Kirche kritisiert Regierung Mexikos

"Die Realität schreit uns allen ins Gesicht"

Ausufernde Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, Journalisten und Kirchenvertreter hat die Debatte über die Sicherheitslage und den richtigen Umgang damit in Mexiko neu entfacht. Der Präsident ist über die Kritik der Kirche erbost.

Autor/in:
Tobias Käufer
Polizisten in Mexiko City / © Andrea Quintero Olivas (shutterstock)
Polizisten in Mexiko City / © Andrea Quintero Olivas ( shutterstock )

Als Bischof Cristobal Ascencio Garcia aus Apatzingan die Stimme gegen Mexikos Präsidenten erhob, reagierte Andres Manuel Lopez Obrador mit einer kleinen Nachhilfestunde in Kirchenhistorie und Christentum. Manchmal hätten die kirchlichen Würdenträger mehr Sympathie für die Mächtigen, für die Reichen, was dem Gefühl und dem Wesen des Christentums sehr zuwiderlaufe. Jesus Christus habe sich immer für die Armen eingesetzt, ließ "AMLO", wie ihn seine Anhänger rufen, wissen. Außerdem hätten im Laufe der Geschichte die Päpste die Kämpfe des mexikanischen Volkes nicht unterstützt, wie etwa zur Zeit der Unabhängigkeit, der Reformbewegung oder der Revolution. Anders ausgedrückt: Die Kirche habe das Recht auf Kritik verwirkt.

Kirche in Mexiko

Mexiko ist nach Brasilien das größte katholische Land der Welt. Nach Vatikanangaben sind mehr als 90 Prozent der rund 120 Millionen Mexikaner Katholiken. Andere Quellen nennen etwas niedrigere Zahlen.

Unter den spanischen Eroberern erfolgte die Christianisierung der indianischen Urbevölkerung im 16. Jahrhundert oft unter Zwang und mit brutaler Gewalt. Die Methoden wurden von der Inquisition weitgehend gebilligt oder auch angeordnet.

Kathedrale in Mexiko City / © Victor SG (shutterstock)

Grund für den Präsidenten-Rüffel war eine Äußerung des Bischofs zu einer Feier anlässlich des fünften Jahrestages des Wahlsieges von Lopez Obrador vom 1. Juli 2018. "Er hat uns versprochen, dass sein Hauptziel darin besteht, unserem Land Frieden zu bringen", erinnerte Ascencio Garcia den Präsidenten an seine Wahlkampfversprechen und schlug stattdessen einen Tag der nationalen Trauer vor: "Nicht nur für die Gläubigen meiner Diözese, die ihr Leben verloren haben, sondern für so viele unserer Brüder und Schwestern in Mexiko. Feiern Sie einen Tag der Trauer und erkennen Sie an, dass es in unserem Land mehr Gewalt gibt als noch vor fünf Jahren", sagte der Bischof.

Alltagskriminalität und Gewalt allgegenwärtig

Die Kritik konterte AMLO mit einem Verweis auf Hierarchie: "Ich habe immer gesagt, dass wir Papst Franziskus bewundern, weil er für mich unter den Geistlichen, insbesondere in der hohen Hierarchie, der konsequenteste in der katholischen Kirche ist."

Lopez Obradors Nervenkostüm ist auch deshalb so dünn, weil das Thema Alltagskriminalität und Gewalt in Mexiko allgegenwärtig ist. Und dem Präsidenten ist es nachweislich nicht gelungen, sein zentrales Wahlkampfversprechen - mehr Sicherheit im Land - umzusetzen. Nun erinnert die katholische Kirche den Linkspopulisten nahezu wöchentlich daran, wie dramatisch die Lage im Land ist. Und das zum Auftakt des Wahlkampfjahres, an dessen Ende eine Nachfolge von Lopez Obrador gesucht wird. Denn AMLO darf nicht wieder antreten.

Besonders hart dürfte den Präsidenten die Kritik von Altbischof Raul Vera Lopez treffen, der wegen seines Einsatzes für die Menschenrechte über die Grenzen Mexikos bekannt und geschätzt ist und eher dem linken Lager zuzuordnen ist. Lopez Obrador habe sein Versprechen, der Korruption und Straflosigkeit im Land ein Ende zu setzen, nicht gehalten. Infolgedessen gebe es immer noch Gebiete und Regionen, die von der organisierten Kriminalität kontrolliert würden.

Gebiete ohne staatliche Präsenz

Deren Einfluss werde immer größer, so dass sie auch Megaprojekte durchsetzen könne, sagte Vera Lopez am Rande eines Treffens der Preisträger des Nationalen Menschenrechtspreises. Es gebe Gebiete ohne staatliche Präsenz. "Das ist sehr ernst, denn dort leidet die Bevölkerung unter den Folgen der Straffreiheit, mit der das organisierte Verbrechen weiter agiert."

Mexikos Präsident Andres Manuel Lopez Obrador / © Octavio Hoyos (shutterstock)
Mexikos Präsident Andres Manuel Lopez Obrador / © Octavio Hoyos ( shutterstock )

In der Zeitung "Milenio" fasste Pater Gilberto Vergara aus der von der Drogenmafia kontrollierten Provinz Michoacan die Lage in einem Satz zusammen: "Die Realität schreit uns allen ins Gesicht." Der katholische Geistliche fordert wie so viele andere Kirchenvertreter - Kardinäle, Bischöfe,Ordensleute - einen Politikwechsel: "Die Strategie muss neu überdacht werden. Es muss andere Mittel und Wege geben, die Streitkräfte dürfen nicht nur Zuschauer sein. Wir fühlen uns wehrlos."

Derzeit könne die Kirche nichts anderes tun, als ihren Gemeindemitgliedern ein "Zelt in der Mitte des Schlachtfeldes" anzubieten. Das beende den Krieg zwar nicht, dort kümmere man such aber "um die Verwundeten und Gefallenen".

 

Quelle:
KNA