Katholische Elternvertreterin bewertet Social-Media-Verbot an Schulen

Herausforderungen und Lösungen für Eltern in der digitalen Welt

In Solingen sollen Fünftklässler ab dem nächsten Schuljahr von sozialen Medien ferngehalten werden. Doch nur Verbote reichen nicht aus, meint Stefani Otte von der Katholischen Elternschaft Deutschlands im Erzbistum Köln.

Autor/in:
Katharina Geiger
Laut einer repräsentativen Befragung des Digitalverbands Bitkom vom Sommer 2024 sind bereits fast drei Viertel (73 Prozent) der Erstklässler online. / © DavideAngelini (shutterstock)
Laut einer repräsentativen Befragung des Digitalverbands Bitkom vom Sommer 2024 sind bereits fast drei Viertel (73 Prozent) der Erstklässler online. / © DavideAngelini ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Dass Schüler und Schülerinnen wissen, wie man mit Inhalten aus dem Internet umgeht, ist doch eigentlich wünschenswert, oder nicht? 

Stefani Otte (Katholische Elternschaft Deutschlands im Erzbistum Köln und im Vorstand der Katholischen Elternschaft in NRW): Ja, sicher. Es ist so, dass die Kinder im Gegensatz zu Erwachsenen "Digital Natives" sind (Anm. d. Red.: Personen, die in einer bereits digitalen Welt aufgewachsen sind). Aber "digital native" bedeutet nicht nur, dass ich weiß, wie ich nach links und rechts wische, sondern dass ich eine Medienkompetenz erlange, um mich sicher im Netz zu bewegen und als Kind vor jugendgefährdenden Inhalten geschützt werde. Darum geht es uns. 

DOMRADIO.DE: An den 42 Schulen in Solingen wird Fünftklässlerinnen und Fünftklässlern soll die Nutzung sozialer Medien nun verboten werden. Bringt ein solches Verbot aus Sicht der Eltern etwas? Ist das das richtige Mittel? 

Otte: Ich gehöre eher zu der Fraktion: Verbote sind immer schwierig. Den Kindern muss ganz klar sein, dass wir als Erwachsene Regeln aufstellen, weil wir sie beschützen wollen und gleichzeitig signalisieren, dass jederzeit, wenn sie etwas Schlimmes im Netz sehen - was bei Instagram und TikTok immer mal passiert - zu uns kommen können, damit wir eine Lösung finden. Wenn wir es als Eltern schaffen, zu einer engen Vertrauensperson zu werden, aber gleichzeitig auch zum Erziehenden, der klare und transparente Regeln aufsetzt, können wir unseren Kindern am besten zur Seite stehen. 

Stefani Otte

"Wir müssen in die digitale Welt unsere Kinder eintauchen, bereit sein, mit ihnen ein Spiel zu spielen, um zu verstehen, was die Faszination dahinter ist."

DOMRADIO.DE: Die vernünftige oder gesunde Seite ist für Kinder nicht immer direkt zu erkennen. Wird das klappen, dass in Schule, Pause, Freizeit und zu Hause soziale Medien verboten werden? 

Otte: Ehrlich gesagt, ich habe daran meine Zweifel. In meiner langjährigen Erfahrung als Schulpflegschaftsvorsitzende erreichen wir mit dieser Herangehensweise nur die Eltern, die bereits auf dem vernünftigen Weg sind. Eltern, die ihre Kinder begleiten wollen, die sich engagieren und viel Zeit investieren, denn das bedeutet es. Wir müssen in die digitale Welt unsere Kinder eintauchen, bereit sein, mit ihnen ein Spiel zu spielen, um zu verstehen, was die Faszination dahinter ist. Warum ist Instagram, TikTok so faszinierend für Kinder? Letztendlich hat sich das nicht geändert. 

