Köln legt Jahresbericht über antisemitische Vorfälle vor

Sachbeschädigung, Drohungen, Angriffe

Die Stadt Köln legt zum ersten Mal einen Jahresbericht zu antisemitischen Vorfällen vor. Im Jahr 2021 wurden von der dafür eingerichteten Meldestelle im NS-Dokumentationszentrum insgesamt 55 antisemitische Vorfälle dokumentiert.

Kundgebung gegen Antisemitismus / © Markus Nowak (KNA)
Kundgebung gegen Antisemitismus / © Markus Nowak ( KNA )

Bei den 55 dokumentierten Kölner Fällen handelt es sich um zwei Angriffe, drei Bedrohungen, fünf Sachbeschädigungen, vier Massenzuschriften und 41 Vorfälle der Kategorie "verletzendes Verhalten", wie die Stadt am Mittwoch mitteilte. Zur letzten Kategorie zählen den Angaben nach insbesondere Anfeindungen, die keinen Straftatbestand erfüllen.

40 Prozent gehören zum "Post-Schoa-Antisemitismus"

Mit 40 Prozent können die meisten der gemeldeten Vorfälle der Meldestelle zufolge dem sogenannten Post-Schoa-Antisemitismus zugeordnet werden. Dazu gehörten etwa Äußerungen, die den Holocaust leugnen oder verharmlosen, hieß es. Darauf folgten Vorfälle im Zusammenhang mit "antisemitischem Othering", etwa wenn Jüdinnen und Juden als fremd beziehungsweise einer Gruppe nicht zugehörig beschrieben werden. Auch der israelbezogene Antisemitismus zähle dazu, zum Beispiel, wenn Jüdinnen und Juden für die Politik Israels verantwortlich gemacht werden oder der "moderne Antisemitismus", wenn eine angebliche jüdische Weltverschwörung behauptet wird.

Rechtsextreme und verschwörungsideologische Hintergründe

Von den 55 dokumentierten Vorfällen richteten sich die antisemitischen Taten oder Aussagen gegen mindestens 24 Einzelpersonen sowie gegen elf Kölner Institutionen, wie die Meldestelle berichtete. In Bezug auf den politischen Hintergrund der Täter und Täterinnen wurden demnach die meisten dokumentierten Vorfälle einem rechtsextremen Hintergrund zugeordnet (zwölf). An zweiter Stelle standen verschwörungsideologische Vorfälle (sieben), gefolgt von jeweils drei islamistischen und antiisraelischen Motiven.

30 Fälle konnten nicht zugeordnet werden, weil entsprechende Informationen nicht vorlagen.

Milieu übergreifendes Problem

"Die Frage, von welchem politischen Hintergrund die größte antisemitische Gefahr in Köln ausgeht, kann anhand dieser ersten Zahlen noch nicht beantwortet werden", erklärte der für die Meldestelle verantwortliche Mitarbeiter Daniel Vymyslicky. Insgesamt zeige sich aber deutlich, dass Antisemitismus auch in Köln ein Milieu übergreifendes Problem darstelle, das nicht auf eine bestimmte politische Motivation reduziert werden dürfe.

Nach der Dokumentation und Auswertung antisemitischer Einzeltaten widmet sich der Jahresbericht auch der Analyse ausgewählter Themen.

Einzelne Themenschwerpunkte

Dies sind die Rolle des Antisemitismus in der verschwörungsideologischen Szene in Köln, antisemitische Inhalte auf einer pro-palästinensischen Demonstration am 15. Mai 2021 auf dem Heumarkt sowie der Umgang eines jungen Kölner Juden mit einem gegen ihn gerichteten antisemitischen Shitstorm im Internet.

Die Meldestelle für antisemitische Vorfälle in Köln ist eine von drei Kompetenzbereichen der Fachstelle [m2]-miteinander mittendrin. Sie kooperiert mit dem Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e.V. (Bundesverband RIAS) sowie mit der neuen landesweiten Meldestelle für antisemitische Vorfälle (RIAS NRW).

Meldestelle: "Antisemitismus ist kontinuierliches Problem"

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) hat in Berlin für 2021 insgesamt 1.052 antisemitische Vorfälle dokumentiert. Davon waren 22 Angriffe, 43 gezielte Sachbeschädigungen, 28 Bedrohungen, 895 Fälle verletzenden Verhaltens sowie 62 Massenzuschriften, wie aus einem am Dienstag in Berlin veröffentlichten Bericht hervorgeht. Erstmals seit Beginn der Dokumentation im Jahr 2015 seien auch zwei Angriffe dabei gewesen, die mit "extremer, potentiell tödlicher Gewalt" einhergingen.

Hakenkreuz-Schmierereien an einer Schule / © Jochen Lübke (dpa)
Hakenkreuz-Schmierereien an einer Schule / © Jochen Lübke ( dpa )
Quelle:
epd