Katholisches Büro Sachsen wirbt vor Wahl für Demokratie

"Setzt das Gute in den Vordergrund"

Die Leiterin des Katholischen Büros Sachsen, Daniela Pscheida-Überreiter, sieht vor der Landtagswahl die Unentschlossenheit einiger Wähler. Sie mahnt, dass Antworten auf schwierige Fragen nicht immer einfach sein können.

Autor/in:
Tobias Fricke
Wahlplakate an einer Laterne vor der Landtagswahl in Sachsen / © Hendrik Schmidt (dpa)
Wahlplakate an einer Laterne vor der Landtagswahl in Sachsen / © Hendrik Schmidt ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie ist die Lage für Sie beruflich und auch ganz persönlich? Sind Sie froh, wenn der Wahlkampf mit diesem Sonntag beendet ist?

Dr. Daniela Pscheida-Überreiter / © Julia Funke (Bistum Dresden-Meißen)

Dr. Daniela Pscheida-Überreiter (Leiterin des Katholischen Büros Sachsen): Auf der einen Seite ja, weil das gerade eine angespannte Situation ist, je näher der Wahltag rückt. Es ist wie bei all diesen Dingen: Wenn sich der Termin nähert, ist es auch gut, wenn es mal entschieden ist und Klarheit in die Situation hineinkommt. 

Auf der anderen Seite muss man auch klar sagen, dass es darüber hinaus ja weitergeht. Eine Regierungsbildung, eine Koalitionsbildung, all das, was sich danach zurechtruckeln muss, wird hier in unseren Bundesländern nicht minder aufregend und spannend werden.

Daniela Pscheida-Überreiter

"Wir haben in den letzten Wochen und Monaten einen sehr intensiven Wahlkampf erlebt."

DOMRADIO.DE: Werden die Töne denn jetzt zum Ende noch mal richtig schrill?

Pscheida-Überreiter: Richtig schrill würde ich nicht sagen. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten einen sehr intensiven Wahlkampf erlebt. Das meine ich bei den demokratischen Parteien ganz im positiven Sinne. Ich habe viel Engagement erlebt, einen intensiven Kontakt zu den Wählerinnen und Wählern, sehr viel Kreativität in der Ansprache. 

Dresden / © Mistervlad (shutterstock)

Und ich habe vor allem, was mich sehr freut, auch im Bereich der Zivilgesellschaft und der anderen Institutionen sehr viel politisches Interesse und politisches Engagement erlebt. Viele Veranstaltungen haben auch von kirchlicher Seite stattgefunden, finden auch jetzt noch in diesen Tagen statt. Es gibt viele Infomaterialien und Gesprächsangebote. Das heißt, man setzt sich intensiv mit dem auseinander, was jetzt gerade kommt und was zu entscheiden ist. Das ist erst mal ein positives Zeichen.

DOMRADIO.DE: Aber vermutlich hat die Debatte um die Migrationspolitik durch den Messeranschlag von Solingen in NRW auch bei Ihnen in Sachsen noch mal besonders Fahrt aufgenommen, oder?

Pscheida-Überreiter: Die Debatte hat Einzug in den Wahlkampf gehalten, so wie es auch auf bundesdeutscher Ebene verhandelt wird. So ein Ereignis bleibt nie unreflektiert. Und wenn das in eine so angespannte und aufgeladene Situation wie im Vorfeld einer Wahl fällt, dann wird das natürlich noch mal in einer besonderen Weise reflektiert. Ich nehme wahr, dass das insbesondere für die Parteien und Gruppierungen, die sowieso sehr stark mit dem Thema innere Sicherheit und Migration gearbeitet haben, zum Thema geworden ist. 

Daniela Pscheida-Überreiter

"Aber wir müssen schauen, dass wir dadurch nicht inhuman und ungerecht werden in Bezug auf viele Menschen, die hier Schutz suchen."

Für die Partei in Regierungsverantwortung gibt es jetzt auch eine Notwendigkeit, sich irgendwie dazu zu äußern und zu positionieren.

Meine Sorge aus kirchlicher Sicht ist, dass zu wenig differenziert wird. Es ist vollkommen klar, dass dort hingeschaut werden muss, dass dort Lösungen entwickelt werden müssen, dass solche Taten nach Möglichkeit verhindert werden. Aber wir müssen schauen, dass wir dadurch nicht inhuman und ungerecht in Bezug auf viele Menschen werden, die hier Schutz suchen und die überhaupt nicht vorhaben, mit irgendwelchen Messern durch die Gegend zu laufen.

DOMRADIO.DE: Einige Sächsinnen und Sachsen sind noch unentschlossen, wen sie bei der Landtagswahl am Sonntag wählen sollen. Laut Umfragen sollen es knapp 30 Prozent sein. Wie versucht sich die katholische Kirche da einzubringen, um diese Menschen vielleicht auch zu überzeugen?

