Kölner Erzdiözesanbaumeister zieht Bilanz seiner Dienstzeit

"Für 22 Jahre hatte ich einen Traumjob"

Seit diesem Donnerstag ist Martin Struck im Ruhestand. Über 20 Jahre war er der Diözesan-Baumeister im Erzbistum Köln. Nicht nur der "Betonkoloss" in Neviges und das Diözesanmuseum Kolumba wecken Erinnerungen. Da ist noch weit mehr.

Martin Struck / © Robert Boecker (Kirchenzeitung Koeln)

DOMRADIO.DE: Wir schauen auf ihr langes Wirken zurück. Im Jahr 2001 haben Sie als Diözesan-Baumeister angefangen. Ihre erste große Herausforderung war das Diözesanmuseum Kolumba.

Martin Struck (Architekt und Bauassessor sowie langjähriger Diözesanbaumeister im Erzbistum Köln, nun im Ruhestand): Das war eine tolle Sache. Dass ich an so einem spektakulären Bauwerk mitbeteiligt sein durfte, habe ich jetzt schon, wenn ich auf die 22 Jahre zurückblicke, als eines der Highlights in Erinnerung.

Ich hatte vorher schon allerhand in meinem Leben an Projektsteuerung und Bauleitung von größeren Objekten mitgemacht. Aber das war eine ganz besondere Herausforderung, nicht zuletzt wegen Herrn Zumthor.

Im Resümee muss ich aber sagen, dass ich dabei sehr viel gelernt habe. Bei allen Schwierigkeiten und allem zeitlichen und finanziellen Aufwand, den das Gebäude macht, ist es eine herausragende Architektur, die dem Architekten Zumthor da gelungen ist.

DOMRADIO.DE: Kennzeichnend für die Architektur ist, dass man auf etwas Altem aufbaut, um etwas Neues zu schaffen. Sehen Sie das auch so?

Struck: Wir fangen erst langsam an, das Aufbauen neu zu lernen. Die Moderne hat gedacht, sie könnte einen radikalen Schnitt machen. Die Baumeister haben gesagt: "Wir fangen bei Null an. Das war alles Mist, was sie früher gemacht haben. Die dunklen Räume, alles feucht, alles schlecht - wir haben die neue Technologie, mit der bauen wir in Zukunft Häuser, die perfekt sind, die den Menschen ganz neue Möglichkeiten geben."

Wir entdecken erst langsam wieder, dass unser Bauen eine riesige Tradition hat, dass eins auf dem anderen aufbaut und dass wir eine Evolution durchlaufen.

Da ist das Kolumba Museum hierfür ein Beispiel par excellence. Da waren unser Fundament Reste vormaliger Kirchenbauten, die 1.500 Jahre lang übereinander aufgeschichtet worden waren. Das Schwierige bei dem Bau und für Herrn Zumthor war, dass wir diese Evolution, die das Bauen in der Regel beinhaltet, verkürzen mussten. Wir mussten Sachen ausprobieren, verwerfen, nochmal ein Modell bauen, die Pläne nochmal bemustern, um diesen Evolutionsprozess wie im Zeitraffer nachzuvollziehen.

Martin Struck

"Meine größte Herausforderung habe ich darin gesehen, die Gemeinden dabei zu unterstützen, ihr Gebäudeportfolio auf ein vernünftiges und zukunftssicheres Maß zurückzuführen."

DOMRADIO.DE: Was war die größte Herausforderung in Ihrem Job?

Struck: Als ich vor 22 Jahren angefangen habe, war mir klar, dass ich keine neuen Kirchen bauen werde. Das zeichnete sich schon lange ab. Als Baumeister blickt man auch funktionalistisch auf das Ganze. Eine Gemeinde hat nur eine bestimmte Größe, dann muss auch die Kirche nur eine bestimmte Größe haben.

Es war klar, dass wir uns verkleinern müssen. Es kommen ja auch immer weniger Leute zu den Gottesdiensten in die Kirchen. Da brauchen wir nicht diese enormen Gebäude-Volumen. Meine größte Herausforderung habe ich darin gesehen, die Gemeinden dabei zu unterstützen, ihr Gebäudeportfolio auf ein vernünftiges und zukunftssicheres Maß zurückzuführen.

Da hätte ich mich gerne mehr engagiert. Aber nach der Umstrukturierung 2006 wurde das kirchliche Bauen insgesamt geschwächt. Das Bistum hatte das nicht mehr so im Fokus. Es hat die Medien in der Annahme präferiert, dass man darüber zu den Leuten kommt. Es ist aber auch so, dass man über die Bauten zu den Leuten kommt.

Allein die Existenz eines Sakralbaus vor Ort zeigt den Menschen, auch wenn sie nichts mit dem Katholizismus zu tun haben wollen, dass es vielleicht doch so etwas wie Transzendenz, etwas Himmelweisendes gibt. Unbewusst sind uns die Menschen dankbar, dass wir diese Bauten haben.

