Islamische Theologin sieht keine Grundlage für Kopftuchzwang

"In jedem Fall freiwillig"

Die islamische Theologin Hamideh Mohagheghi sieht einen staatlich verordneten Kopftuchzwang wie im Iran in erster Linie als Mittel der Regierenden, um Macht auszuüben und zu festigen. Theologische Grundlagen gebe es hingegen keine.

Junge Frau mit Kopftuch / © Tero Vesalainen (shutterstock)
Junge Frau mit Kopftuch / © Tero Vesalainen ( shutterstock )

"Das kennen wir ja aus der Geschichte, dass die Religion zum Erhalt von Macht leider sehr oft missbraucht wird", sagte Mohagheghi dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit Blick auf die aktuellen Proteste von Frauen im Iran. Das Tragen eines Kopftuchs müsse für Frauen im Islam freiwillig sein. Deshalb sehe sie die Proteste im Iran mit Sympathie und solidarisiere sich mit ihnen.

Jede Frau muss selbst entscheiden können

Mohagheghi, die aus der iranischen Hauptstadt Teheran stammt und seit 1977 in Deutschland lebt, lehrt islamische Theologie an der Universität Paderborn. Zudem ist sie Sprecherin des Rates der Religionen in ihrer Wahlheimat Hannover. "Keine weltliche Instanz darf vorschreiben, wie Frauen sich zu kleiden haben", betonte die Theologin, die selbst ein Kopftuch trägt. "Das bleibt eine Verantwortung, die jede einzelne Frau für sich trägt, zwischen ihr und ihrem Gott. Niemand anders darf dazu etwas sagen."  

Hamideh Mohagheghi / © Barbara Mayrhofer (KNA)
Hamideh Mohagheghi / © Barbara Mayrhofer ( KNA )

Theologisch gesehen gebe es keine Grundlagen für einen staatlichen Kopftuchzwang, sagte Mohagheghi, die auch Juristin und Religionswissenschaftlerin ist. "Es gibt im Koran nur drei Stellen, die zur Bekleidung etwas sagen. Und aus keiner dieser drei Stellen geht hervor, dass es ein Gebot ist. Es ist eine Empfehlung und in jedem Fall freiwillig."

Ideelle Unterstützung aus Deutschland

Sie hoffe, dass durch die Proteste der Frauen im Iran eine Bewegung zustande komme und dass die Machthaber in der islamischen Republik darüber nachdächten, dass sich diese Art von religiöser Pflicht nicht per Gesetz festhalten lasse.  Gleichzeitig wisse sie, "dass wir von außen nicht viel Einfluss darauf haben", sagte Mohagheghi. "Außer dass wir klar und deutlich sagen: Das ist sehr gut, was sie da machen."

Menschen in Deutschland könnten die Frauen im Iran vor allem ideell unterstützen. "Aber direkt einzuwirken, ist nicht möglich und sollte auch nicht möglich sein." Solche Bewegungen müssten sich in jedem Land im Rahmen ihrer Möglichkeiten entwickeln. "Das sollten wir deshalb denen überlassen, die im Land leben", betonte sie.

Seit dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini demonstrieren zahlreiche Frauen im Iran gegen den staatlich verordneten Zwang zum Tragen eines Kopftuchs. Amini war von der Sittenpolizei in Teheran festgenommen worden, weil sie ihr Kopftuch in der Öffentlichkeit nicht korrekt getragen habe.

Hintergrund: Kopftuch

Das Kopftuch von Musliminnen gehört zu den meistdiskutierten Symbolen islamischen Glaubens. Für die einen ist es Zeichen der Unterdrückung der Frau im Islam, für die anderen Ausdruck der Religionsfreiheit und der weiblichen Selbstbestimmung. Hinter der Bezeichnung "Kopftuch" verbergen sich unterschiedliche Formen von Überwürfen. Der "Dschilbab" ähnelt am ehesten dem europäischen Kopftuch; er wird als Überwurf über Kopf, Schultern und Brust getragen. Der "Nikab" ist ein Gesichtstuch mit einem Schlitz für die Augen. Je nach Bedarf kann die Frau allerdings auch die Augen bedecken.

Frau mit Kopftuch / © Harald Oppitz (KNA)
Frau mit Kopftuch / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
epd
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