was bedeuten diese Unruhe im Erzbistum Köln für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für die Gläubigen?

Reuter: Das ist die viel wichtigere Frage. Zum Ersten gehen viele Gläubige weg und zum Zweiten sind viele sehr stark verunsichert. Ich habe selbst hier in Düsseldorf, wo ich lebe, erlebt, wie sich Menschen durch den Kardinal in ihrer Zugehörigkeit zur Kirche wie ausgeschlossen, fast exkommuniziert fühlen.

Da, wo ich lebe, in Gerresheim, haben wir mindestens drei Fälle von Missbrauch, die nicht aufgearbeitet sind, die aber der Öffentlichkeit bekannt sind und sie auch beschäftigen. Es gibt einfach keine Aufarbeitung. Diejenigen, die noch einen guten Willen haben, noch mit Kirche identifiziert sind, von Kirche noch eine Idee haben, die sich in ihrer freien Zeit einbringen, treibt die aktuelle Entwicklung weg. Die Leute können das nicht mehr verstehen.

DOMRADIO.DE: Das Amt ruhen zu lassen, wie sie es fordern, kann nur der Papst anordnen. Kann Erzbischof Woelki überhaupt aus eigenen Stücken etwas tun?

Reuter: Das ist ein großes Problem. Ich glaube, dass wir an dieser Stelle auch den Papst ins Boot holen müssen. Der Papst muss seiner Aufgabe nachkommen. Ich bin kein Kirchenrechtler, aber ich meine, dass es eine kirchenrechtliche Bestimmung gibt, dass der Papst innerhalb einer bestimmten Zeit über den Rücktritt hätte befinden müssen. Das hat er bis heute nicht getan. Die Zeit ist längst überschritten. Der Papst lässt Köln und lässt die Katholiken in Köln einfach hängen.

DOMRADIO.DE: Wie nehmen Sie die Lage im Erzbistum wahr?

Reuter: Der Bogen ist überspannt, weil sich alles innerhalb des großen Themas der Missbrauchsaufarbeitung abspielt. Das ist ja der Grund, weshalb diese ganze Sache jetzt überhaupt aufploppt. Innerhalb dieser Missbrauchsaufarbeitung zeigt sich eine so derartig schlechte Performance und es zeigt sich ein vergiftetes Klima, das man nicht mehr tolerieren kann. Es geht doch vor allen Dingen um die Rechte der Betroffenen. Es geht um die Rechte der Menschen, die wir Opfer nennen müssen; die an dieser Stelle wieder übergangen werden.

Wir hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Erzbistums Köln hatten bereits im August bezüglich der Missbrauchsaufarbeitung eine Presseerklärung rausgegeben. Danach ist die Strategie der Instrumentalisierung der Betroffenenbeiräte aufgeflogen. Wie das Erzbistum Köln diese Sache der Missbrauchsaufarbeitung handhabt, kann man so nicht mehr tolerieren. Daher ist jetzt einfach der Zeitpunkt, wo eine Grenze erreicht ist.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Quelle:
DR