DOMRADIO.DE: Die geplante Abschiebung eines kurdischen Ehepaars, das die Behörden unangekündigt aus einem Kirchenasyl in Nordrhein-Westfalen geholt hatten, ist abgesagt. Da stellt sich natürlich in diesem Falle die Frage: Gibt es überhaupt ein eigenes Kirchenasyl? Die Polizei konnte das Paar ja aus dem Kirchenasyl herausholen. Wie ist das geregelt?
Dr. Antonius Hamers (Katholisches Büro NRW): Das Kirchenasyl beruht auf der ganz alten Tradition, dass Menschen, die in Not sind, sich in heilige Räume flüchten konnten und dort dann vor staatlicher oder weltlicher Verfolgung gefeit waren. Aus dieser Tradition heraus gibt es dieses Institut des Kirchenasyls, das kein eigenes Rechtsinstitut ist, sondern im Grunde auf einer Vereinbarung zwischen Staat und Kirche beruht. In besonderen Härtefällen können Menschen ins Kirchenasyl genommen werden, die abgeschoben werden sollen. Also Menschen, die auf der Flucht sind, damit den staatlichen Behörden die Möglichkeit eröffnet wird, den Fall noch einmal zu prüfen.
Wenn wir als Kirche den Eindruck haben, es liegt ein ganz besonderer Härtefall vor und im staatlichen Ermessen ist etwas, sei es jetzt vor Gericht oder bei den Behörden, vielleicht noch nicht hundertprozentig ausgelotet worden, dann wollen wir die Möglichkeit schaffen, dass noch mal geguckt werden kann, ob nicht doch aufgrund besonderer Härtegründe die Menschen hier bleiben können beziehungsweise das Asylverfahren noch mal neu geprüft wird.
DOMRADIO.DE: Sie haben es eben gerade gesagt, es gibt Härtefälle und diese Härtefälle werden dann geprüft. Und viele Klöster und Kirchen haben auch schon Menschen aufgenommen. Wie wird das dann geregelt, wenn diese Menschen im Kirchenasyl sind?
Hamers: Das Kirchenasyl muss immer eine Ausnahme sein, weil zunächst einmal natürlich der Rechtsstaat den Vorrang hat. Wir haben ein rechtsstaatliches Verfahren auch im Ausländerrecht und das hat absoluten Vorrang. Das steht völlig außer Frage. Es gibt aber eine Vereinbarung zwischen Staat und Kirche, zwischen dem sogenannten Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den Kirchlichen Büros in Berlin. Die haben diese Vereinbarung getroffen, dass, wenn jemand in ein Kirchenasyl genommen wird, ein sogenanntes Dossier erstellt wird, wo die Gründe noch mal dargelegt werden, warum hier besondere Härtegründe vorliegen.
Dieses Verfahren wird dann beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch einmal geführt. Und es wird auch noch einmal überprüft, ob diese Härtegründe dazu ausreichen, damit ein neues Verfahren in der Bundesrepublik angestrengt werden kann. Wichtig ist, dass das zurückhaltend und wirklich nur in Härtefällen eingesetzt wird. Selbstverständlich ist auch, dass die Kirchengemeinden sich sehr genau mit dem Einzelfall dieses jeweiligen Flüchtlings auseinandersetzen. Es darf nicht zum Regelfall werden.
DOMRADIO.DE: Was ist denn ein Härtefall?
Hamers: Ein Härtefall kann vorhanden sein, wenn Menschen zum Beispiel eine gesundheitlichen Beeinträchtigung haben. Oder wenn sie familiäre Beziehungen hierzulande oder gewisse Integrationsleistungen erbracht haben. Oder wenn jemand eingegliedert oder eingebunden ist in eine Kirchengemeinde. Oder eine berufliche Chance hat, sei es eine Ausbildung oder einen Arbeitsplatz. Wenn so jemand abgeschoben werden soll, dann ist das ja zunächst einmal nicht nachvollziehbar. Dann sollte es eine Möglichkeit geben, noch einmal zu überprüfen, ob das wirklich gut und richtig ist und ob das wirklich gerechtfertigt ist, einen solchen Menschen in ein anderes europäisches Land zu schieben.
DOMRADIO.DE: Kann man denn sagen, dass das Kirchenasyl diesbezüglich immer eine Vorstufe der Nächstenliebe für eine weitere humane Lösung ist?
Hamers: Das soll es im optimalen Fall sein. Wir machen das aus unserem Gebot der Nächstenliebe und aus der besonderen Fürsorge des Christentums für Fremde.
Aber noch mal: Es muss immer im Einklang mit den Gesetzen sein, mit dem Recht, was vorgesehen ist, auch mit dem Ausländerrecht. Es ist aber ein besonderer Ausdruck unserer Nächstenliebe, unserer Sorge für den Fremden, um noch einmal eine rechtsstaatliche Überprüfung zu ermöglichen, ob einer Person die Chance gegeben werden kann, doch hier in der Bundesrepublik zu bleiben.
DOMRADIO.DE: Kommen wir abschließend noch einmal zu diesem kurdischen Ehepaar, das abgeschoben werden sollte. Jetzt wird es doch nicht abgeschoben, weil die Bürgermeisterin der Stadt Viersen intervenierte. Das heißt, da gibt es noch mal eine Pufferzone. Hat das Kirchenasyl diesbezüglich dann doch eine gute Lösung geschaffen?
Hamers: Zumindest ist es offensichtlich so, dass sich dieses kurdische Ehepaar jetzt in der Bundesrepublik noch mal einem neuen Verfahren unterziehen kann. In dieser Weise ist ihnen eine neue Chance gegeben worden, weil noch einmal überprüft werden kann, ob Gründe vorliegen, weswegen sie nicht nach Polen abgeschoben werden, sondern hier in der Bundesrepublik bleiben können. Insofern hat das Kirchenasyl jedenfalls dazu beigetragen, dass es eine erneute Überprüfung geben kann.
Das Interview führte Bernd Knopp.