DOMRADIO.DE: Sie positionieren sich nicht nur im Vorfeld der Europawahl als katholische Kirchengemeinde ganz eindeutig für Demokratie und Menschenwürde. Warum ist Ihnen das jetzt so wichtig?
Mario Rusack-van Rossum (Katholische Kirche in Köln Bickendorf, Ehrenfeld und Ossendorf und Mitglied der päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice in Deutschland): Aus meiner Sicht ist das grundlegend für unsere Glaubenspraxis und unseren Auftrag als Christen und Christinnen das Evangelium und die damit zusammenhängenden Werte im Alltag zu leben. In der Vorbereitung haben wir festgestellt: Gerade in Zeiten, in denen diese Werte zunehmend herausgefordert werden, ist es aus unserer Sicht wichtig, unbeirrt daran festzuhalten und sie aktiv zu verteidigen. Und dazu gehört auch, an einer demokratischen Wahl teilzunehmen.
DOMRADIO.DE: Deshalb auch Ihr Slogan "Auf dich kommt's an – geh wählen!". Mit diesem Motto haben Sie die Menschen am Wochenende in den Kölner Stadtteilen Bickendorf und Ossendorf zur Europawahl aufgerufen. Wie genau?
Rusack-van Rossum: Erst einmal wurden wir mit einem strahlenden Sonnenschein beschenkt. Es war ein wunderbarer Frühlings-Markttag. Wir haben ein Motto-Banner an der Rochuskapelle angebracht. Wir haben Tische aufgebaut, kostenlose Getränke zur Verfügung gestellt, Raum geschaffen für Begegnung und Dialog. Dann kam der Regionalkantor Wilfried Kaets dazu, der einen Flashmob angeleitet hat. Rund 50 Marktbesucherinnen und -besucher haben daran teilgenommen, es waren auch einige Medienvertreter da. Und wir haben dann gemeinsam Lieder gesungen wie "Die Gedanken sind frei", "Freude schöner Götterfunken". Da gab es auch eine Strophe auf Kölsch, die extra geschrieben wurde! Und als finales Lied natürlich unser Kölsches Lied "Stammbaum". Das war sehr bewegend und wirklich schön.
DOMRADIO.DE: Sie kamen auch ins Gespräch mit den Leuten. Heutzutage sagen ja viele, was kann ich denn als Einzelne oder Einzelner überhaupt bewirken? Was sagen Sie denen oder was haben Sie denen gesagt?
Rusack-van Rossum: Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Solche Gespräche hatten wir. Für uns war es besonders wichtig, dass wir auf Augenhöhe für die Menschen da sind. Wir können die Menschen nicht beeinflussen oder gar zwingen, zur Wahl zu gehen. Wir haben versucht, ihre Sorgen zu verstehen, dass sie nicht wirksam werden zu können. Aber wir haben in den Dialogen immer wieder darauf hingewiesen, dass gerade auch Jesus uns lehrt, dass jeder Einzelne eine große Wirkung hat und jede Einzelne gemeinsam dort Frucht bringen kann. Da auf die Gemeinschaft hinzuweisen, auf die Kraft der Gemeinschaft in Liebe und Mitgefühl, war uns wichtig und diese Botschaft konnten wir dort bringen, auch wenn wir nicht jeden Menschen überzeugen konnten. Aber da zu sein, im Dialog zu sein auf Augenhöhe, das ist uns wichtig.
DOMRADIO.DE: Auf der DBK-Frühjahrsvollversammlung haben die deutschen Bischöfe sich klar zum Thema Rechtsextremismus positioniert: "Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar". Wie gehen Sie mit diesen klaren Worten um?
Rusack-van Rossum: Wir haben gestern Auszüge aus dieser Botschaft in unseren Heiligen Messen verlesen, haben dann auch noch mal die Botschaft an die Gottesdienstteilnehmer verteilt. Ich habe es auch selber vorgelesen und da gibt es gar nicht viel hinzuzufügen. Aus unserer Sicht ist diese Botschaft klar und eindeutig und bezieht Position gegen rechts. Ich denke, es ist wirklich wichtig, dass wir uns in Wort und Tat in allen Bereichen unseres Alltags positionieren und für Werte und Demokratie einstehen. Was aber die deutschen Bischöfe auch sagen: Edomra
s geht nicht darum, Dialoge abzubrechen. Wenn Dialog stattfinden kann, in Respekt und auf Augenhöhe, müssen wir im Dialog mit allen Menschen bleiben und für unsere Herzenswerte einstehen.
DOMRADIO.DE: Vier Wochen sind es noch bis zur Europawahl. Sie haben jetzt ein starkes Zeichen als Gemeinde gesetzt. Was haben Sie noch vor bis zum 9. Juni?
Rusack-van Rossum: Wir sind glücklich, dass wir das jetzt gestemmt haben. Ganz wichtig ist es uns, auch andere zu inspirieren. Das haben wir bereits jetzt geschafft: Andere Kirchengemeinden wollen jetzt mitziehen und haben auch schon große Banner gedruckt. Ab Freitag nächster Woche wird auch St. Barbara in Ehrenfeld ein ganz großes Banner hängen mit der Botschaft "Auf dich kommt's an - geh wählen - 9. Juni 2024". Und auch die Marktkapelle an der Venloer Straße wird dieses Statement verkünden.
Ich habe es gestern gesehen, als wir unser großes Banner aufgehängt haben. Es blieben direkt zwei Jugendliche stehen, haben das fotografiert. Und wenn diese Banner es in die Social-Media-Kanäle schaffen, bei WhatsApp verschickt werden, dann haben wir doch schon viel erreicht. Wir als Kirchengemeinde werden besonders in den nächsten Wochen im Dialog mit den Menschen bleiben, auf die Wahl hinweisen und einen Fokus setzen auf unsere Werte, die wir alle gemeinsam teilen, um ein friedliches Miteinander zu leben.
Das Interview führte Carsten Döpp.