DOMRADIO.DE: Wie feiert man denn eine Fernsehsendung?
Uwe Birnstein (Journalist): Das hatte ich mich auf dem Weg in die Markuskirche auch gefragt. Das ist hier so etwas wie die evangelische Kulturkirche in München.
Ich kam wirklich ins Staunen: Perfekt ausgeleuchtet, und eine illustre Schar von Leuten sammelte sich da. In der ersten Reihe saßen neben dem Bundespräsidenten der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx und die EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs, dann der Münchner evangelische Bischof Christian Kopp und viele weitere.
Im Altarraum, der zur Bühne gemacht wurde, stand Moderatorin Anna Planken, eingekleidet in einem Overall, glitzernd wie eine Discokugel. Es war also sehr illuster, und so was kenne ich gar nicht aus kirchlichen Veranstaltungen. Der Unterhaltungswert war groß, auch durch die vielen Einspieler, in denen Ausschnitte aus dem Wort zum Sonntag aus den 50er Jahren bis heute gezeigt wurden. Es gab viele Lacher und Schmunzler.
Dabei wurde klar, dass das Wort zum Sonntag so etwas wie ein Begleiter der deutschen Zeitgeschichte ist. Es kamen Terroranschläge, Katastrophen, der Bau der Mauer, der Fall der Mauer, die Mondlandung, Papstbesuche. Johannes Paul II und Papst Benedikt durften vor ihren Deutschlandbesuchen jeweils sprechen.
Am Ende war dann auch noch gezeigt worden, wie zu Beginn der Pandemie der damalige EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm und Georg Bätzing nebeneinander mit gebührlich großem Abstand an den Seitenrändern standen und sagten: Das Licht und das Leben werden siegen.
DOMRADIO.DE: Insgesamt gab es eine große ökumenische Eintracht?
Birnstein: Ja, ich glaube schon. Das Wort zum Sonntag ist eines der gelungensten ökumenischen Projekte in Deutschland. Das kann man so sagen. Die Sprecher und Sprecherinnen kommen aus beiden Kirchen. Beide haben prominente Gesichter: Jörg Zink damals auf evangelischer Seite, Schwester Isa Vermehren auf der katholischen Seite. Und diese Gesichter prägen sich ein.
Da ist eben gar nicht die Frage nach Unterschieden, nach Spitzfindigkeiten, die auf theologischen Ebenen diskutiert werden. Sondern hier geht es darum, dass es beiden Kirchen wichtig ist, den Gottesgedanken überhaupt in der Öffentlichkeit wach zu halten. Da ist es dann ganz egal, welcher Konfession jemand angehört.
DOMRADIO.DE: Wir müssen natürlich auch festhalten, dass das Format nicht ganz unumstritten ist. Es gibt Leute, die es für antiquiert und irgendwie aus der Zeit gefallen halten, dass da ein Mensch meist alleine im Studio spricht. Wurde das auch thematisiert gestern Abend?
Birnstein: Zwischen den Zeilen schon. Da ist sich natürlich jeder drüber bewusst und jeder kennt auch diese Persiflage von Otto Waalkes. Es gibt natürlich auch Klischees, die manchmal bedient werden. Aber durch die enorm große, aufwendige Vorbereitung der Sprecher und Sprecherinnen, die das Amt da übernehmen, sind solche "Aussetzer" immer seltener. Es wird klar, dass sich dieses Projekt und dieses Format bewährt haben. Es gucken immer noch 1,2 Millionen Menschen im Durchschnitt.
Man kann sich darüber streiten, ob die jetzt absichtlich gucken. Die wenigsten schalten wahrscheinlich ein, weil die Sendezeit doch etwas variiert. Aber wer nicht wegschaltet, hört dann zu, weil die Menschen, die da sprechen, ganz authentisch sind und man sich klar ist, dass niemand missionieren will. Da möchte jemand nur sagen: Hallo, es geht um Wesentliches in diesem Leben.
DOMRADIO.DE: Wird es in 70 Jahren noch das Wort zum Sonntag geben?
Birnstein: Ich bin mir unsicher. Alleine wegen der Entwicklung der Medien. Die ARD-Programmdirektorin Christine Strobl sagte, sie hoffe, dass es in 70 Jahren wieder eine Jubiläumsveranstaltung gebe. Kurz zum Hintergrund – das ist ein Privileg der Kirchen, das ihnen nach dem Zweiten Weltkrieg eingeräumt wurde, dass sie selber öffentlich-rechtliche Sendezeit füllen können.
Das ist ja keine Redaktion, die das verantwortet, sondern die Kirchen selber füllen das. Die Diskussion ist eröffnet, es gibt immer mehr Stimmen, die die Frage stellen: Sind die Kirchen angesichts der vielen Kirchenaustritte noch so relevant, dass ihnen dieses Privileg eingeräumt wird? Es wird spannend.
Das Interview führte Carsten Döpp.