Man sieht ja, wie die Menschen auf den Kölner Dom blicken, auf dieses Zeichen, dass der Mensch vielleicht doch mehr ist als Essen und Trinken.

DOMRADIO.DE: Medien sind oft auch flüchtig. Wenn der Glaube zu Stein wird, ist das auch etwas, was an die Ewigkeit heranreicht. Gibt es von den Projekten eines, das Ihnen besonders ans Herz gewachsen ist?

Struck: Ich habe zwar den Betonkoloss in Neviges für sechseinhalb Millionen Euro renoviert, das Dach dort abgedichtet und sehr viel Zeit damit zugebracht, Verfahren mit Professor Gottfried Böhm zu entwickeln, wie man diesen sehr komplizierten, monolithischen Bau dicht bekommen kann, aber unterm Strich würde ich sagen, ist es das Kolumba, das mir sehr an‘s Herz gewachsen ist.

Dieser Art der Raumbildung ist etwas Neues. Da ist Peter Zumthor ein großer Wurf gelungen. Da zeigt er wirklich, wie Raumbildung heute funktioniert.

DOMRADIO.DE: Sie als Diözesan-Baumeister haben einen starken Glauben, den Sie auch regelmäßig in der Liturgie pflegen. Welche Kraft gibt der Ihnen? Und was hilft letztendlich dabei, sprichwörtlich diese Berge im Glauben zu versetzen?

Struck: Es ist immer schwer, seinen Glauben zu beurteilen. An dem muss ich ständig arbeiten. Ich kann nie sagen: "Es ist alles super, ich bin katholisch, ich habe alles, was ich brauche und alles ist gut." Jeden Morgen bleiben neue Fragen offen und abends fragt man sich auch wieder: "Hätte ich das anders machen müssen? Bin ich irgendwem über den Mund gefahren?"

Es ist schwer zu sagen, dass ich einen starken Glauben habe und damit Berge versetzen könnte. Aber diese 22 Jahre hatte ich einen Traumjob. Ich hatte die Gelegenheit, das, womit ich mich in meinem Leben immer schon beschäftigt habe, mit dem Suchen, dem Ringen, dem Nachdenken, dem geistlichen Leben, dies mit meiner anderen Leidenschaft, der Architektur, zu verbinden. Das ist bis heute außerordentlich erfüllend für mich.

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie der Kirche von Köln für die nächsten Jahre?

Struck: Man muss sich darum bemühen, dass die Kirchen offene Räume sind – auch im übertragenen Sinne. Das habe ich immer wieder mit Unterstützung der Kirchenzeitung oder mit eigenen Projekten versucht, umzusetzen. Wir haben immer wieder appelliert: "Leute, lasst die Kirchen offen, damit die Leute reinkommen können."

Das ist es, was ich mir für die Kirche von Köln wünsche, dass man mehr Offenheit für die Gesellschaft hat. Wir sind kein "closed shop" (geschlossener Laden, Anm. d. Red.). Das dürfen wir nicht werden. Wir sind für alle Menschen da, und das geht unter anderem dadurch, wenn man die Gebäude geöffnet hat, dass man vor Allem geistig und geistlich offen bleibt und auf unsere Zeitgenossen zugeht.

Martin Struck

"Es gibt überall die Probleme, dass die Kirchenvorstände überaltern, und zu denen gehöre ich dann auch."

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich denn ganz persönlich für sich im Ruhestand?

Struck: Ich bin in meinem Leben mit meiner Familie schon reich beschenkt. Ich habe vier wunderbare Kinder und beobachte, wie die sich entwickeln. Die leben leider nicht mehr in Reichweite. Das ist halt so, aber ich fahre sie mit meiner Frau deutschlandweit verteilt besuchen.

Ich würde mir wünschen, dass meine mir verbleibende Zeit noch möglichst gut für andere eingesetzt wird. Ein paar Sachen muss ich noch abarbeiten. Ich muss das Dormitio-Projekt noch zu Ende bringen. Ich bin bei den Salvatorianerinnen für eine Bauberatung in Daressalam in Tansania angefragt.

Ich werde am Thema Bauen dran bleiben. Ich werde mich bei meiner eigenen Gemeinde engagieren. Es gibt überall die Probleme, dass die Kirchenvorstände überaltern. Zu denen gehöre ich dann auch. Aber es muss ja jemanden geben, der den baulichen Bereich mitbetreut.

Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.

Kunstmuseum Kolumba

Kolumba ist das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, das 1853 als Diözesanmuseum Köln gegründet wurde. Zweitausend Jahre abendländischer Kultur sind in einem Haus zu erleben. In der Kunst mit Werken der Spätantike bis zur Gegenwart.

Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR