Ein von Saudi Arabien unterstütztes interreligiöses Zentrum in Wien hat Sorge über den Fall des getöteten saudischen Journalisten Khashoggi geäußert. "Wir hoffen, dass eine transparente Untersuchung die Wahrheit ans Licht bringen wird und dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden", teilte das "König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog" (KAICIID) am Sonntag in Wien mit.
Das Zentrum, in dem der Vatikan einen Beobachterstatus innehat, möchte alle Weltreligionen in sich vereinen: Dem Direktorium gehören Vertreter von Buddhismus, Christentum, Hinduismus, Islam und Judentum an. Dennoch werfen Kritiker dem KAICIID vor, sich von Saudi Arabien manipulieren zu lassen.
Umstrittenes Zentrum
Dass sich das von Saudi Arabien mitgegründete Zentrum nun zum Fall Khashoggi äußert, wirkt auf den ersten Blick paradox: Es sollen nämlich gerade Agenten des saudischen Thronfolgers und Regenten gewesen sein, die den regimekritischen Journalisten Khashoggi in Istanbul brutal getötet haben. Während die Versionen zum Tod von Khashoggi von einem "Tod durch Kampf im Affekt" bis zu einem "gezielten und grausamen Mord" reichen, rückt die Frage nach der Rolle von Thronprinz bin Salman immer mehr in den Vordergrund. Es gilt als wahrscheinlich, dass er zumindest davon gewusst habe – wenn nicht sogar mehr.
Die Organisation, die nach dem ehemaligen König und Premierminister Saudi Arabiens benannt ist, wünscht sich Aufklärung in diesem mutmaßlichen Mordfall, für den aber gerade ihr vermutlich größter Geldgeber – der saudische Staat – verantwortlich gemacht wird. Diese Forderung ist für Kritiker wohl genauso unglaubwürdig, wie das Zentrum selbst.
Im Jahr 2012 von Saudi Arabien, Österreich und Spanien gegründet, hat sich das KAICIID dem interkulturellen und interreligiösen Dialog weltweit verschrieben. Ein Vorhaben, das auch der Vatikan goutiert. Der Heilige Stuhl ist beobachtendes Gründungsmitglied und unterstützt das Zentrum ideell.
Außenstelle saudischen Wahhabismus?
Nach eigenen Angaben will die Organisation auch dem Missbrauch von Religion als Mittel für Unterdrückung und Gewalt entgegentreten. Vor allem Menschenrechtler nehmen dem KAICIID ein so hehres Ziel aber nicht ab: Immer wieder wird das Zentrum als Einfallstor für radikale Islamisten oder als Außenstelle des saudischen Wahhabismus in Europa kritisiert.
Ein Grund dafür ist auch, dass die Abläufe und Strukturen der Organisation nicht besonders transparent sein können: Denn das KAICIID und dessen Mitarbeiter genießen aufgrund des Gründungsvertrages und angesichts des Sitzes in Wien Privilegien fast wie eine Botschaft: So muss das KAICIID keine Steuern zahlen und unterliegt bis auf wenige Ausnahmen nicht der österreichischen Gerichtsbarkeit. Hausdurchsuchungen am Sitz des KAICIID dürfen zudem nur nach erklärtem Einverständnis des KAICIID erfolgen. All das, werfen Kritiker vor, begünstige zum Beispiel Verschleierung.
"Das ist nicht jeden Freitag!"
Schon die Eröffnungsfeier in Wien wurde vom Protest von Politikern und Menschenrechtlern überschattet. Es sei unglaubwürdig, dass sich Saudi Arabien im KAICIID für Menschenrechte und Religionsfreiheit einsetzen wolle, während es in dem Wüstenstaat verboten ist, Bibel, Kreuze oder andere nicht-islamisch-sunnitische Güter einzuführen.
Das Zentrum war zuletzt international in die Schlagzeilen geraten, als deren stellvertretende Generalsekretärin in einem Interview öffentliche Hinrichtungen in Saudi Arabien verharmlost darstellte. "Das ist nicht jeden Freitag", sagte Claudia Bandion-Ortner, die wenige Monate später von ihrem Posten zurücktrat. Österreich kürte ihre Aussage zum Un-Spruch des Jahres 2014.
Der Fall Khashoggi
Saudi-Arabien hatte am Samstag nach massivem internationalen Druck mitgeteilt, dass der regimekritische Journalist Anfang Oktober im saudischen Konsulat in Istanbul unter noch ungeklärten Umständen ums Leben gekommen sei. In saudischen Staatsmedien ist von einer Schlägerei mit mehreren Beteiligten die Rede.
Daran gibt es indes große Zweifel. Wie türkische Medien unter Berufung auf Sicherheitskreise seit Tagen berichten, sei der Journalist brutal von einem eigens für ihn angereisten Killerkommando ermordet und zerstückelt worden.