Karfreitag im Zeichen des Ukraine-Kriegs

Aufrufe zum Frieden

Angesichts von Krieg und Gewalt warnten die christlichen Bischöfe in ihren Ansprachen während den Feiern vom Leiden und Sterben Christi vor Resignation. Jesu Tod am Kreuz sei ein Gleichnis für alles Leiden und könne trösten.

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Mit Material aus den Agenturen
Verhülltes Kreuz im Kölner Dom / © Alexander Foxius (DR)
Verhülltes Kreuz im Kölner Dom / © Alexander Foxius ( DR )

Bätzing verurteilt Lüge und Wahrheitsverdrehung durch Machthaber

Lügen und die Unterdrückung von Wahrheit durch Machthaber werden nach den Worten des Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, auf Dauer keinen Erfolg haben. In seiner Ansprache am Karfreitag im Limburger Dom wandte sich Bätzing gegen "dreiste Versuche von Machthabern, sich der Wahrheit zu bemächtigen und sie so zu verdrehen, dass sie ihren Zielen passend erscheint". Zudem verurteilte der Limburger Bischof "die offenkundige Lüge, die uns schier sprachlos macht, weil sie diejenigen niederknüppelt, wegsperrt oder umbringt, die den Mund auftun".

Bischof Georg Bätzing predigt beim Eröffnungsgottesdienst der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz / © Julia Steinbrecht (KNA)
Bischof Georg Bätzing predigt beim Eröffnungsgottesdienst der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Zugleich sagte Bätzing mit Bezug zum Krieg Russlands gegen die Ukraine laut Redemanuskript: "Alle schändlichen Versuche, zu unterdrücken, was wahr ist und zur Freiheit führt, werden auf Dauer keinen Erfolg haben." Wie mutig sei doch die russische TV-Redakteurin Marina Owsjannikowa mit ihrem offenen Protest gegen den Krieg mitten in den russischen Hauptnachrichten gewesen, so Bätzing. Um die Konsequenzen habe sie sicher gewusst. Darum könne sie viele andere zu ähnlichen Zeichen ermutigen. Bätzing: "Mich hat die Situation daran erinnert, wie Jesus vor Pilatus stand und sagte: 'Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege'."

Mit Blick auf das Sterben Jesu Christi am Kreuz sagte Bätzing: "Das Leiden des Sohnes Gottes ruft die Frage nach dem Sinn des Leidens insgesamt auf." Bätzing fügte hinzu: "Die vielen Menschen in unverschuldeter Not oder in bewusst und brutal zugefügtem Leid, sie alle rufen zu aktiver Sympathie auf, die alle Möglichkeiten nutzt, ungerechte Strukturen anzuprangern und politisch auf Veränderung zu drängen."

Die vier Evangelien verschwiegen die Kreuzigung Jesu nicht - "diese schändliche Folterart, die den Verurteilten mit dem Leben zugleich ihre Ehre und das würdigende Andenken rauben sollte", so Bätzing. Die Evangelien stellten die Passion Jesu sogar in vielen Details und Dialogen ausführlich dar und machten sie zu einem Schwerpunkt der christlichen Verkündigung.

Marx ruft zum Einsatz gegen Gewalt auf

Der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx forderte am Karfreitag im Liebfrauendom, dass sich alle christlichen Kirchen mit einer Stimme gegen Gewalt einsetzen müssten. Es sei eine "Perversion", dass im Ukraine-Krieg "getaufte Christen andere Christen umbringen und dafür noch durch Führer der Kirche Unterstützung erfahren". Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill bekundet regelmäßig seine Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin und seine Unterstützung für dessen Kriegskurs gegen die Ukraine.

Dem Bamberger Erzbischof Ludwig Schick zufolge weist der gekreuzigte Jesus auf vor Krieg und Unrecht geflüchtete Menschen hin. In der Ukraine, aber auch im Jemen, in Syrien, im Sudan oder in Afghanistan litten Menschen seit Jahren unter Krieg, Verfolgung und Missachtung der Menschenrechte, sagte Schick im Karfreitagsgottesdienst im Bamberger Dom.

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße forderte ein Ende des Krieges. Den Ukrainern bekundete er seinen Respekt: "Ich halte es für überwältigend, wie das Volk der Ukrainer, das militärisch dem russischen bei weitem unterlegen ist, sich verteidigt und zum Beispiel eine Stadt wie Kiew bisher nicht erobert werden konnte."

