DOMRADIO.DE: Was halten Sie vom aktuellen Gebetsanliegen des Papstes?
Ulrike Göken-Huismann (Geistliche Leiterin der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands): Grundsätzlich finde ich es richtig gut, dass der Papst in einem Gebetsanliegen für einen Monat die Frauen in den Mittelpunkt stellt. Im Grunde lädt er die Welt ein, dafür zu beten, dass sich etwas ändert. Das finde ich grundsätzlich gut.
DOMRADIO.DE: Es geht um Frauen, die keinen Zugang zu Schulbildung haben, gegen Genitalverstümmelung und dergleichen. Richtig?
Göken-Huismann: Ich weiß aus anderen Zusammenhängen, zum Beispiel durch mein Engagement beim Weltgebetstag der Frauen, in wie vielen Ländern Frauen immer noch mit der Genitalverstümmelung zu kämpfen haben. Dass der Papst das so deutlich anspricht und sich so für die Belange der Frauen ausspricht, finde ich schon beeindruckend.
DOMRADIO.DE: Die Rechte der Frauen sind in vielen Teilen der Erde eingeschränkt. Was denken Sie, wo herrscht der größte Handlungsbedarf?
Göken-Huismann: Ich glaube, weltweit ist das größte Problem das Thema Gewalt gegen Frauen. Das gilt für alle Länder, auch für uns in Deutschland. Jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch die Gewalt von Männern allein in Deutschland.
Es gibt so viel Gewalt an Mädchen und Frauen weltweit. Das ist für mich das größte Problem. Das verstehe ich dahinter, wenn der Papst sagt, "gibt den Frauen endlich die Würde, die ihnen zusteht. Behandelt sie nicht wie einen Menschen zweiter Klasse."
DOMRADIO.DE: Das heißt, die kfd begrüßt das Gebetsanliegen des Papstes. Viele reden über die Rechte der Frauen, aber wer setzt sich denn aktiv für die Würde der Frauen ein? Wie ist da Ihre Position?
Göken-Huismann: Wenn ich darüber nachdenke, hat diese päpstliche Fürbitte schon auch ein Geschmäckle. Wenn sich der Papst in diesen Dingen zu einer moralischen Instanz erklärt und sagt, dass weltweit etwas nicht in Ordnung ist - dann erwarte ich, dass in seinem eigenen Laden, in der katholischen Kirche, alles in Ordnung ist. Das ist es leider nicht.
Wenn er sagt, die Diskriminierung müsse aufhören - dann sage ich: "Lieber Papst, dann geh doch mit gutem Beispiel voran. Setze doch die wichtigen nächsten Schritte, damit die Diskriminierung in der katholischen Kirche aufhört!"
Wenn ich ein Beispiel nennen darf: Am 13. April feiern im Kloster in Waldbreitbach 13 Frauen ein Abschlussfest. 13 Frauen, die sich mehr als drei Jahre auf das Amt der Diakonin vorbereitet haben, die sich in einem Kurs als Diakonin qualifiziert haben. Der Kurs ist nicht legal von der Kirche.
Die warten eigentlich nur auf die Weihe. Was wäre es für ein Zeichen, wenn der Papst sagt: "Okay, dann fang ich mal an, die Diskriminierung in der katholischen Kirche zu beenden. Diese 13 Frauen dürfen noch dieses Jahr geweiht werden."
DOMRADIO.DE: Der Zugang zu den Ämtern ist das eine. Papst Franziskus will keine Klerikalisierung. Das betont er immer wieder. Wo gibt es weitere Bereiche in der Kirche, in denen Frauen mehr wirken könnten, als das bisher der Fall ist?
Göken-Huismann: Wir in der kfd sind mit dem Thema Predigt unterwegs. Wir haben im Mai den Predigerinnentag, weil es katholischen Frauen offiziell verboten ist, in der Eucharistiefeier die Homilie zu halten. Beim Synodalen Weg haben wir über dieses Thema lange und intensiv gesprochen.
Es wäre schön, wenn diese sogenannte Partikularnorm, die der Synodale Weg für das deutsche Sprachgebiet gefordert hat, bald kommt,damit es Frauen ermöglicht wird, selbstverständlich auch in der Eucharistiefeier die Predigt zu halten. Es gibt viele kleine Dinge, die auf dem Weg zu den großen Ämtern noch getan werden könnten.
DOMRADIO.DE: Das heißt, wenn der Papst in seinem Gebetsanliegen sagt: "Wir wollen die Frauen respektieren. Wir wollen sie in ihrer Würde und ihren Grundrechten respektieren. Wenn wir das nicht tun, wird unsere Gesellschaft keine Fortschritte machen." Dann gilt das aber nicht innerhalb der katholischen Kirche?
Göken-Huismann: Ich glaube, wenn sich in der katholischen Kirche nichts in Sachen Frauenrechte bewegt, dann ziehen noch mehr Frauen aus. Der Frust unter katholischen Frauen ist groß. Meine Sorge ist, dass diese Fürbitte auch wieder nur ein Lippenbekenntnis bleibt. Lippenbekenntnisse brauchen katholische Frauen nicht mehr.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.