DOMRADIO.DE: Am Wochenende haben Sie gemeinsam mit Vertretern des Bistums und 100 Haupt- wie Ehrenamtlern den Weg in die Zukunft besprochen. Das in angespannten Zeiten im Erzbistum Köln. Herrscht bezüglich der neuen "Pastoralen Einheiten" im Erzbistum Köln Krisenstimmung oder gab es auch Hoffnungsschimmer? Wie gehen die Gemeinden mit dem Prozess um?
Gregor Stiels (Vorsitzender Katholikenausschuss der Stadt Köln): Erst einmal war für den Stadtdechanten und den Katholikenausschuss klar, dass nach dem Zuschnitt der neuen "Pastoralen Einheiten" eigentlich kein Schlusspunkt ist, sondern der Startpunkt gesetzt wurde. Jetzt geht es erst los und jetzt kommt eigentlich das Wichtige, der Inhalt. Was steckt denn eigentlich in diesen zehn neuen Einheiten drin und wer kann es gestalten?
Wir haben zuerst am Wochenende gefragt, wie gut denn die Teilnehmenden, die dort waren, informiert sind und wir konnten feststellen, dass die das erstaunlich gut waren. Sie haben selbst von sich gesagt, dass sie schon gut bis sehr gut Bescheid wüssten, was gerade los ist. Das hat uns auch ein wenig überrascht.
Wir haben sie auch gefragt, mit welcher Stimmung sie denn heute hier sind. Und da haben wir auf den Karten Worte gelesen wie Fatalismus, Lähmung, Unsicherheit, Frust, Resignation, Angst vor Pseudodemokratie. Man muss sagen, es war Haupt- wie Ehrenamt da, also aus beiden Kategorien ist das die Schlussfolgerung, die die Menschen gerade ziehen.
DOMRADIO.DE: Kirchenvorstände, Menschen in pastoralen Diensten, aber auch Pfarrgemeinderäte und Laien sind zusammengekommen. Ein Stichwort war gerade der Frust. Worauf bezieht sich der genau?
Stiels: Es wurde viel genannt, dass es zum Beispiel keine formale Absicherung gibt. Die Qualifizierung fehlt. Auf einigen Karten stand auch "mehr Wertschätzung", also auch, dass keine Wertschätzung da ist, die gute Kommunikation nicht da ist. Keine Transparenz. Das waren die häufigsten Schlagworte, die genannt worden sind, was zu diesem Frust führt. Und im Übrigen waren auch leitende Pfarrer da, um das nicht zu vergessen.
DOMRADIO.DE: Wie sind Sie mit dem Frust umgegangen und was passiert mit diesen Rückmeldungen in der Zukunft? Kommen die in den höheren Etagen des Erzbistums an?
Stiels: Was schon mal sehr gut war: Wir hatten zwei Akteure aus dem operativen Geschäft da, aus dem Generalvikariat einmal aus der Hauptabteilung für die Entwicklung der pastoralen Einheiten und einmal aus der Diözesanstelle Pastoraler Zukunftsweg. Die waren den ganzen Tag vor Ort und haben erst einmal informiert, aber auch vor allem – und das ist wichtig in Zukunft – auch hingehört. Was beschäftigt denn die Menschen.
Und sie haben geantwortet. Das war schon einmal ein wichtiger Schritt, weil das Hinhören, Antworten, sich auf Augenhöhe begegnen, was uns am Wochenende gelungen ist, und zwar wirklich KV, PGR, leitende Pfarrer, alle sind sich auf Augenhöhe begegnet. Das war ermutigend und das ist auch uns zum Schluss zurückgemeldet worden.
DOMRADIO.DE: In welchen Bereichen nehmen Sie die Fronten eher als besonders verhärtet wahr und wo sehen Sie das Potenzial für Veränderung, vielleicht auch Verbesserung?
Stiels: Das was uns vom Bistum genannt worden ist, dass es nun einen Paradigmenwechsel gibt. Auch das, was in Bergisch Gladbach passiert ist, dass per Proklamandum Entscheidungen verkündet werden, die nicht gut kommuniziert oder gar nicht kommuniziert worden sind.
Da gab es die Antwort auch am Wochenende, da ist man in alte Muster zurückgefallen. Man möchte das anders machen, man möchte die Menschen mitnehmen und dieser Fehler ist korrigiert worden. Das kann Mut machen, das sollte auch Mut machen.
Aber wir müssen auch die Erwartung haben, dass diese Fehler nicht noch einmal wiederholt werden. Wenn das der Paradigmenwechsel ist, dass wir gemeinsam vor Ort gestalten, auf Augenhöhe und auch die Menschen vor Ort, die Charismen nutzen und auch keine Pseudopartizipation stattfindet, sondern eine echte Partizipation, dann sind wir, auf einem guten Weg. Wenn das gelingt.
DOMRADIO.DE: Als ein wichtiger Schritt sollten im Rahmen eines Modellprojekt in Bergisch Gladbach erste Erfahrungen gesammelt werden. Sie haben es schon angesprochen. Das hat offenbar nicht so funktioniert wie geplant. Es gab viel Unmut. Am Wochenende hat der Kardinal dieses Modellprojekt gestoppt. Was sagt dieses Beispiel über den Prozess #Zusammenfinden aus Ihrer Sicht aus?
Stiels: Wir haben uns im Vorfeld große Sorgen gemacht. Als das über die Presse rauskam, dass dort per Proklamandum einfach über die Köpfe vieler hinweg entschieden wurde, haben wir gedacht: Das ist doch eigentlich Wasser auf die Mühlen derer, die gesagt haben: Es hat doch keinen Sinn, die entscheiden ja eh ohne uns und da brauchen wir gar nicht hinzugehen. Und deswegen haben wir es ganz klar angesprochen, auch am Samstag.
Ich hatte ja schon gerade gesagt, die Antwort, die auch gegeben worden ist: Wir wollen das anders machen. Und sie müssen uns auch zugestehen, dass, wenn wir auch für uns in einer Wechselstimmung sind und wenn wir andere Dinge jetzt wollen und alles neu ist, kann es schon mal auch sein, dass man in alte Muster zurückfällt. Und das ist wohl da passiert. Und es soll nicht noch einmal passieren. Es wird jetzt kommuniziert, Entscheidungen sind zurückgenommen worden, und das ist schon einmal ein guter Anfang.
Das Interview führte Katharina Geiger.