Ackermann: Blick auf Jesus lässt auf Menschheit schauen

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann sieht in der Auseinandersetzung mit Jesus am Kreuz auch einen Blick auf die Menschen im Hier und Heute. Daher sei es gut und wichtig, dass an Karfreitag, aber auch an den Ostertagen, in Verkündigung und Öffentlichkeit auch "Menschen in Karfreitagssituationen unserer Zeit vorgestellt werden", sagte er laut Redetext am Karfreitag im Trierer Dom. Dazu gehörten etwa die Menschen, die im Krieg in der Ukraine in den bombardierten Städten unter den Trümmern einen einsamen Tod stürben, oder die "in unserer Zeit über Tage hilflos auf dem Mittelmeer treiben und schließlich ertrinken, ohne dass jemand jemals wieder von ihnen hört".

Bischof Stephan Ackermann im Portrait / © Bistum Trier (Bistum Trier)
Bischof Stephan Ackermann im Portrait / © Bistum Trier ( Bistum Trier )

"Der Blick auf Jesus lässt uns, so meine ich, sogar offener werden für das Leid der Menschen", betonte Ackermann. "Denn er kann uns Mut machen." Zwar sei äußerlich betrachtet nur jemand zu sehen, der ungerecht leide und mit dem Tod ringe. "Doch mit den Augen des Glaubens dürfen wir schon weiter sehen, dürfen wir schon den Sieg des Lebens ahnen." Der Blick auf Jesus am Kreuz sei das Versprechen, dass dies nicht das letzte Bild vom Menschen und das letzte Wort über ihn ist. Der österliche Glaube gebe die Kraft, "nicht auszuweichen, nicht wegzuschauen, sondern auszuhalten". "Denn er gibt eine Perspektive. Er zeigt uns das Licht am Ende des Tunnels", betonte der Theologe.

Ostern ist das älteste und wichtigste Fest der Christenheit. Es erinnert an die Auferstehung Jesu Christi von den Toten nach seinem Leiden und Sterben am Kreuz. Die Geschichten von Jesu Leiden, Tod und Auferstehung werden von allen vier Evangelisten in der Bibel beschrieben. Sie erzählen, wie Jesu Jüngerinnen und Jünger am Ostermorgen das leere Grab entdecken und ihnen dort Engel erscheinen, die Jesu Auferstehung verkünden.

Auch Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck wandte sich gegen eine Vereinnahmung des Christentums für den Krieg. Der russische Präsident Wladimir Putin "nutzt die Religion für seine politischen Zwecke", kritisierte Overbeck.

Der katholische Fuldaer Bischof Michael Gerber rief in seiner Karfreitagshomilie zur Solidarität mit den Kriegsopfern in der Ukraine, im Jemen und an vielen anderen Orten der Erde auf. Die Rechtfertigungen und Dementis der Aggressoren seien durchschaubar und rücksichtslos, sagte der Bischof im Hohen Dom zu Fulda. Der Kreuzweg Jesu lasse es nicht zu, solche Aussagen zu akzeptieren. "Der Tod hat nicht das letzte Wort. Am Ende siegen nicht die Skrupellosen. Ihre Manöver werden entlarvt."

Der Münsteraner Bischof Felix Genn verwies auf "zerstörte Städte, weinende Menschen, blutende, tief verletzte Frauen und Männer, Kinder, zerbombte Säuglingsstationen". Das Schreckliche, das die Menschen in der Ukraine erleben, werde aber "keine Zukunft haben", denn die Botschaft des Karfreitags wolle "all das, was an Furchtbarem geschieht, mit einer Hoffnung umfangen". Grund der Hoffnung sei Jesus Christus.

Bischof Jung: Kirche muss sich eigener Schuldgeschichte stellen

Die Kirche muss sich nach den Worten des Würzburger Bischofs Franz Jung ihrer eigenen Schuldgeschichte stellen, um den Karfreitag feiern zu können. Oft sei Beschämung als Form der Disziplinierung und der Einschärfung von Normen üblich gewesen, sagte Jung in seiner Ansprache zu Karfreitag. "Menschen wurden bloßgestellt wegen konfessionsverbindender Ehen. Uneheliche Kinder wurden als minderwertig betrachtet und herabwürdigend behandelt." Auch die sexuelle Orientierung von Menschen sei zum Anlass von Ausgrenzung worden, genauso wie Frauen Demütigungen erfahren hätten.

Bischof Jung (DR)
Bischof Jung / ( DR )

"Der Missbrauchsskandal schließlich konfrontiert uns in unerträglicher Weise mit dem Gefühl der Scham und des Beschämt-Werdens", so der Bischof weiter. Aus Berichten von Betroffenen wisse er, wie sie sich durch die Übergriffe im Innersten beschmutzt und beschämt fühlten. Es fiele ihnen schwer, überhaupt darüber mit jemanden zu reden, auch mit Vertretern der Kirche. "Denn sie schämen sich ihrer Scham." Für nicht wenige Betroffene habe dieses übermächtige Gefühl in Sucht, inneren Rückzug und Depression geführt, "aus dem Wunsch heraus, der eigenen existenziellen Beschämung zu entkommen und den Missbrauch irgendwie zu überleben."

Kritik übte Jung auch am Umgang der Menschen untereinander in sozialen Netzwerken. "In denkbar einfacher Weise, teilweise sogar im Schutz der Anonymität, werden Menschen ihrer Würde beraubt: die echten oder vermeintlichen Umweltsünder, diejenigen, die zu viel Fleisch konsumieren, die zu große Autos fahren, die zu viele Flugmeilen haben, die eine abweichende politische Meinung vertreten oder deren Body-Mass-Index nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht."

Die Grenze zwischen einer angezeigten sachlichen Diskussion und dem Angriff auf die Person werde dabei schnell überschritten. Soziale Netzwerke seien kaum zur Differenzierung geeignet. Sie lüden zu pauschalen Verurteilungen geradezu ein. "Wenn die Kommentarfunktion dann nur noch 'Daumen hoch' oder 'Daumen runter' kennt, dann erinnert das in erschreckender Weise an das Votum des Kaisers am Ende des Gladiatorenkampfs. Das Leben wird zur Arena, in der es nur noch darum geht, dem drohenden sozialen Tod zu entkommen."

Berliner Christen auf Karfreitagsprozession zum Thema Einsamkeit

Eine Demonstration des Glaubens hinter einem großen Kreuz: Nach zweijähriger Unterbrechung wegen der Corona-Pandemie sind rund 250 Berliner Christinnen und Christen wieder in einer Karfreitagsprozession durch das Zentrum der Hauptstadt gezogen. Unter ihnen waren der katholische Erzbischof Heiner Koch, der griechisch-orthodoxe Bischof Emmanuel von Christoupolis sowie die Pröpstin Christina-Maria Bammel und die eneralsuperintendentin
Ulrike Trautwein von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Der evangelische Landesbischof Christian Stäblein hatte wegen einer Corona-Infektion abgesagt.

In diesem Jahr stand die Prozession unter dem Thema Einsamkeit. An vier Stationen - vor der Sankt-Marien-Kirche beim Alexanderplatz, vor dem Berliner Dom, vor der Neuen Wache und vor der Sankt-Hedwigs-Kathedrale - trug der Psychiater und Einsamkeitsforscher Mazda Adli Texte dazu vor. In Fürbitten wurde auch der Opfer des Krieges in der Ukraine gedacht.

"Einsamkeit hat viele Gesichter", erklärte Adli und betonte, dass jeder fünfte Mensch in Deutschland alleine lebe. Notwendig seien Orte, an denen sich Menschen treffen könnten und wo es soziale Unterstützungsangebote gebe. Als Beispiel nannte er unter anderem geöffnete Kirchen. Der Superintendent des Kirchenkreises Berlin-Stadtmitte, Berthold Höcker, erklärte zur Begründung der Wahl dieses Themas, dass die Pandemie das Problem der Einsamkeit deutlich gemacht und noch verstärkt habe.

Bedford-Strohm feiert Karfreitagsgottesdienst in Utting

Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm hat am Karfreitag Utting am Ammersee besucht, wo im vergangenen Sommer die evangelische Christuskirche abgebrannt ist. Dass er nun mit der Gemeinde Gottesdienst feiern dürfe, "ist für mich sehr berührend", sagte Bedford-Strohm in seiner Rede zu Karfreitag an dem Ort, wo einst die markante Holzkirche stand. Dass die Kirche abgebrannt ist, habe ihm damals einen Stich ins Herz versetzt.

