Zwölf Jahre lang dauerte die Militärdiktatur in Uruguay. Vom Staatsstreich 1973 bis 1985 sollen Schätzungen zufolge 5.000 Diktaturgegner verhaftet worden sein. Rund 380.000 Menschen - fast 14 Prozent der Bevölkerung - wurden damals durch staatliche Repression, Folter und politische Verfolgung ins Exil gezwungen.
Fast 200 Gegner der Junta gelten bis heute als vermisst; nur von knapp zehn Verschwundenen wurden die sterblichen Überreste bislang gefunden und identifiziert. Angesichts der vergleichsweise kleinen Bevölkerung des Landes (damals 3,3 Millionen Einwohner), sind die Dimensionen der politischen Gewalt des Staates gegen die Opposition enorm.
Debatte neu anheizen
Nun rufen gleich zwei Entwicklungen die dunkle Zeit in Erinnerung: Zum einen berichtet die katholische Uruguayische Bischofskonferenz von Aussagen eines ehemaligen Soldaten über den Verbleib von verschwundenen Verhafteten aus der Diktaturzeit. Zum anderen überraschte die ehemalige Guerillera Lucia Topolansky (80) mit der Erklärung, in Prozessen gegen Militärs seien gezielt Falschaussagen gemacht worden mit dem Ziel, deren Verurteilung zu erreichen.
Topolansky ist nicht irgendeine Angehörige der ehemaligen kommunistischen Guerillabewegung der Tupamaros. Sie war Senatorin, Vizepräsidentin und ist zudem seit vielen Jahren Lebensgefährtin und seit 2005 Ehefrau des ehemaligen Präsidenten Jose "Pepe" Mujica. Auch er war in der linken Guerillabewegung aktiv. Beide Aussagen dürften die Debatte über den Umgang mit der Militärdiktatur neu anheizen.
Informationen über geheime Bestattungen
Unmittelbar vor Weihnachten erklärte überdies der Erzbischof von Montevideo, Kardinal Daniel Sturla, der Zeitung "El Pais", dass ein katholischer Priester Angaben über geheime Beerdigungen von Diktaturopfern erhalten habe. Diese stammten von einem ehemaligen Armeeangehörigen, der selbst an diesen Bestattungen teilgenommen habe.
Die Kirche habe die Informationen an die Organisation der "Mütter und Angehörigen der Verhafteten und Verschwundenen" weitergeleitet. Auch die Nationale Menschenrechtsinstitution wisse Bescheid. Allerdings sollen die Angaben nicht sehr präzise sein.
Kirche effiziente Hilfe
Erst im August hatte die Bischofskonferenz des südamerikanischen Landes öffentlich die Bereitschaft bekundet, von jedem Bürger - auch anonym - Informationen entgegenzunehmen, die dabei helfen könnten, mögliche Grabstätten von Diktaturhäftlingen ausfindig zu machen.
Eine direkte Aufforderung an jene, die bei den Gräueltaten dabei waren oder Kenntnisse davon hatten, ihr Gewissen zu erleichtern und bei der Aufklärung zu helfen. Ein Sprecher der Nationalen Menschenrechtsinstitution erklärte, die Bereitschaft der Kirche als Vermittler dieser sensiblen Informationen aufzutreten, entwickele sich zu einer effizienten Hilfe bei der Aufklärung der bislang ungelösten Fälle.
Druck auf Zeugen
Unterdessen sorgen die Vorwürfe von Lucia Topolansky, die aus dem Buch "Los Indomables" (Die Unbeugsamen) von Pablo Cohen stammen, für hitzige und emotionale Reaktionen. Topolansky berichtete, dass es gezielte Falschaussagen von Zeugen in den Prozessen gegen Militärs wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gab.
Diese Verfahren endeten auch auf Basis dieser angeblichen Falschaussagen mit der Verurteilung der Armeeangehörigen. Die Zeugen seien bisweilen auch mit der Drohung unter Druck gesetzt worden, als Verräter gebrandmarkt zu werden, wenn sie nicht die geforderten Aussagen machten.
"Weil wir keine Verräter sind."
Topolansky saß selbst als linke Oppositionelle während der Diktatur im Gefängnis und wurde gefoltert. Nun kritisieren Teile desLinksbündnisses "Frente Amplio", das die jüngsten Präsidentschaftswahlen gewonnen hat, ebenso wie Gewerkschaftsvertreter und Opferverbände die Aussagen scharf.
Die für Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuständige Abteilung der Staatsanwaltschaft wollte Topolansky als Zeugin vorladen. Ein Gericht lehnte das allerdings mit Verweis auf die Zuständigkeiten ab. Bislang hat Topolansky keine konkreten Namen genannt und wolle das auch nicht tun: "Weil wir keine Verräter sind."