In der Sakristei des Petersdoms gibt es einen Aushang, über den seit einigen Tagen gerätselt wird. Das Schreiben mit Briefkopf des Staatssekretariates und Datum vom 12. März ist unterzeichnet mit dem Kürzel des Substituten, Erzbischof Edgar Pena Parra.
Demnach sollen ab 22. März Messen im außerordentlichen Ritus nur noch zu bestimmten Zeiten in einer einzigen, aber prominenten Kapelle gefeiert werden. Messfeiern von nur einem Priester, ohne weitere Gläubige, werden ganz untersagt.
Kritik aus konservativen Kreisen
Just diese Anweisung sorgt in konservativen Kreisen für Kritik, zumindest für Verwunderung auch die Form einer bloß internen Mitteilung. Der frühere Präsident des obersten vatikanischen Gerichtshofs, US-Kardinal Raymond Burke, kritisierte die Anweisung.
Sowohl Form wie Inhalt des Dokuments berechtigten "zu tiefster Sorge", schrieb Burke auf seiner Website. Das Staatssekretariat sei überhaupt nicht für Liturgie-Fragen zuständig. Zudem verbiete das Kirchenrecht, Priester zur Konzelebration zu zwingen.
Die Vorgabe, Priester, die morgens im Petersdom die Eucharistie feiern, mögen dies gemeinsam tun, vor allem aber mit weiteren Gläubigen inklusive Lektor und Kantor, entspricht dem Anliegen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). Entsprechende Regelungen, um den gemeinschaftlichen Charakter der Messe zu betonen, gibt es in anderen Papst-Basiliken wie Sankt Paul vor dem Mauern oder Santa Maria Maggiore schon lange.
Allerdings ist der Zeitpunkt der Bekanntmachung im Petersdom ungünstig: Auch wenn während des aktuellen Lockdown in Italien Messbesuche möglich sind, werden nur wenige Gläubige früh morgens in den Petersdom kommen. Schätzungsweise 40 bis 50 Priester, viele von ihnen Vatikan-Mitarbeiter vor Dienstbeginn, pflegen dort zwischen sieben und neun Uhr Messe zu feiern.
Nach Aussagen von Geistlichen, die dort morgens zelebrieren, gab es in den vergangenen Jahren wiederholt eine Reihe vor allem jüngerer Priester, die an Seitenaltären allein und oft die "Alte Messe" zelebrierten. Immerhin ist für Feiern im außerordentlichen Ritus, der von Benedikt XVI. 2007 wieder in größerem Umfang zugelassen wurde, künftig die in unmittelbarer Nähe des Petrusgrabes gelegene Cappella Clementina in den Grotten des Petersdoms reserviert: täglich um 7.00, 7.30, 8.00 und 9.00 Uhr.
Interessante Adressatenliste
Adressiert ist das Schreiben an das Domkapitel und das Liturgieamt in Sankt Peter sowie an den Sonderkommissar der Dombauhütte des Petersdoms, Erzbischof Mario Giordana. Für Irritationen sorgt, dass der Ende Februar ernannte, für die Liturgie am Petersdom zuständige Erzpriester Kardinal Mauro Gambetti nicht genannt ist. Auch wurde er noch nicht in sein Amt eingeführt. Erfolgte die Anweisung in Absprache mit ihm? Wollte jemand noch ohne ihn Pflöcke einschlagen?
Oder bat Gambetti darum, ihm vor seiner Einführung eine unangenehme Aufgabe abzunehmen?
Beunruhigt sind traditionalistische Kreisen zudem über Meldungen aus der Gottesdienstkongregation: Dort führt der Vorsitzende der Liturgiekommission der Italienischen Bischofskonferenz, Bischof Claudio Maniago, angeblich kein Freund des alten Ritus, seit Montag eine "Visitation" (bischöfliche Überprüfung) durch. Erzbischof Arthur Roche, Sekretär der Kongregation, bestätigte dem britischen Magazin "The Tablet" eine beratende, keine juristische "Visitation". Er verglich sie mit einem Bischof, der sich vor einer Personalentscheidung und damit verbundener Neuausrichtung beraten lässt.
Nach dem Rücktritt des bisherigen Präfekten, Kardinal Robert Sarah (75), Ende Februar hat der Papst noch keinen Nachfolger ernannt.
Sarah vertrat mehrfach sehr konservative theologische Ansichten, kritisierte auch Vorgaben von Franziskus. Andere sprechen von einer "Supervision" wegen länger bestehender Spannungen unter Mitarbeitern der Behörde. Die eine Fraktion betone bei der Eucharistiefeier die Rolle des Priesters, der "in persona Christi" dessen Opfer am Kreuz vergegenwärtigt; die andere Fraktion betone stärker den Mahl- und Gemeinschaftscharakter der Eucharistie, die Priester und Gläubige versammelt.