Heinrich Bedford-Strohm / © Jens Schulze (epd)
Heinrich Bedford-Strohm / © Jens Schulze ( epd )

Die Seelen seien momentan aber nicht nur verwundet durch den Verlust einer Kirche, sondern auch durch Krankheit und Krieg. Allein in Deutschland seien 133.000 Menschen an den Folgen ihrer Corona-Infektion gestorben, weltweit mehr als sechs Millionen. Und jetzt noch "dieser schreckliche Krieg, dieser unselige Krieg, dieser verbrecherische Krieg", sagte Bedford-Strohm mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Die Frage "Wo ist denn euer Gott?" werde immer lauter, da religiöse Traditionen immer mehr unter Rechtfertigungsdruck gerieten, sagte Bedford-Strohm. "Will er das Virus nicht wegblasen oder kann er es nicht? Kann er die Bomben nicht unschädlich machen oder will er es nicht?" Diese Frage sei berechtigt, man könne wirklich ins Zweifeln kommen, wenn so viel Leid da sei und Gott einfach verschwunden scheine.

"Aber es wird weitergehen", sagte der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zur Uttinger Kirchengemeinde. Die Wiese sei noch leer, die Kirche fehle. Aber es gebe Pläne für eine neue. Die Unterstützung in Utting für die Kirchengemeinde sei groß - "sie erfahren so viel ökumenische Freundschaft in diesen schweren Zeiten". Die Christuskirche war Ende August 2021 bei einem Brand komplett zerstört worden. Pfarrer Jochen Eberhardt hofft, dass es spätestens im kommenden Jahr mit dem Neubau losgehen kann.

Bereits am Gründonnerstag hatte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, betont, das Osterfest trotze Krieg und Gewalt. Die Auferstehung Jesu stehe den "dumpfen Parolen des Angriffskriegs" in der Ukraine entgegen. "Ich glaube an die Auferstehung aus dem Tod, an das Ende von Gewalt und Krieg", erklärte die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen. "Und ich wünsche mir, dass es viele sind und dass es mehr werden, die das mit mir zusammen glauben."

Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister erklärte: "Es ist nicht auszuhalten, was uns in diesen Tagen und Wochen an Finsterem und Bösem erfasst." Karfreitag sei ein Tränentag, "und diese Welt ist zum Heulen", sagte der evangelische Theologe in einem Gottesdienst in der Stiftskirche des Klosters Loccum bei Hannover. Nach vielen Jahrzehnten liege ein Krieg in Europa über diesem Tag, sagte Meister laut Redemanuskript. Der russische Machthaber Wladimir Putin sei ein "brutaler, blindwütiger Diktator".

Prozessionen und volle Kirchen an Karfreitag auf den Philippinen

Blutige Selbstgeißelungen, erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie wieder Kreuzwegprozessionen und volle Kirchen haben den Karfreitag auf den überwiegend katholischen Philippinen geprägt. Die traditionelle Nachstellung der Kreuzigung Christi in dem Ort San Pedro Cutud nördlich von Manila war jedoch auch in diesem Jahr aufgrund der Pandemie untersagt, wie philippinische Medien berichteten. Traditionell lassen sich dort am Karfreitag durchschnittlich ein Dutzend Katholiken zum Bekenntnis ihres Glaubens mit Nägeln an Kreuze schlagen.

Angesichts eines deutlichen Rückgangs der Covid-19-Infektionen und einer steigenden Impfquote haben die Philippinen die meisten Corona-Beschränkungen aufgehoben. Das Gesundheitsministerium warnte jedoch am Gründonnerstag vor einem neuerlichen Anstieg der Infektionen durch die vielen großen religiösen Veranstaltung in der Karwoche und an Ostern.

Besonders auf der Inselgruppe der Visayas litten auch am Karfreitag Zehntausende Menschen unter den Folgen des Tropensturms Megi, der am vergangenen Sonntag mit hohen Windgeschwindigkeiten und Wolkenbrüchen über die Philippinen hinweggefegt war. Die Zahl der Toten stieg laut offiziellen Angaben auf 180. Mehr als 920.000 Menschen sind laut der Katastrophenschutzbehörde von der Naturkatastrophe betroffen, mehr als 160.000 mussten evakuiert werden. In den betroffenen Regionen hat der erste Tropensturm des Jahres einen großen Teil der Reisernte vernichtet und an Gebäuden und Straßen Schäden in Millionenhöhe verursacht. Das katholische Hilfswerk Caritas Philippinen rief zu Spenden für die Opfer in den besonders stark betroffenen Bistümern Capiz und Maasin auf.

Die Philippinen werden durchschnittlich von 20 Taifunen pro Jahr heimgesucht und gelten als eines der am unmittelbarsten und stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder der Welt.

Quelle:
DR , epd , KNA