DOMRADIO.DE: Wie war Ihre Reaktion, als Sie davon gehört haben, dass Putins Soldaten die Ukraine überfallen haben?
Msgr. Guido Assmann (Kölner Dompropst): Ich glaube so, wie viele andere es auch gefühlt haben. Die letzten Tage hatte man immer noch gedacht, da wird Diplomatie schon einiges schaffen und es wird nicht zum Krieg kommen. Da wird mit Säbeln gerasselt. Aber dann aufzustehen und wach zu werden und im Radio zu hören, dass der Krieg begonnen hat, das hat uns alle erschrocken und mich auch.
DOMRADIO.DE: Samstag um 12 Uhr wird es einen Friedens-Gottesdienst im Kölner Dom geben. Was hat Sie dazu bewogen, diesen Gottesdienst zu feiern?
Assmann: Ich glaube, so wie viele andere auch, versuchen wir alle uns auszudrücken, unsere Wut, unsere Trauer, unsere Sprachlosigkeit, aber auch die Angst der Menschen aufzugreifen. Die einen strahlen Gebäude bunt an, die anderen veranstalten eine Demonstration oder treffen sich und kommen ins Gespräch.
Wir haben gedacht, wir wollen das tun, was uns besonders wichtig ist und wozu wir immer wieder einladen: Nämlich den Menschen Raum zu geben, ihrer Wut, ihrer Trauer auch Ausdruck zu verleihen. Und das Gott gegenüber zu sagen im großen Vertrauen, dass Gott hört, dass man auch in der Gegenwart Gottes sein kann, auch wenn man im Moment gar nicht weiß, wie es weitergehen soll.
Die Idee ist sehr schnell gekommen. Das Mittagsgebet am Samstag, mitten in der Stadt Köln, wo andere zum Einkaufen gehen, eine kleine Rast abzuhalten und kleinen Moment der Stille zu halten und damit unseren Sorgen vor Gott ein Wort und Raum zu geben.
DOMRADIO.DE: Wie wird der Gottesdienst gestaltet? Wie sieht die Liturgie aus?
Assmann: Es hat sich ergeben - und da bin ich sehr froh und dankbar darüber -, dass auch eine Gruppe der ukrainisch-katholischen Gemeinden im Erzbistum Köln an dem Gebet teilnehmen möchte, sodass ich mit dem ukrainisch-katholischen Geistlichen gemeinsam dort beten werde.
Und die ukrainische Gemeinde wird auch eine kleine Gesangsgruppe mitbringen, sodass man auch mit etwas Musik diese Brücke schlägt, ganz konkret mit den Menschen, die hier bei uns leben, ihren Glauben leben, aber die in ihrer Heimat wissen, dort wird gebombt und dort sterben Menschen. Das wollen wir damit auch zum Ausdruck bringen.
DOMRADIO.DE: Es gibt ja ein Buch für Fürbitten, wo die Gläubigen ihre Bitten für die Menschen in der Ukraine reinschreiben können. Was schreiben die Menschen da rein?
Assmann: Ich habe es aktuell noch nicht nachgesehen, aber es liegen in der sogenannten Kapelle der Barmherzigkeit, das ist, wenn man in den Kölner Dom hineinkommt, hinten links, Zettel aus. Man kann dort eine Fürbitte, ein Anliegen draufschreiben. Es ist sogar ein Briefkasten zum Hineinwerfen da. Die Bitten werden dann in Fürbitten übertragen.
Und ich habe schon den Eindruck, dass Menschen das wirklich nutzen oder auch viele Menschen einfach kommen, eine Kerze zu entzünden. Man kennt ja nicht das Anliegen, warum eine Kerze entzündet wird. Aber solche Extremsituationen wie ein Krieg oder eine große Not, führen Menschen schon dazu, auch im Glauben und damit auch in unseren Kirchen, die zum Glück offen sind, Halt zu finden.
DOMRADIO.DE: Welche Bedeutung hat es für Sie und auch allgemein, für den Frieden in der Ukraine jetzt zu beten?
Assmann: Zum einen können wir unsere Machtlosigkeit, die wir vielleicht auch erfahren, zum Ausdruck bringen. Wenn wir daran glauben - und es ist meine feste Überzeugung -, dass es Gott gibt und dass Gott den Frieden für alle Menschen möchte, dann wird Gott auch ein offenes Ohr für unsere Anliegen haben.
Da wird Gott nicht so eingreifen, wie man sich das von einem Heerführer vielleicht vorstellen würde. Aber er kann uns Menschen Halt geben. Wir kommen gemeinsam zum Gebet, merken, dass wir viele sind, die wir zusammen im Gebet Halt suchen. Und er kann uns auch helfen, dass wir zu Ideen kommen, zu Handlungen kommen, die dann auch für den Frieden in der Welt sorgen.
Und wenn wir jetzt über den Krieg in der Ukraine nachdenken, uns das manchmal sprachlos macht oder auch wütend, dann kann uns das aber auch helfen, darüber nachzudenken: Wie gehen wir im Kleinen mit Unfrieden um? Wie gehen wir um, wenn Menschen so zerstritten sind, dass sie sagen: Mit dir rede ich nicht mehr, dir gebe ich keine neue Chance mehr?
Dann fordern wir den Frieden in der Ukraine und schaffen es manchmal nicht, in unserem eigenen kleinen Umfeld für Frieden zu sorgen, in der Familie, im Erzbistum oder mit Arbeitskollegen. Und das zusammenzubringen, dass Gott den Frieden möchte und dass das Leben aller Menschen gelingt und dass er das Leben möchte, ich glaube, das sollte nicht vergessen werden.
Und dass wir mit allem, was wir tun, eine Verantwortung haben vor Gott. Ich glaube, das kann man auch ganz gut damit zum Ausdruck bringen.
Das Interview führte Michelle Olion.