Heftige Kritik an Lauterbachs Pflegereformplänen

"Reförmchen und Fassadenanstrich"

Die Pflegereform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach erntet bei Verbänden nur wenig Zuspruch. Auch von kirchlicher Seite kommt Kritik. Vermisst wird ein grundlegender Umbau der Pflegeversicherung für die alternde Gesellschaft.

Autor/in:
Christoph Arens
Lauterbachs Pläne zur Pflegereform in der Kritik / © BlurryMe (shutterstock)
Lauterbachs Pläne zur Pflegereform in der Kritik / © BlurryMe ( shutterstock )

Der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorgelegte Entwurf für eine Reform der Pflegeversicherung ist bei Verbänden auf scharfe Kritik gestoßen. Bei einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags wurden die Vorschläge am Mittwoch als Reförmchen bezeichnet. Die dringend notwendigen Veränderungen würden erneut nicht angepackt. "Die Bundesregierung setzt zum Fassadenanstrich an, während das gesamte Gebäude der Pflege wankt", erklärte beispielsweise der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste.

Karl Lauterbach / © Kay Nietfeld (dpa)
Karl Lauterbach / © Kay Nietfeld ( dpa )

Die gesetzlichen Krankenkassen warnten vor einer Überforderung der Versicherten. Lauterbach bürde allein den Beitragszahlern neue Lasten auf, kritisierte der GKV-Spitzenverband. Dabei sei Pflege eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der Entwurf biete "keine Lösung für eine nachhaltige und tragfähige Stabilisierung der Pflege".

"Zusammenbruch der Versorgungsstrukturen droht"

Der Deutsche Pflegerat zeigte sich erschüttert, dass "die notwendigen und längst ausstehenden Reformen politisch weiterhin nicht angepackt werden. Es droht der Zusammenbruch der Versorgungsstrukturen in Deutschland", sagte Präsidentin Christine Vogler. Gleichzeitig mache die Politik einfach weiter wie bisher. Vogler kritisierte einen einseitigen Blick auf die Finanzierbarkeit durch Anheben der Beiträge zur Pflegeversicherung. Dringend notwendige Verbesserungen der Leistungen würden dagegen vernachlässigt.

Der Gesetzentwurf sieht einerseits steigende Beiträge zur Pflegeversicherung vor, andererseits sollen Leistungen leicht angehoben werden. Insbesondere die Verbesserungen für pflegende Angehörige und Pflegebedürftige fallen aber laut Entwurf geringer aus, als von Lauterbach zunächst angekündigt. Konkret soll unter anderem bereits zum 1. Juli der Beitragssatz zur Pflegeversicherung um 0,35 Prozentpunkte auf 3,4 Prozent des Bruttoeinkommens angehoben werden. Kinderlose zahlen künftig 4 Prozent. Um die häusliche Pflege zu stärken, sollen das Pflegegeld und die ambulanten Sachleistungsbeträge zum 1. Januar 2024 um jeweils 5 Prozent erhöht werden. 

Kritik: Keine Stärkung der häuslichen Pflege

Lauterbach bezifferte die Mehreinnahmen auf rund 6,6 Milliarden Euro pro Jahr. Vier Milliarden Euro sollen in Leistungsverbesserungen fließen. Zugleich müssen Defizite ausgeglichen werden. Der Minister hat für das kommende Jahr einen grundlegenden Reformvorschlag angekündigt.

Symbolbild Pflege / © Monkey Business Images (shutterstock)
Symbolbild Pflege / © Monkey Business Images ( shutterstock )

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) kritisierte insbesondere, dass der Gesetzentwurf die dringend notwendige Stärkung der häuslichen Pflege unterlasse. Der ursprünglich vorgesehene Jahresbeitrag für die Kurzzeit- und Verhinderungspflege hätte vielen Menschen, die zu Hause gepflegt werden, geholfen. "Jetzt werden weder die Inanspruchnahme notwendiger Entlastungsleistungen für pflegende Angehörige angemessen vereinfacht noch das System spürbar entbürokratisiert."

Auch der Verband der Ersatzkassen forderte, die ambulante Pflege stärker in den Blick zu nehmen. Von rund fünf Millionen Pflegebedürftigen würden in Deutschland etwa vier Millionen zu Hause betreut. Dass nun im Kabinettsentwurf die Zusammenlegung der Budgets für die Verhinderungs- und Kurzzeitpflege doch nicht enthalten sei, sollte im laufenden parlamentarischen Verfahren angepasst werden, forderte die Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner.

Caritas vermisst innovative Ansätze

Der Deutsche Caritasverband vermisst die Förderung innovativer Ansätze. So hätten Senioren nicht nur die Wahl zwischen Pflege zu Hause oder in einer stationären Einrichtung. Insbesondere ambulant betreute Wohngemeinschaften seien eine attraktive Wohnform. "Leider diskriminieren die gesetzlichen Regelungen diese WGs, und im vorliegenden Gesetzentwurf für eine Pflegereform wurden sie schlichtweg vergessen."

Die Evangelische Arbeitsgemeinschaft Familie und der Familienbund der Katholiken kritisierten eine unzureichende Entlastung von Familien mit mehreren Kindern. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Besserstellung von kinderreichen Familien in der Pflegeversicherung falle zu gering aus. Die Entlastung sei unausgewogen gestaffelt, erklärte der Familienbund. Er forderte einen Kinderfreibetrag analog zum Steuerrecht. 

Caritas Deutschland

Der Deutsche Caritasverband (DCV) ist der größte Wohlfahrtsverband Europas. Die Dachorganisation katholischer Sozialeinrichtungen setzt sich für Menschen in Not ein. Mit rund 690.000 hauptamtlichen Mitarbeitern - 80 Prozent sind Frauen - ist die Caritas zudem der größte private Arbeitgeber in Deutschland. Der Begriff "caritas" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Nächstenliebe. Sitz des 1897 gegründeten Verbands ist Freiburg. Wichtige Bedeutung haben die Büros in Berlin und Brüssel.

Hinweisschild der Caritas / © Michael Althaus (KNA)
Hinweisschild der Caritas / © Michael Althaus ( KNA )

 

Quelle:
KNA