DOMRADIO.DE: Aktuell bekommen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland Bürgergeld. Ob das so bleiben soll, darüber diskutiert die Politik gerade. Jetzt schlägt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt vor, ukrainische Frauen und Männer, die keine Arbeit aufnehmen, in "sichere Gebiete" in der Ukraine auszuweisen. Wie sehen Sie das?
Pater Claus Pfuff SJ (Leiter Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland / JRS): Ich weiß nicht, was Herr Dobrindt sich unter "sicheren Gebieten" vorstellt. Wer über das Kriegsgeschehen in der Ukraine nur halbwegs informiert ist, weiß, dass es dort keine sicheren Gebiete gibt. Die Drohnenangriffe und Bomben bedrohen die ganze Ukraine.
Unterdessen sind die Gründe, weshalb in wenigen Einzelfällen ukrainische Flüchtlinge in Deutschland keine Arbeit aufnehmen, nach unseren Erfahrungen sehr vielfältig. Ich denke, eine Art Zwangsarbeit durch Abschiebungsandrohung kann keinesfalls eine Antwort auf die Notlage der Menschen aus der Ukraine sein.
DOMRADIO.DE: Was als schnelle Hilfe für Kriegsflüchtlinge gedacht war, entwickele sich nun zur Arbeitsbremse, argumentiert Dobrindt. Die Integration geflüchteter Ukrainerinnen und Ukrainer in den deutschen Arbeitsmarkt sei im europäischen Vergleich niedrig. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?
Pfuff: Meiner Meinung nach haben die Hürden bei der Integration in den Arbeitsmarkt nichts mit der Motivation der Menschen aus der Ukraine zu tun. Im Gegenteil. Die Menschen, die zu uns in die Beratung kommen, wollen arbeiten, sie wollen selbstständig sein, sie wollen ihr Geld verdienen. Aber oftmals sind die fehlenden Sprachkenntnisse oder die Frage nach der Anerkennung ihrer Qualifikationen eine große Hürde.
Manchmal werden Sprachanforderungen gestellt, die in anderen europäischen Ländern so nicht erforderlich sind. Das macht es natürlich für viele Ukrainerinnen und Ukrainer schwierig, einen geeigneten, ihrem Ausbildungsniveau entsprechenden Arbeitsplatz zu finden.
DOMRADIO.DE: In Reaktion auf Dobrindts Vorstoß haben einige diesen als zu drastisch abgelehnt, gleichzeitig aber mehr Arbeitsanreize für Ukrainer und Ukrainer in Deutschland gefordert. Was für Anreize könnten das überhaupt sein?
Pfuff: Unserer Erfahrung nach wäre es hilfreicher, bürokratische Hindernisse etwa im Zusammenhang mit der Anerkennung von Zeugnissen oder Ausbildungsqualifikationen abzubauen. Das würde viel mehr bringen als irgendwelche anderen Anreize.
DOMRADIO.DE: Müsste denn in Ihren Augen grundsätzlich etwas an der Praxis geändert werden, Ukrainerinnen und Ukrainern Bürgergeld auszuzahlen?
Pfuff: Bürgergeld ist ja die Sicherung des Existenzminimums, kein Luxus. Deshalb ist es richtig, dass Menschen aus der Ukraine, die ebenso hilfsbedürftig sind wie andere hilfsbedürftige Menschen hierzulande, in unserem Land Bürgergeld bekommen. Ich halte das für wichtig.
DOMRADIO.DE: Von Anfang an kam die Kritik, durch diese Bürgergeld-Lösung für Ukrainerinnen und Ukraine gäbe es nun Geflüchtete erster und zweiter Klasse in Deutschland. Ist das in Ihren Augen ein Problem, womöglich ein Argument gegen das Bürgergeld für Geflüchtete aus der Ukraine?
Pfuff: Im Gegenteil würde ich sagen, das Existenzminimum aller Menschen muss gesichert werden, egal ob sie aus der Ukraine kommen, aus anderen Ländern oder aus Deutschland. Deshalb sollte nicht das Bürgergeld für Menschen aus der Ukraine abgeschafft werden, sondern das unsägliche Asylbewerberleistungsgesetz, das letztlich nicht weiterhilft.
Das Interview führt Hilde Regeniter.