DOMRADIO.DE: Was löst es bei Ihnen aus, wenn Sie hören, dass die Mehrheit der Deutschen die Kirchensteuer für nicht mehr zeitgemäß hält?
Guido Assmann (Generalvikar des Erzbistums Köln): Ich glaube, dass es viele Missverständnisse gibt, was Kirchensteuer ausmacht, wie sie zustande kommt und was mit der Kirchensteuer ausgelöst wird. Ich halte Kirchensteuer für höchst solidarisch, für sehr gerecht. Sie sorgt dafür, dass wir als Kirche ein ernst zu nehmender Partner in der Gesellschaft sind. Für Handwerker, aber auch für viele, viele Menschen, die im kirchlichen Dienst ihr Geld verdienen und damit ihre Familien ernähren.
DOMRADIO.DE: Haben Sie denn auch Verständnis für die Menschen, die dem eher kritisch gegenüberstehen und sagen, das sei nicht mehr zeitgemäß?
Assmann: Zunächst mal sollten wir darauf schauen, was mit der Kirchensteuer geschieht und wie sie entstanden ist. Das war in einer Zeit im 19. Jahrhundert, als die Kirche vielfach durch den Staat enteignet worden ist, und dann festgestellt wurde, dass die Kirche ihrem Auftrag nicht mehr gerecht werden konnte. Sie konnte sich nicht mehr so um die Kranken kümmern, in der Schulbildung nicht mehr so tätig sein und ihre Kirchengebäude nicht mehr erhalten. Dann hat der Staat damals gesagt, dass man von den Mitgliedern Beiträge nehmen könnte. So ist die Kirchensteuer entstanden.
Heute ist eine große Verantwortung damit verbunden. Wir sind als Kirche ein verlässlicher Partner in der Gesellschaft und engagieren uns in der Gesellschaft. Es drückt auch eine Vielfalt der Gesellschaft aus, wenn sich Religionsgemeinschaften in die Gesellschaft einbringen.
Es ist auch ein großes Missverständnis, dass man denkt, das sei eine Bevorzugung von katholischen und evangelischen Christen. Denn in der Bundesrepublik Deutschland kann jede Religionsgemeinschaft, die eine Körperschaft öffentlichen Rechts ist, eine solche Steuer erheben und sich so auch finanzieren und damit am Auftrag in der Gesellschaft teilnehmen.
DOMRADIO.DE: Können Sie vielleicht noch ein ganz konkretes Beispiel geben, wo Kirchensteuer für die Gesellschaft sinnvoll ist und wo sie vielleicht auch zum Wohle aller eingesetzt wird?
Assmann: Gerade in der Bildung und in der Erziehung, im Kindergartenbereich oder auch im Schulbereich ist das der Fall.
Es gibt eine gesetzliche Verpflichtung, dass jedes Kind ein Kindergartenplatz bekommt. Damit ist es erst einmal eine staatliche Aufgabe. In unserem Staat gibt es gleichzeitig die positive Religionsfreiheit, sodass alle Eltern frei wählen können, wie das Kind erzogen werden soll.
Die Erziehungsaufgabe ist, das ist auch meine feste Überzeugung, nicht zunächst Aufgabe des Staates. Er muss nur die Erziehung sicherstellen. Wie ein Kind erzogen wird, ist Aufgabe der Eltern.
Allein im Erzbistum Köln haben wir ungefähr 540 katholische Kindertagesstätten. Ein Großteil wird durch die Elternbeiträge, ein anderer Großteil durch die Steuern finanziert. Aber das Gebäude und auch das Grundstück müssen gestellt werden.
Einen kleinen Eigenanteil muss der Träger immer selber aufbringen. Da investieren wir jedes Jahr 51 Millionen Euro aus Kirchensteuermitteln, die sonst aus staatlichen Mitteln aufgebracht werden müssten.
DOMRADIO.DE: Der gesellschaftliche Druck ist ja irgendwo schon da. Das zeigt auch diese Umfrage. Wie wirken Sie dem entgegen? Gibt es da eventuell ein Alternativmodell zur Kirchensteuer, über das Sie nachdenken?
Assmann: Natürlich müssen wir darüber nachdenken, was geschieht, wenn es die Kirchensteuer nicht mehr gibt. Dann könnten wir viele Aufgaben so nicht mehr erfüllen. Die vielen Menschen, die im kirchlichen Bereich angestellt sind, haben ein Anrecht, ein ordentliches Gehalt zu bekommen. Wir müssen auch sicherstellen, dass sie im Alter ihre entsprechenden Pensionen und ihre Renten bekommen.
Ich finde, die Kirchensteuer ist ein hoch solidarisches und gerechtes System ohne Gleichmacherei. Man kann zur Kirche gehören, ohne Kirchensteuer zu zahlen, wenn man kein Einkommen hat. Es ist daran angeglichen, wie viel Geld man verdient.
Wer wenig verdient, zahlt auch nur wenig oder auch gar keine Kirchensteuer. Wer viel verdient, bezahlt viel, ohne dass die Kirche selber von einem Mitglied erfährt, wie viel jemand verdient. Denn das geht nur den an, der eine Arbeit vergibt und den, der Arbeit leistet und den Staat, der entsprechend Steuern berechnet.
DOMRADIO.DE: Welche Chancen ergeben sich denn aus diesen Umfrageergebnissen, um auf die Menschen zuzugehen? Wo sehen Sie da Chancen, vielleicht auch im Erzbistum Köln?
Assmann: Ich glaube, wir müssen wie bei vielen Dingen einfach auch darüber sprechen, was mit Kirchensteuern geschieht, wo wir uns engagieren, wo wir verlässlich sind.
2,6 Millionen Euro gibt das Erzbistum Köln jeden Tag in die Pastoral vor Ort aus. Wir haben 1.000 Kirchen, die offen sind, wo Menschen reinkommen können, wo sie sich hinsetzen können, wo sie Gottesdienst mitfeiern können. Es gibt die Kindertagesstätten, die Schulen, die Seelsorge vor Ort, die pastoralen Dienste, die Telefonseelsorge und viele Dinge, die die Gesellschaft ärmer machen würden, wenn sie nicht mehr da wären oder alle vom Staat gemacht würden.
In unserem Staat ist es gut, dass viele gesellschaftliche Gruppen ihre Angebote machen können und ihre Schwerpunkte setzen können und dass diese Angebote jedem offenstehen. Da ist die Kirche eine Gruppe von vielen.
Das Interview führte Tim Helssen.