domradio.de: Jesus sagt uns in der Bibel "Ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich nicht aufgenommen. Was ihr dem geringsten meiner Brüder tut, tut ihr auch mir". Kann man solch eine Abschottungspolitik, wie sie Trump gerade ausübt, aus christlicher Sicht rechtfertigen?
Prof. Godehard Brüntrup SJ (Jesuitenpater und USA-Kenner): Trumps Abschottungspolitik ist christlich nicht zu rechtfertigen. Sie ist ein Geschenk an die Wählerschaft. Das ist effekthascherisch. Auch nach politischem Sachverstand bringt das nichts. Im Kampf gegen den Terror braucht man eine gute Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern der muslimischen Länder. Es braucht die Hilfe von Menschen im Irak und Iran, um gegen den Terror zu kämpfen. Trumps Politik ist ein Schnellschuss, der in eine gefährliche Situation führt.
domradio.de: Sowohl die Mauer als auch der Einreisestopp sollten eigentlich nicht überraschen. Denn das waren schon Trumps Wahlversprechen im Vornherein.
Pater Brüntrup SJ: Trump ist ein ungeduldiger Mensch. Er ist ein Businessman, der sofort Resultate sehen will. Alles, was er sich vorgenommen hat, versucht er auch durchzusetzen. Ich sehe die eigentlich Gefahr darin, dass er sich dabei nicht wie ein Staatsmann einer Demokratie verhält, sondern wie ein kleiner Monarch. Ein Bundesrichter in New York hat Teile des Einwanderungserlasses wieder aufgehoben. Daran müsste sich Trump halten, denn auch in den USA ist die Regierung von der Justiz in Gewaltenteilung getrennt. Trump setzt sich jedoch darüber hinweg. Wenn die grundlegende demokratische Gewaltenteilung in Frage gestellt wird, wird das gefährlich.
domradio.de: Auch auf der internationalen Ebene sorgt Trump für Aufregung. Auf der einen Seite debattiert der Irak gerade über einen Einreisestopp für US-Bürger, auf der anderen Seite gibt es diplomatische Spannungen mit China. Als Laie bekommt man den Eindruck, die Welt sei seit Trumps Einführung letzter Woche gefährlicher geworden. Ist das tatsächlich so?
Pater Brüntrup SJ: Ich weiß nicht, ob wir durch diese Sache jetzt Kriegsangst haben sollten. Es ist jedoch ein gefährlicher Kurs, der eingeschlagen worden ist. Ein Kurs, der die stabilste und eine der ältesten Demokratien der Welt in ihren verfassungsrechtlichen Grundfesten erschüttert. Wenn das so weiter geht, haben wir einen Grund zur Sorge. Noch habe ich jedoch viel Vertrauen in die USA, dass sie als alte, erfahrene Demokratie auch Gegenkräfte mobilisieren können.
domradio.de: Schauen wir auf die Christen im Land. Auf der einen Seite kann man den Einreisestopp nicht rechtfertigen, auf der anderen Seite hat Trump die Mittel für Abtreibungen gekürzt und sich für den "Marsch für das Leben" engagiert. Was bedeutet das für die Christen im Land?
Pater Brüntrup SJ: Natürlich steht die republikanische Partei der traditionell-katholischen Position näher, vor allem wenn es um die hart umkämpfte Abtreibung in den USA geht. Aus der christlichen Perspektive heraus kann gesagt werden, dass von Trump in diesem Bereich erfreuliche Entscheidungen getroffen worden sind. Dennoch überwiegen die beunruhigenden Pläne von ihm.
domradio.de: Meinen Sie, er selbst steht tatsächlich hinter der Abtreibungspolitik? Oder macht er das nur, um seinen Wählern etwas zu geben?
Pater Brüntrup SJ: Ich bin mir nicht sicher, ob Trump wirklich tiefe politische Überzeugungen hat, oder sein Fähnchen nur in den Wind hängt, um vor allem selbst an der Macht zu sein. Es macht ihm Freude an der Macht zu sein und Macht auszuüben. Ich glaube, dass er relativ flexibel ist, seine Meinungen zu ändern – auch in der Abtreibungsfrage, weil ihm das mehr Stimmen bringt.
domradio.de. Wie wird das Ganze weiter gehen?
Pater Brüntrup SJ: Es wird auf jeden Fall spannend. Auch spannend ist, ob er die vierjährige Amtszeit überhaupt übersteht oder ob er nicht vorher seines Amtes enthoben wird. Wenn er sich weiter mit allen anlegt und insbesondere auch mit der eigenen Justiz, wird es zu einem Machtkampf kommen. Es wird spannend. Eine Vorhersage traue ich mir nicht zu. Der Mann ist so schwer vorhersagbar, dass ich nicht weiß, was in zwei Jahren sein wird.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.