Stefani Otte

"Vor 30 Jahren war es der Fernseher, der in den Kinderzimmern Einzug hielt und schon damals gab es großes Diskussionspotenzial zwischen Eltern und Kindern."

Wir müssen auf einer guten Kommunikationsbasis und in Verbindung mit unseren Kindern bleiben. Nur dann schaffen wir es. 

DOMRADIO.DE: Studien in den USA zeigen, dass Kinder und Jugendliche, die soziale Medien exzessiv nutzen, an Depressionen, Angststörungen, schlechteren Leistungen leiden und häufiger gemobbt werden. Was raten Sie Eltern: Wie schafft man diesen Spagat zwischen pädagogischem Nutzen von Digitalisierung und gleichzeitig die Gefahren reduzieren? 

Otte: Kinder müssen geschützt werden - gerade vor den Algorithmen bei TikTok und Instagram. Allerdings habe ich meine Zweifel, dass wir es als Eltern gemeinsam mit der Kommune und der Stadt schaffen, das durchzusetzen. Hier, finde ich, ist die Politik gefragt. Der Staat New York zum Beispiel versucht aufgrund dieser Studien ein Gesetz aufzusetzen, das diese Algorithmen für Kinder unter 16 Jahren ausschaltet. Das heißt, eine strengere Kontrolle der Social-Media-Plattformen durch die Politik ist absolut notwendig. Nur dann können wir unsere Kinder schützen. 

Die meisten Eltern wissen nicht, was Kinder und Jugendliche daheim am Handy machen. Dafür ist wichtig, dass auch Eltern in Medienkompetenz geschult werden. / © aerophoto (shutterstock)
Die meisten Eltern wissen nicht, was Kinder und Jugendliche daheim am Handy machen. Dafür ist wichtig, dass auch Eltern in Medienkompetenz geschult werden. / © aerophoto ( shutterstock )

Wir als Eltern müssen im Gespräch bleiben. Man muss handyfreie Zonen schaffen. Dazu gehört für mich auch die Schule, denn nur wenn ich mein Handy in der Tasche habe - am besten ausgeschaltet - habe ich Zeit und meine Gedanken sind frei, um mich auf dem Schulhof zu bewegen und Gesellschaftsspiele zu spielen. 

Stefani Otte

"Eine strengere Kontrolle der Social-Media-Plattformen durch die Politik ist absolut notwendig. Nur dann können wir unsere Kinder schützen." 

DOMRADIO.DE: Im November bieten Sie ein Elternforum zu dem Thema an: "Für Kinder smart, für Eltern hart". Um was geht es dabei? 

Otte: Es ist für uns Eltern wichtig, dass wir uns fortbilden. Was sind die Gefahren im Internet, gerade auf den Social-Media-Plattformen? Welchen Bildern und gefährlichen Video-Challenges (Anm. d. Red.: Mitmach-Videos) sind unsere Kinder ausgesetzt. Es geht darum, den Eltern Mut zu machen, die Kinder digital zu begleiten und ihnen Werkszeug an die Hand zu geben. Der Vortrag von der Initiative "Schutzraum - Medienkompetenz Internet" soll dazu einen Beitrag leisten. 

Das Interview führte Katharina Geiger.

Social Media/Soziale Medien

Der Begriff Social Media beschreibt Webseiten und Apps, über die Nutzer Inhalte kreieren sowie teilen und sich vernetzen können. Zentrales Merkmal von Social Media ist die Interaktivität. Soziale Interaktion zwischen Nutzern sowie kollaboratives Schreiben prägen den Online-Dialog, die sogenannte Many-to-many-Kommunikation. Nutzer erstellen Inhalte (User Generated Content), über die ein permanenter, zeitlich unbegrenzter Austausch mit anderen stattfindet.

Symbolbild: Jugendlicher mit Handy / © Angelika Warmuth (dpa)
Symbolbild: Jugendlicher mit Handy / © Angelika Warmuth ( dpa )
Quelle:
DR