Kieler Friedhof bietet Beerdigung durch Verkompostierung an

"Wo sich der Kreislauf des Lebens schließt"

Normalerweise werden Verstorbene in ein Sarg aus Holz gebettet. Oder sie werden verbrannt und in einer Urne bestattet. In Schleswig-Holstein läuft ein Projekt zur "Reerdigung". Da wird der Leichnam des Verstorbenen kompostiert.

Eine Amsel auf einem Grab / © Harald Oppitz (KNA)
Eine Amsel auf einem Grab / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: "Meine Erde" heißt dieses Projekt, bei der die Körper der Verstorbenen kompostiert werden. Wie sind Sie als evangelische Kirche daran beteiligt?

Pröpstin Almut Witt (privat)
Pröpstin Almut Witt / ( privat )

Almut Witt (Pröpstin im evangelischen Kirchenkreis Altholstein): Wir vermieten Räume unseres Parkfriedhofs Eichhof hier in Kiel an die Firma "Meine Erde", die diese "Reerdigung" anbieten. In diesen Räumen stellen sie ihre "Kokons" auf.

DOMRADIO.DE: Was hat es mit diesem Begriff "Kokon" bei diesem Projekt auf sich?

Witt: Dieser "Kokon" ist ein Behältnis, ähnlich wie ein Sarg, in dem ganz viel Gras und andere natürliche Produkte aufbewahrt werden, auf denen der oder die Verstorbene dann gebettet werden.

Die Verstorbenen werden dann mit Heu und Stroh zugedeckt und in diesem "Kokon" 40 Tage mit Frischluft-Zuführung verschlossen. So setzt sich ein Verwesungsprozess in Gang, der dazu führt, dass die Verstorbenen zu Erde werden.

DOMRADIO.DE: Sie finden, dass diese neue Form der Beerdigung, die aus den USA kommt, ethisch vertretbar ist. Warum?

Almut Witt

"Uns hat "Meine Erde" davon überzeugt, dass es eine sehr würdevolle Art der Bestattung ist."

Witt: Uns hat "Meine Erde" davon überzeugt, dass es eine sehr würdevolle Art der Bestattung ist. Die Angehörigen können Abschied nehmen. Der Verstorbene wird 40 Tage lang eingebettet. Dadurch vollzieht sich der Prozess, der sonst in der Erde über Jahre hinweg vollzogen wird, in kurzer Zeit. Das hat uns überzeugt.

Es ist für uns ja auch wichtig, dass das nur ein zusätzliche Form der Bestattung ist, für die die Menschen sich ganz frei entscheiden können.

DOMRADIO.DE: Wie lässt sich denn aus Ihrer Sicht die "Reerdigung" auch theologisch rechtfertigen?

Almut Witt

"In der Theologie nutzen wir bei Bestattungen auch das Bild "Erde zu Erde"."

Witt: Zum einen ist es dadurch zu rechtfertigen, dass wir sehr würdevoll mit den Verstorbenen umgehen und dass wir die Angehörigen durch die Zeit begleiten. Das ist für uns immer ein wichtiger Teil dieses Prozesses.

In der Theologie nutzen wir bei Bestattungen auch das Bild "Erde zu Erde". Das ist natürlich erstmal symbolisch, aber bei der "Reerdigung" wird das dann sehr konkret. Theologisch und schöpfungsgeschichtlich sagen wir, dass wir aus Erde gemacht sind. Auch das ist ein Bild, aber eins, wo sich der Kreislauf des Lebens schließt. Das hat uns sehr überzeugt.

DOMRADIO.DE: Was wissen Sie denn über die Reaktion der Angehörigen bis jetzt?

Witt: Diejenigen, die das miterlebt haben, sind sehr überzeugt davon und haben diesen Prozess als sehr würdevoll erlebt. Ich finde es schön, dass in diesem Zusammenhang überhaupt mal wieder über die Themen Tod, Sterben und darüber, wie ich bestattet werden will, gesprochen wird. Das sind ja immer Tabuthemen in unserer Gesellschaft.

Von daher finde ich es wunderbar, dass diese Themen anhand der "Reerdigung" mal wieder in die Öffentlichkeit gerückt werden, mit aller Aufgeregheit, aber eben auch mit aller Überzeugung, mit der diese Form der Beerdigung die Menschen anspricht.

DOMRADIO.DE: Könnten Sie sich denn so eine Reinigung auch persönlich in Ihrer Familie vorstellen?

Witt: Nachdem ich mich damit immer mehr befasst habe, wäre das für mich durchaus eine Möglichkeit. Ich kann mir das auf jeden Fall besser vorstellen als eine Feuerbestattung. Die war für mich immer eher abschreckend.

Ich merke in Gesprächen mit vielen Menschen, dass sie immer überzeugter von dieser Form der Bestattung sind, je mehr sie sich damit befasst haben.

Das Interview führte Tim Helssen.

Das Stichwort: Friedhofskultur

Die Friedhofskultur in Deutschland ist seit 2020 "immaterielles Kulturerbe". Auf Empfehlung der Deutschen Unesco-Kommission beschloss die Kultusministerkonferenz im März 2020 die Aufnahme in das bundesweite Kulturerbe-Verzeichnis.

Das immaterielle Erbe Friedhofskultur bezieht sich dabei "auf das, was Menschen auf dem Friedhof tun - trauern, erinnern und gedenken" sowie auf das Gestalten, Pflegen und Bewahren. Es sind also nicht die Friedhöfe selbst, die zum Unesco-Welterbe ernannt wurden, das wäre quasi materielles Erbe.

Friedhof im Frühling / © Harald Oppitz (KNA)
Friedhof im Frühling / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR