Kölner Generalvikar kommentiert gesunkene Austrittszahlen

Verhaltene Freude

Die katholischen Bistümer präsentieren am Donnerstag ihre Statistiken zu Kirchenaustritten. Insgesamt sei ein rückläufiger Trend zu beobachten, konstatiert der Kölner Generalvikar Guido Assmann. Stehen die Zeichen auf Entwarnung?

Kirchenein- und Austritt / © FrankHH (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Heute veröffentlichen alle katholischen Diözesen ihre Statistiken zu den Kirchenaustritten im vergangenen Jahr. Die Katholiken werden seit vielen Jahren weniger. Warum verliert die Kirche offenbar immer noch weiter an Bedeutung in der Gesellschaft? 

Guido Assmann / © Harald Oppitz (KNA)
Guido Assmann / © Harald Oppitz ( KNA )

Guido Assmann (Generalvikar des Erzbistums Köln): Wir stellen einen Spagat fest: Wir haben eine ganz hohe Anerkennung im Bereich der Bildung, mit den Schulen, mit den Kindertagesstätten. Unsere Angebote gerade in diesem Bereich wird von so vielen Eltern für ihre Kinder bewusst angestrebt, das nehmen wir als starkes Zeichen in die Gesellschaft hinein wahr. Und tatsächlich gibt es zeitgleich viele Menschen, die mit unserem Glauben hadern, oder in deren Leben der Glaube nicht mehr den großen Bezug hat, auch in ihrem Glaubensalltag nicht. 

DOMRADIO.DE: Haben Sie Gründe dafür ausgemacht, jetzt auch aktuell, warum das so ist? 

Assmann: Wir stellen seit Jahren fest, dass der Glaube verdunstet und dass viele Menschen gar nicht mehr unbedingt im christlichen Glauben ihren Halt suchen, sondern im großen Angebot der Weltanschauungen und auch des gesellschaftlichen Lebens. 

Guido Assmann

"Zu sagen, es gibt im Erzbistum Köln eine Krise und deshalb würden hier besonders viele Menschen austreten, ist von der Statistik überhaupt nicht belegt."

DOMRADIO.DE: Wenn wir mal ganz genau hier auf das Erzbistum Köln schauen, dann sehen wir ja tatsächlich, dass die Krise da noch lange nicht vom Tisch ist. Wie groß ist der Einfluss auf diese Kirchenaustritte? 

Assmann: Die Zahl der Kirchenaustritte im Erzbistum Köln ist gesunken gegenüber dem vergangenen Jahr. Das ist erst mal erfreulich, auch wenn die Zahl insgesamt noch sehr hoch ist. Insofern ist die Freude verhalten. Dieser Trend - das sieht man anhand der Zahlen, die heute von allen Bistümern in Deutschland veröffentlich werden - zeigt, dass die Tendenz in ganz Deutschland ähnlich ist. Jetzt zu sagen, es gibt im Erzbistum Köln eine Krise und deshalb würden hier besonders viele Menschen austreten, ist von der Statistik überhaupt nicht belegt. 

Das auch einmal einzuordnen und das auch wahrzunehmen, macht die Situation nicht besser, gar keine Frage. Da muss man nichts schönreden. Jeder Mensch, der die Entscheidung trifft, zum Amtsgericht zu gehen und dort öffentlich zu erklären, ich möchte nicht mehr Mitglied der katholischen Kirche sein, das tut auch weh. Denn jeder Mensch, der unsere Gemeinschaft in dieser Weise verlässt, fehlt an irgendeinem Platz. 

Wir können nur so kräftig in der Gesellschaft unser Glauben leben und auch bezeugen, wie es Menschen gibt, die für den Glauben brennen, die sich zu Jesus Christus bekennen und sich in den Dienst Jesu Christi nehmen lassen. 

DOMRADIO.DE: Unabhängig von den Zahlen, die heute präsentiert werden, gibt es ja auch immer wieder Studien, wonach Menschen durchaus sagen: "Ja, ich fühle mich als Christin, als Christ. Die Kirche bedeutet mir aber nicht mehr so viel." Wie kann man das denn ändern? 

Assmann: Glaubenszeugnis und überzeugende Menschen sind der Schlüssel. Wir brauchen einfach Menschen, die ihren Glauben überzeugt leben am besten in ihrem Stadtviertel, in ihrer Pfarrei, in ihrem Verband, dort, wo sie tätig sind. Und zum Glück sind das ja sehr viele Menschen. 

Guido Assmann

"Dann werden wir zu einem wichtigen Sozialanbieter."

Immerhin 30 Prozent der Menschen, die auf dem Gebiet des Erzbistums Köln wohnen, in diesem Teil von Nordrhein Westfalen, sind Glied der katholischen Kirche. Da ist Kirche schon noch ein großer Player. Wir sind ja nicht ganz wenige. Und da gibt es so viele engagierte Menschen, die sich in ihrem Stadtviertel engagieren, die sich aus ihrer christlichen Überzeugung heraus in die Gesellschaft einbringen und diesen Glauben auch leben. 

Wenn wir es nicht schaffen, die Beziehung von Christus zu den Menschen nahezubringen und ihnen zu helfen, diese Lebensbeziehung und auch Beziehung im Gebet und im Gottesdienst mit den Menschen zu teilen, dann werden wir zu einem wichtigen Sozialanbieter. Das ist für die Gesellschaft nicht unwichtig. Aber das Spezifische von uns als Christen ist ja erst mal in der Beziehung zu Christus, dass wir Schwestern und Brüder sind und dass uns deshalb die Menschen und die Gesellschaft und wie sie sich entwickelt, nicht egal sein kann. 

DOMRADIO.DE: Diese starke Verbundenheit zur eigenen örtlichen Kirchengemeinde, die Sie gerade angesprochen haben, gibt Ihnen das Hoffnung, da vielleicht generell auch einen Turnaround zu schaffen? 

Assmann: Auf jeden Fall ist es wichtig, dass Menschen in ihrem Umfeld Christen erleben, die sie stärken, dass sie als Gemeinschaft unterwegs sind. Denn das Christentum ist angelegt, um als Gemeinschaft unterwegs zu sein. 

Das Interview führte Carsten Döpp.

Erzbistum Köln

Das Erzbistum Köln zählt zu den bedeutendsten Diözesen in Deutschland. Mit rund 1,9 Millionen Katholiken hat es die meisten Mitglieder, gefolgt von Münster, Freiburg und Rottenburg-Stuttgart (je rund 1,8 Millionen). Das Vermögen liegt bei rund 3,8 Milliarden Euro. Damit liegt Köln auf Platz drei hinter Paderborn (7,15 Milliarden Euro) und München-Freising (6,1 Milliarden Euro).

Blick auf den Kölner Dom / © saiko3p (shutterstock)
Quelle:
DR