Katholiken bewerten Papstbesuch in Indonesien

"Insgesamt positive Bilanz"

Die bislang längste Auslandsreise hat Papst Franziskus im September auch in das islamische Indonesien geführt. Hier blüht die Kirche. Doch es gibt auch Enttäuschung, und manche Erwartung hat einen Dämpfer erhalten.

Autor/in:
Michael Lenz
Papst Franziskus wird bei seiner Ankunft in der Kathedrale von Jakarta von Gläubigen begrüßt. / © Gregorio Borgia/AP/dpa (dpa)
Papst Franziskus wird bei seiner Ankunft in der Kathedrale von Jakarta von Gläubigen begrüßt. / © Gregorio Borgia/AP/dpa ( dpa )

Augustinus Ivan und Leonardus Bima stammen aus katholischen Familien in Jakarta, beide sind 35 Jahre alt, beide bereiten sich im Seminar St. Johannes Paul II. in ihrer Heimatstadt Jakarta auf den Priesterberuf vor.

Ivan ist ein so genannter Spätberufener. Fast zehn Jahre lang hat er als Bodenpersonal einer arabischen Fluggesellschaft am internationalen Soekarno Hatta Flughafen von Jakarta gearbeitet, hatte eine Freundin. Der Tod beider Elternteile innerhalb von sechs Monaten aber warf ihn aus der Bahn. "Das war ein Tiefpunkt. In der Zeit habe ich aber zu Gott gefunden", fasst er seine Erfahrung seither zusammen.

Hingegen ist Leonardus Bima ein Frühberufener. Seine Eltern gaben ihn mit elf Jahren in ein "Kleines Seminar" auf Bali. "Mit etwa 13 habe ich die Flamme des Heiligen Geistes gespürt", erinnert sich Bima. Er wuchs in Jakarta auf, wurde aber 1999 in Ambon auf den Molukken geboren, in dem Jahr, als eine Welle muslimischer Gewalt gegen Christen begann, die bis 2002 andauerte und bis zu 10.000 Todesopfer forderte. "Ich war ein Jahr alt, als die Eltern nach Jakarta flüchteten", sagt Bima.

Kirche in Indonesien

Bima und Ivan sind zwei von vielen Hundert Seminaristen in Indonesien. Die vollen Priesterseminare könnten ein Indiz für die Behauptung sein, die rund um den Papstbesuch von der Kirche verkündet und durch Medien verbreitet wurde: das mehrheitlich islamische Indonesien sei eines jener Länder in Südostasien, in denen die Zukunft der Kirche liege.

Papst Franziskus unterzeichnet eine Gedenktafel für seinen Besuch  / © Gregorio Borgia (dpa)
Papst Franziskus unterzeichnet eine Gedenktafel für seinen Besuch / © Gregorio Borgia ( dpa )

Die Statistiken geben das für Indonesien allerdings nicht her. "In offiziellen Statistiken sind die Prozentzahlen der Religionen seit Jahren unverändert. Ich vermute aber, dass Erwachsenentaufen, außer von (indonesischen) Chinesen, zurückgegangen sind", sagt der Jesuit Franz Magnis Suseno, Gründer der Philosophischen Hochschule Driyarkara in Jakarta, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Zwar weist der Religionsexperte Andreas Harsono darauf hin, dass die Zahl indonesischer Christen in den vergangenen fünf Jahrzehnten gewachsen sei. Ursache seien die damaligen gesellschaftlichen und politischen Umstände gewesen. "Einigen demografischen Studien zufolge sind die neuen Christen vor allem auf die Gewalt und willkürliche Inhaftierung der Kommunisten zwischen 1965 und 1979 zurückzuführen. Viele dieser kommunistischen Gefangenen und ihre Familien haben sich aus verschiedenen Gründen für das Christentum entschieden, unter anderem wegen der Dienste, die die christlichen Kirchen ihnen in ihrer schwierigsten Zeit leisteten", sagt Harsono.

Angehörige indigener Religionen hatten sich laut Harsono für das Christentum entschieden, um der Verfolgung als "Ungläubige" auf Basis des Blasphemiegesetzes von 1965 zu entgehen. Seitdem aber Anfang der 1980er Jahre der Staat die Existenz der Stammesreligionen langsam zu akzeptieren begann, seien viele zu ihren traditionellen Religionen zurückgekehrt. Offiziell sind in Indonesien bis heute nur Islam, Katholizismus, Protestantismus, Hinduismus und Buddhismus als Religionen anerkannt.

Enttäuschung in Teilen des Landes und bei Frauen

Welche Auswirkungen der Besuch von Papst Franziskus in Jakarta haben wird, muss man abwarten. "Die Diskussion darüber ist im Gange", sagt Michel Chambon. "Die östlichen Teile des Landes – Flores und Papua – sind enttäuscht, dass er nur Jakarta besuchte und nichts direkt über Papua gesagt hat", so der Leiter der "Initiative to Study Asian Catholics" (ISAC) an der Nationalen Universität von Singapur. Ein Großteil der indonesischen Katholiken lebt auf Flores und in Papua.

Papst Franziskus ist in Indonesien eingetroffen.  / © Gregorio Borgia (dpa)
Papst Franziskus ist in Indonesien eingetroffen. / © Gregorio Borgia ( dpa )

Die Papuaner sind seit Jahrzehnten Opfer massiver Menschenrechtsverletzungen durch das indonesische Militär (vgl. KNA-Hintergrund Nr. 35/2024). Die katholische Bischofskonferenz schweigt dazu kontinuierlich. Dem Vernehmen nach wurde dem Papst nahegelegt, die Probleme der Papuaner nicht anzusprechen; ein Erzbischof soll angewiesen worden sein, einen Brief der katholischen Papuaner nicht Franziskus zu übergeben.

Enttäuscht vom Papstbesuch waren auch Frauen, weil das Thema Missbrauch in der indonesischen Kirche nicht angesprochen wurde. "Sicher ist, dass die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen durchaus noch am Anfang steht", sagt Suseno.

Positive Bilanz mit Blick auf den Dialog mit dem Islam 

Dem vielgepriesenen Schub für den Dialog zwischen Christentum und Islam durch Franziskus' Besuch im größten mehrheitlich islamischen Land versetzt Suseno einen leichten Dämpfer. "Dialog mit dem Islam" bedeute in der Praxis, dass man miteinander über die politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Probleme Indonesiens spricht und gemeinsame Positionen sucht. "Das läuft seit etwa 25 Jahren immer besser", meint Suseno.

"Einen Austausch über unseren jeweiligen Glauben gibt es hier, außer auf persönlicher Basis, nicht, und ich würde das auch nicht für aktuell ansehen." Die Gesamtbilanz des Papstbesuches ist für Suseno aber positiv. "Der Besuch war rundum gelungen. Außer ein paar, auch von Muslimen als extrem und hoffnungslos kategorisierten islamischen Stimmen, wurde der Besuch auch von Muslimen freudig angenommen."

Unbeirrt von den Problemen innerhalb der Kirche als von den immer wieder Schlagzeilen machenden Diskriminierungen von Christen freuen sich die beiden Seminaristen Ivan und Bima auf ihr künftiges Leben als Priester. "Ich strebe eine akademische Karriere an. Aber wir sind zu Gehorsam verpflichtet und ich werde sehen, was die Kirche für mich vorsieht", sagt Bima.

Ivan sieht sich als Gemeindepriester mit einem Fokus auf interreligiöses Engagement. "Das ist für Katholiken und Christen in diesem Land wichtig." Beide Männer waren Messdiener bei der Papstmesse am 5. September in Jakartas Gelora Bung Karno Stadion und beide sind sich einig: "Den Papst aus der Nähe zu erleben ist ein Höhepunkt in unserem Leben."

Indonesien

Kirche in Indonesien / © lil-mo (shutterstock)

Wegen seiner Tausenden grünen Inseln wird Indonesien auch als Smaragd des Äquators bezeichnet. Grün soll auch die neue Hauptstadt Nusantara im Dschungel von Borneo werden, etwa 1.300 Kilometer entfernt von der langsam im Meer versinkenden Metropole Jakarta. Eingeweiht wurde das Milliardenprojekt des scheidenden Präsidenten Joko Widodo am Unabhängigkeitstag Mitte August, die Fertigstellung ist für 2045 geplant.

Quelle:
KNA