Es dürfe keinen Zweifel daran geben, dass Bischöfe beschuldigte Priester unter vier Augen "streng maßregelten – auch wenn sie keine rechtlichen Schritte einleiteten", erklärte der 88-jährige Cordes in einem am Freitag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" veröffentlichten Leserbrief.
Zeitlichen Kontext beachten
Cordes forderte dazu auf, den damaligen zeitlichen Kontext zu beachten: "Es ist irrig und ungerecht, ihre vergangenen Urteile nicht in ihrem damaligen geschichtlichen Umfeld, sondern nach heutigem Wissenstand zu werten."
Die Kirche verstehe sich als "Gemeinschaft von Menschen, die auf das Glauben und Erleben der Verbundenheit all ihrer Mitglieder setzt", wozu auch "ein gegenseitiges Schutzgefühl" gehöre, so der emeritierte Kardinal weiter. "Es leuchtet somit ein, dass Bischöfe schon bei Verdächtigungen von Priestern nicht gleich das öffentliche Gericht angerufen haben; sie durften – auch wenn sie die Täter wegen ihrer großen Sünde diskret sanktionierten – deren Selbstachtung nicht leichtfertig gefährden."
Kritik an medialer Berichterstattung
Gleichzeitig kritisierte Cordes die mediale Berichterstattung über den Missbrauch und dessen Aufarbeitung. Dabei bezieht er sich auf einen Bericht, der vergangene Woche in der Frankfurter Zeitung erschienen war. Darin wurde der Kirche ein "Vertuschungsmuster" vorgeworfen. Vertuschung sei "zum Kampfbegriff geworden gegen den kirchlichen Umgang mit den beschämenden Ärgernissen der Pädophilie", erklärte Cordes, wobei damit seiner Ansicht nach der Vorwurf der Strafvereitlung gemeint ist. "Ein heutiger Besserwisser kann nur geschichts-, kontext- und gedankenlos frühere Hirten der 'Vertuschung' anklagen", schreibt der Kardinal. "Ihre vorgebliche Verurteilung durch 'Vertuschung' ist – trotz allen Mitgefühls für die gequälten Opfer – zu prüfen."