Fastnacht oder Karneval war auch schon mal einfacher. Der Hofnarr hatte lange vor den "tollen Tagen" einen verfrühten und leicht verrutschten Auftritt in der öffentlichen Debatte. Und nun, da sich die übrigen Narren anschicken, in den Höhepunkt der fünften Jahreszeit hinein zu schunkeln, gibt es weiteren Gesprächsbedarf, der nicht unbedingt die Stimmung hebt. Aus Spaß wird eben manchmal ernst. So wie die Sache mit dem Anti-AfD-Wagen, der im vergangenen Jahr auf dem Kölner Rosenmontagszug zu sehen war und nun in Mannheim mitfahren sollte.
Anfang des Monats wurde bekannt: Die Stadt Mannheim als Organisatorin des Zugs will eine Woche nach der Bundestagswahl lieber doch auf den Wagen verzichten - aus Gründen der politischen Neutralität. Dergleichen solle in Köln nicht passieren, verspricht der Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, Christoph Kuckelkorn, am Sonntag beim Portal t-online. "Das Festkomitee will sich die Freiheit bewahren, politische und gesellschaftliche Themen kritisch zu kommentieren."
In Köln hängt der Haussegen schief
Doch auch in der Karnevalshochburg am Rhein hängt gerade der Haussegen schief. Wegen eines Persiflagewagens, der den Missbrauch in der katholischen Kirche aufs Korn nehmen will. Der Wagen zeigt einen jungen Messdiener, der vor einem Beichtstuhl steht. Aus diesem reckt sich ein Arm, der ihn mit einem lockenden Finger und den Worten "Jesus liebt dich" hineinbittet.

Für einige Politiker und das Erzbistum Köln hört hier der Spaß auf: In zwei am Wochenende bekanntgewordenen Briefen an Kuckelkorn, fordern die Unterzeichner einen Verzicht auf das Motiv. Dass die Kernaussage der christlichen Botschaft "Jesus liebt Dich" als Überschrift für einen angedeuteten verbrecherischen Kindesmissbrauch benutzt werde, sei geschmacklos. Dem Betrachter werde sogar vermittelt, dass Kindesmissbrauch in dieser Aussage geradezu eine Begründung finde.
Der Wagen bleibt, sagt dagegen eine Sprecherin des Festkomitees auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Bereits zuvor hatte Zugleiter Marc Michelske die Parole ausgegeben: "Nicht die Darstellung des Missbrauchs ist geschmacklos und peinlich, sondern vielmehr der Missbrauch selbst und der Umgang damit."
Finanzielle Herausforderungen
Im närrischen Volk macht sich unterdessen Unbehagen aus anderen Gründen breit. Nach mehreren Anschlägen ist Sicherheit ein immer größeres Thema geworden. Laut einer am Wochenende veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov feiert in der Regel rund jeder fünfte (19 Prozent) in Deutschland Karneval, Fasching oder Fastnacht. Davon erklärte nun aber fast ein Viertel, aus Sorge vor Anschlägen oder Angriffen in diesem Jahr auf den Straßenkarneval verzichten zu wollen.

Die Veranstalter stehen vor finanziellen Herausforderungen. "Es gibt stets neue Auflagen für die Sicherheit des Zuges, was die Kosten enorm treibt", so Festkomitee-Präsident Kuckelkorn mit Blick auf den großen Rosenmontagszug in Köln.
Kein Einzelfall: Im ganzen Land sind rund 3.500 Umzüge geplant, wie die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf den Dachverband Bund Deutscher Karneval vorrechnet.
Marburg zieht die Notbremse
Im hessischen Marburg zog der dortige Festausschuss die Notbremse und kündigte an, auf den Karnevalsumzug zu verzichten. "Die Anforderungen sind der blanke Wahnsinn geworden", zitierte die Zeitung Festausschuss-Präsident Lars Küllmer. Bereits zuvor hatte die Stadt Aschaffenburg ihren Fastnachtszug abgesagt. Dort war vor gut vier Wochen eine Kita-Gruppe von einem Messerangreifer attackiert worden. Zwei Menschen starben.

Auch der Münchner Fasching geht nach der Auto-Attacke auf eine Demo am 13. Februar mit zwei Toten und mehr als 50 Verletzten nicht wie gewohnt über die Bühne. Es gibt weder einen Umzug noch den traditionellen "Tanz der Marktweiber" am "Unsinnigen Donnerstag" und am Faschingsdienstag auf dem Viktualienmarkt.
Wegen Sicherheitsbedenken unter anderem ebenfalls abgesagt: der große Faschingsumzug in Thüringens Landeshauptstadt Erfurt sowie der Umzug in Kempten im Allgäu. Für alle anderen gilt: Spätestens am Aschermittwoch ist alles vorbei. Das gilt jedoch leider nur für den Karneval - und nicht für die großen Herausforderungen in Politik und Gesellschaft.