Initiative ruft zum Protest für Klimaschutz in Lützerath auf

"Sind es unseren Kindern und Enkeln schuldig"

Das Dorf Lützerath soll dem Braunkohletagebau weichen. Die Initiative "Die Kirche(n) im Dorf lassen" hat Widerstand angekündigt. Gegenüber der Politik erheben die Aktivisten schwere Vorwürfe. Sie geben die Hoffnung aber nicht auf.

Demonstranten der Initiative "Kirche(n) im Dorf lassen" tragen ein Kreuz aus gelbem Stoff zum Grenzwall an der Grube des Tagebaus Garzweiler II. im Ortsteil Lützerath / © Harald Oppitz (KNA)
Demonstranten der Initiative "Kirche(n) im Dorf lassen" tragen ein Kreuz aus gelbem Stoff zum Grenzwall an der Grube des Tagebaus Garzweiler II. im Ortsteil Lützerath / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die Siedlung Lützerath in Erkelenz muss laut NRW-Wirtschaftsministerium abgerissen werden, um Braunkohle zu fördern. Wie fällt Ihre Reaktion auf diese Entscheidung aus, die ja von Grünen-Politikern getroffen wurde?

Dr. Anselm Meyer-Antz (Initiative "Die Kirche(n) im Dorf lassen"): Dass diese Entscheidung kam, hat sich seit der Wahl in NRW bedauerlicherweise abgezeichnet. Es hat mich aber dann doch überrascht, wie es inszeniert wurde. Ein multinationaler Konzernboss, dessen oberstes Ziel sein Aktienkurs an der Chicagoer Börse ist, verwandelt zwei deutsche Minister in seine Souffleusen, die deutlich machen, wer in diesem Land das Sagen hat.

Meine persönliche Betroffenheit und Traurigkeit kann ich mit einer ganz frischen Nachricht unterlegen. Michael Zobel, der für seine Natur schützenden Spaziergänge im Hambacher Forst bekannte "Waldmeister", ist heute Morgen bei den Grünen ausgetreten und hat das öffentlich gemacht. Das ist schlimm für die Grünen. Für Michael Zobel ist es wohl eine Frage der persönlichen Hygiene.

DOMRADIO.DE: Ist denn die Energiekrise für Sie als Grund nachvollziehbar? Schließlich will ja keiner im Winter frieren.

Meyer-Antz: Das ist das Narrativ, was RWE hier äußerst geschickt ausgenutzt hat, um eine Energieform weiter als ein Businessmodell durchzusetzen und zu betreiben. Diese Energieform ist nicht zukunftsfähig und sie ist auch jetzt nicht zukunftsfähig geworden. Letztlich kann sie das Problem, was uns Wladimir Putin beschert hat, auch nicht lösen.

Lützerath wird, wenn wir RWE glauben, im Übrigen nicht wegen der Kohle abgebaggert. Lützerath wird deshalb abgebaggert, weil man die Massen, die über der Kohle von Lützerath liegen, braucht, um Dinge zu befestigen. Nun ist es nicht so, dass RWE diese Massen nicht woanders hätte. Da gibt es zum Beispiel die Sophienhöhe. Es gibt viele Möglichkeiten, diese Massen woanders zu beschaffen. Nur das kostet Geld und das ist offensichtlich RWE nicht zuzumuten.

DOMRADIO.DE: Sie setzen sich speziell für den Erhalt von Kirchen ein. Viele Gläubige treffen sich in Lützerath an der Eibenkapelle. Was für ein Ort ist das?

Meyer-Antz: Ich möchte Lützerath als Klimaschutzdorf bezeichnen. Das soll es auch so lange wie möglich bleiben. Nun gab es in der jüngeren Vergangenheit in Lützerath keine Kirche. Ein Mitglied von "Die Kirche(n) im Dorf lassen" hat jedoch auf einer alten Karte an der Ecke der Straße, die Lützerath genannt wird, einen Kirchenbau gefunden. Diese Ecke war völlig verwuchert und vergessen. Wir haben das dann vermessen, haben es aufgesucht und tatsächlich gibt es da eine kleine, fünfeckige Umrandung, in der mal ein Wegekreuz stand.