Pscheida-Überreiter: Wir sind seit Anfang des Jahres mit verschiedenen Botschaften und Initiativen unterwegs und versuchen vor allem zu sagen: Geht wählen! Das ist das Erste. Nutzt dieses Wahlrecht, bringt euch in die Demokratie ein. Wir versuchen, Demokratie zu stärken, den Wert von Demokratie und freiheitlicher Rechtsstaatlichkeit in den Vordergrund zu rücken und deutlich zu machen, warum das auch für uns als Kirche ein ganz wichtiger Wert ist. 

Daniela Pscheida-Überreiter

"Nur weil ein Problem groß zu sein scheint, muss die Lösung nicht möglichst schwerwiegend sein."

Die große Botschaft lautet: "Wenn ihr wählt, holt euch Orientierung aus eurem Glauben, schärft euer Gewissen an dem, was die christlichen Grundbotschaften sind." Es geht immer um Menschenwürde, die Zuwendung zum Nächsten, die Nächstenliebe oder die Solidarität miteinander. Es geht darum, das, was uns verbindet, in den Vordergrund zu stellen. 

Die Botschaft der beiden Bischöfe auf ökumenischer Ebene lautet auch: "Setzt das Gute in den Vordergrund. Guckt mal, was eigentlich gut ist und lasst euch von diesem Gefühl und von dieser Analyse leiten. Und hört nicht so stark auf die Populisten, die natürlich vor allem mit Ängsten arbeiten." 

Es ist, glaube ich, eine wichtige Botschaft, sich auch innerlich Orientierung zu verschaffen und nicht nur auf Reize zu reagieren. Nur weil ein Problem groß zu sein scheint, muss die Lösung nicht möglichst schwerwiegend sein. Das ist gerade bei den Unentschlossenen, sofern sie zu erreichen sind, wichtig zu sagen.

Auf der Suche nach einem Weg sollten sie sich nicht nur blind aufregen, sondern überlegen, wo sie auf lange Sicht hin wollen und vielleicht an ihre Kinder und an Menschen, die ihnen wichtig sind, denken.

Daniela Pscheida-Überreiter

"Das aber Schwarz auf Weiß zu sehen, erschreckt einen natürlich noch mal mehr."

DOMRADIO.DE: Es gab in Sachsen auch eine Probewahl für unter 18-jährige. Die Wahl zählt nicht, aber das Ergebnis zeigt die Richtung an: 34,5 Prozent hätten der AfD die Stimme gegeben. Wie geht es Ihnen damit?

Pscheida-Überreiter: Es gab ja schon Prognosen dazu, dass es sich in die Richtung entwickeln würde. Das aber Schwarz auf Weiß zu sehen, erschreckt einen natürlich noch mal mehr. Aber es ist nicht verwunderlich. 

Wir wissen ja schon länger, dass gerade die AfD oder insgesamt auch extreme Kräfte in den sozialen Medien sehr stark vertreten sind und dort eben auch eine - wenn man das so sagen darf - wirkungsvolle Arbeit machen. Das sehen wir jetzt, das kommt an. 

Wir haben eine Generation, die keine Diktaturerfahrung mehr hat und je nachdem, wo sie wohnen auch gewissermaßen von der Erwachsenenwelt ein stückweit beeinflusst werden. Auch junge Menschen erleben natürlich die verschiedenen Krisen oder die Herausforderungen unserer Zeit, die offenen Fragen, die nicht so einfachen Antworten. Wenn dann ein lustig gemachtes Video daherkommt, was die Welt plötzlich ganz einfach macht, dann spricht das sicherlich viele junge Menschen an. 

In so einem jungen Alter können sie noch nicht unbedingt reflektieren, welche Konsequenzen womöglich damit verbunden sind, weil auch dieser Erfahrungshorizont fehlt. Man könnte "glücklicherweise" sagen, weil sie diese Erfahrung nicht machen mussten. Aber im Sinne einer Reflexionsfähigkeit ist es dann an der Stelle doch problematisch. 

Es gibt einem zu denken und man kann nur hoffen, dass das mit zunehmendem Alter und einer differenzierteren Sicht dann auch besser erkannt werden kann. 36,5 Prozent ist ein hoher Wert. Aber man muss immer auch die andere Seite sehen. Es gibt auch ganz viele Jugendliche, die anders wählen würden. Das darf man nicht vergessen.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Vor der Landtagswahl 2024 in Sachsen

Die AfD hat in Sachsen bei einer simulierten Landtagswahl für Jugendliche mit deutlichem Abstand am besten abgeschnitten. 34,5 Prozent der unter 18-Jährigen gaben der Partei dabei ihre Stimme, wie der Kinder- und Jugendring Sachsen mitteilte.

Mit 16,2 Prozent kam die CDU auf Platz zwei, gefolgt von der Linken (11,8 Prozent). Für die SPD stimmten 8,5 Prozent der Jugendlichen, für die Grünen 5,7 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht erreichte 4,8 Prozent, Die Partei des Satirikers Martin Sonneborn kam auf 4,6 Prozent.

Hinweisschild zu einem Wahllokal / © Matthias Bein (dpa)
Hinweisschild zu einem Wahllokal / © Matthias Bein ( dpa )
Quelle:
DR