Dieser Ort ist der Kirche von den Vorfahren von Eckardt Heukamp (Landwirt in Lützerath, d. Red.) auf dem sogenannten Duisserner Hof (in Lützerath) gestiftet worden. Der Ort ist anlässlich einer Volksmission entstanden. Als wir den Ort wiederentdeckt haben, war er überwuchert und verlassen, aber eine sehr alte Eibe hatte ein wunderbares Dach über diesen Ort geschaffen. Das ist nun die Kapelle, die alle Menschen, die mit Religion irgendetwas anfangen, in Lützerath immer wieder aufsuchen, um zur Ruhe und Einkehr zu kommen.

Gelbe Kreuze, Kerzen und eine Ikone in der sogenannten Eibenkapelle, Grundstück des Bistums Aachen, im Ortsteil Lützerath am Tagebau Garzweiler II in Erkelenz im April 2022 / © Harald Oppitz (KNA)
Gelbe Kreuze, Kerzen und eine Ikone in der sogenannten Eibenkapelle, Grundstück des Bistums Aachen, im Ortsteil Lützerath am Tagebau Garzweiler II in Erkelenz im April 2022 / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Auf Ihrer Homepage ist ein Gottesdienst für den 9. Oktober angekündigt, der unter dem Motto "Sich auf den Weg machen" gefeiert werden soll. Warum haben Sie dieses Thema gewählt?

Meyer-Antz: Wir müssen uns jetzt noch mal auf den Weg machen. Die Politiker liefern unserer Gesellschaft einen schlimmen Rückfall in eine Art der Energieerzeugung, die unserer Welt keine Zukunft bietet und die die Schöpfung zerstört.

Deswegen gehen wir jetzt auf einen neuen Aufbruch, um Lützerath zu verteidigen. Der Schutz Lützeraths ist alternativlos – Lützerath ist die 1,5-Grad-Grenze. Die Initiative "Alle Dörfer bleiben" hat es auf Social Media noch einmal deutlich vorgerechnet. Die Grünen feiern etwas, was FDP-Minister Pinkwart schon geplant hatte. Das hatten seine Beamten vergangenes Jahr in Keyenberg schon angekündigt.

Sie täuschen darüber hinweg, dass sie im Grunde die CO2-Produktion im Rheinischen Revier zugunsten von RWE noch einmal massiv ausgeweitet haben. Grundsätzlich ist es für unsere Gesellschaft etwas Gutes, wenn knapper Strom teuer ist, weil darin abgebildet wird, dass Strom derzeit nur auf Kosten unserer Enkel zu haben ist.

Die Grünen mogeln sich darum herum, dass man Menschen mit geringem Einkommen den Strom billig machen muss, dass in unserer Gesellschaft Strom aber teuer sein muss, wenn die Schöpfung bewahrt werden soll. Das ist höchst bedauerlich.

DOMRADIO.DE: Zu erkennen sind Sie von "Die Kirche(n) im Dorf lassen" bei Demos und Gottesdiensten an einem großen gelben Kreuz. Die Abbaggerung Lützeraths sei unvermeidbar, heißt es jetzt von den Grünen, haben Sie gerade gesagt. Haben Sie aber doch noch Hoffnung, dass Sie etwas bewegen können?

Meyer-Antz: Ich bin Christ. Wunder sind zukünftige Ereignisse mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von null Prozent – und so schätze ich die Lage in Lützerath derzeit ein. Selbst die engagiertesten Aktivisten im Hambacher Wald haben nicht mehr damit gerechnet, dass der Wald für diese Spanne gerettet bliebe. Ich rufe alle Menschen guten Willens und alle Menschen, die die Schöpfung bewahren wollen, dazu auf, in den nächsten Tagen nach Lützerath zu kommen und sich vor den Ort zu stellen. Wir sind es unseren Kindern und unseren Enkeln schuldig.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Klimaschützer demonstrieren für Erhalt von Lützerath

Die Klimaschutzbewegung "Fridays for Future" hat für Freitag wieder bundesweit zu einem Klimastreik aufgerufen. Unter dem Motto #PeopleNotProfit soll dabei auch für den Erhalt des vom Braunkohle-Tagebau bedrohten Dorfes Lützerath im Rheinland demonstriert werden, wie "Fridays for Future" am Donnerstag in Berlin mitteilte.

Lützerath im Rheinischen Revier / © Arnulf Stoffel (dpa)
Lützerath im Rheinischen Revier / © Arnulf Stoffel ( dpa )
Quelle:
DR